Bürgerinnen und Bürger, Kirchengemeinden, Museen und Vereine Lübecks veranstalten jährlich vielfältige Aktionen zum Gedenken an die Opfer national-sozialistischer Gewalt. Zugleich soll das Bewusstsein politischer Verantwortlichkeit aller in der Stadt gestärkt werden. Unter dem Motto „Zeit des Erinnerns - Für die Zukunft 2021“ werden von Oktober bis Dezember Führungen, Konzerte, Vorträge, Filme, Rundgänge und Gottesdienste angeboten. Unter den Veranstaltern sind neben den Gedenkstätten in der Stadt, die Jüdische Gemeinde, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, zahlreiche Vereine und Initiativen, das Haus der Kulturen, die Kirchen, die städtischen Museen und (Hoch-)Schulen, das Theater Lübeck, das Willy-Brandt-Haus und die Hansestadt Lübeck.
In diesem Jahr jährt sich das Massaker von Babyn Jar – lange Zeit ein blinder Fleck im Holocaustgedenken –, wo Nationalsozialisten Ende September 1941 das Leben Tausender auslöschten. Innerhalb von zwei Tagen wurden fast 34.000 Jüdinnen:Juden erschossen. Ebenso vor 80 Jahren wurden im Zuge der zentral gelenkten, nationalsozialistischen Mordaktion „T4“ Lübecker Jüdinnen:Juden sowie Patient:innen der „Heilanstalt Strecknitz“ deportiert und ermordet. Anlässlich dieses Ereignisses wurde auf dem Gelände des Universitätsklinikums jüngst eine Stolperschwelle verlegt und wird am 26. Oktober als neuer Gedenkort eingeweiht.
Zu einer besonderen Kulturveranstaltung lädt die Jüdische Gemeinde am 27. Oktober 2021, in der sanierten Carlebach-Synagoge ein: Der Autor Thomas Sparr und der ehemalige Landgerichtspräsident Hans-Ernst Böttcher sprechen über Paul Celans Gedicht „Todesfuge“ und dessen Bezug zu Lübeck. Am selben Ort gedenkt die Jüdische Gemeinde am 9. November der dunkelsten Stunde ihrer Geschichte.
Die Initiative Stolpersteine gibt in einer öffentlichen Kunstaktion den Opfern der Shoah aus Lübeck ein Gesicht. Mit einem Kurzvortrag über die zur Wissenschaft erhobenen nationalsozialistischen Rassenideologie beteiligt sich in diesem Jahr auch das Museum für Natur und Umwelt am Programm. Ferner gehen mehrere Veranstaltungen der zerstörten jüdischen Kultur in Deutschland nach und erzählen von Schicksalen verfolgter und verschleppter Menschen, die persönlich berühren und die nationalsozialistischen Verbrechen dokumentieren. Abschließend wird der Menschen gedacht, die am 6. Dezember 1941 aus Lübeck nach Riga deportiert wurden und einer Geste, die in die Geschichte einging: Am 7. Dezember 1970 gedenkt Bundeskanzler Willy Brandt kniend der Opfer des Warschauer Ghetto-Aufstandes.
Das gedruckte Programmheft ist unteranderem erhältlich im Rathaus, Kulturbüro, in der Stadtbibliothek, im Bürgerservicebüro Lichthof und in allen teilnehmenden Kirchen und Einrichtungen. Die online-Version des Programmhefts und weitere Informationen sind abrufbar unter https://www.stolpersteine-luebeck.de/main/startseite.html
Hintergrund
Anfang November 1938 wurden deutschlandweit Synagogen in Brand gesetzt oder geschändet, Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört, Menschen misshandelt, verschleppt und ermordet. Auch nach 83 Jahren wird daran erinnert, der Opfer gedacht und Haltung gezeigt gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit sowie gegen Ausgrenzung, strukturelle Gewalt und Ressentiments. Die Solidarität als Lübecker Stadtgesellschaft gilt in diesen Tagen ganz besonders den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde sowie den Opfern, Überlebenden und Hinterbliebenen, deren Menschenwürde, deren Leben in der Vergangenheit und Gegenwart durch rechten Terror angegriffen und genommen wurde.
Das Jahr 2021 wird auch zum Anlass genommen, um bundesweit 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zu würdigen. Im August dieses Festjahres wurde in Lübeck die Carlebach-Synagoge nach umfassender Sanierung feierlich wiedereröffnet. Sie erstrahlt heute in neuem Glanz, doch die Spuren der Zerstörung des Novemberpogroms bleiben sichtbar und zeugen vom antisemitischen Terror des NS-Regimes. Mit der Wiedereröffnung ist auch eine neue Ausstellung vor Ort zu sehen, die die Geschichte der Synagoge und des jüdischen religiösen Lebens in Lübeck erzählt. +++