Kennen Sie den Nussfresser-Tag?
Am 25. April ist Nussfresser-Tag. Wenn es bis dahin keine Spätfröste gegeben hat, dann frisst mich der Winter nicht und ich komme meistens durch. Meine Triebe sind nämlich ziemlich empfindlich gegenüber Kälte. Gerne wachse ich deshalb in Regionen, in denen Wein angebaut wird. Es heißt, dass gute Weinjahre auch gute Nussjahre sind. Walnussbauern achten mittlerweile auch darauf, dass sie Züchtungen pflanzen, die spät austreiben. Überlebe ich also das Frühjahr, kann ich ab Ende September reichlich Walnüsse abwerfen. Dann sind im Herbst wieder Nussfressertage – diesmal einer für Feinschmecker. Rund um das französische Grenoble bin ich eine Spezialität. Nur die Briten können sich manchmal nicht gedulden: Sie ernten meine Früchte auch, wenn sie noch grün sind und verarbeiten sie zu süß-sauren Pickles.
Bevor ich etwas zu meiner Einwanderungsgeschichte erzähle, lassen Sie mich kurz klären: Nur, wenn von einer »echten Walnuss« die Rede ist, bin ich gemeint – die »Juglans Regia«. Der deutsche Name Walnuss stammt wahrscheinlich von der Bezeichnung »welsche Nuss« und legt nahe, dass ich über Frankreich oder Italien nach Deutschland gekommen bin. Die Eiszeiten, das vermuten die Forscher , habe ich in Syrien und Anatolien überstanden. Seit dem Quartär – also seit schlappen 2,6 Mio. Jahren – verbreite ich mich vom östlichen Mittelmeerraum über den Balkan bis Vorder- und Mittelasien. Im Himalaya wachse ich sogar bis auf 3.000 Meter Höhe. Außerordentlich sind die Nussbaumwälder im kirgisischen Tiashan-Gebirge. Obwohl Kirgisistan eines der waldärmsten Länder Asiens ist, bewirtschaftet es die größten Nussbaumbestände der Welt.
Laut dem Kuratorium für den Baum des Jahres ist mein Bestand in Deutschland in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Anders in Kalifornien: dort werde ich auf riesigen Plantagen gezüchtet. Den Farmern geht es dabei nicht um mein Holz, sondern um meine Früchte. Walnusskerne schmecken roh, werden zu Speiseöl verarbeitet und sind vom Kuchen bis zum Eis Bestandteil unzähliger Rezepte. Wie sich die Zeiten doch ändern! Früher haben die armen Leute meine Schalen zerstoßen und als Ersatz für Pfeffer verwendet.
Für das Herz und gegen den Stress
Der gesundheitliche Wert meiner Früchte ist breit. Ernährungswissenschaftler vertreten sogar die Auffassung, dass der Mensch lange Zeit überleben könne, wenn er nur meine Walnüsse äße. Sie besitzen wertvolle Inhaltsstoffe. Zum Beispiel hat keine andere Nuss so viel Linolensäure wie ich. Dies ist eine Omega-3-Fettsäure, die für das Herz gesund ist. Außerdem sind sie reich an Zink – was gut für die Leber und für die Haare ist. Untersuchungen über sogenannte Mittelmeerdiäten haben gezeigt, dass meine Früchte helfen können, der Typ-2-Diabetes vorzubeugen. Neuere Studien sagen, dass bereits neun Walnüsse täglich sowie ein Teelöffel Walnussöl in Stress-Situationen vor zu hohem Blutdruck schützen. Und schließlich sollen meine Früchte auch Prostatakrebs bremsen.
Meine Blätter wiederum sind offizinell, was bedeutet, dass sie in das Deutsche Arzneibuch aufgenommen wurden und als Medikament gehandelt werden. Die Mittel, die aus ihnen hergestellt werden, helfen als Spülungen, Bäder oder Umschläge bei Hautleiden.
Der Sage nach eroberte der griechische Gott Dionysos die Liebe der Königstochter Karya. Als deren Schwestern die beiden Liebenden verraten, stirbt Karya vor Verzweiflung. Daraufhin soll Dionysos sie in einen Walnussbaum verwandelt haben. Bis heute heiße ich bei den Griechen Karya.
In den römischen Hochzeitsbräuchen warf der Bräutigam meine Früchte als Glücksbringer unter die Gäste. Die Germanen weihten meine Nüsse der Göttin Fro – der Göttin der Liebe und des Erntesegens. Als Baum selbst war ich im Mittelalter nicht sehr beliebt – sondern als Zeichen der Wollust und Sünde gebrandmarkt. So sollte auf jedem meiner Blätter ein Teufel wohnen, der mit Hexen Liebesorgien feierte. Vielleicht stammt der Irrglaube, dass es schädlich für die Gesundheit ist, sich in meinem Schatten auszuruhen, daher. Vielleicht aber auch, weil der Boden um meinen Stamm herum meist unbewachsen ist. Hier kann ich es Ihnen ja verraten: Es liegt weder an den Orgien noch am Schatten. Ich gebe einfach Hemmstoffe ab, die verhindern, dass die Nährstoffkonkurrenz zu nah an mich heranwächst. Die Biochemiker nennen das Alleopathie. Dass meine gerbstoffreichen Blätter auch die Mücken und Fliegen vertreiben, wissen Landwirte schon seit Ewigkeiten. So stehe ich auf Bauernhöfen meist nicht vor dem Haus, sondern neben dem Misthaufen.