Hainbuche

Carpinus betulus - Baum des Jahres 1996

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Hörtext als Kurzfassung

Ich bin ein echtes Schwergewicht: 800 Kilogramm wiegt mein Holz pro Kubikmeter – und war früher eine Art »Arme-Leute-Eisen«. Deshalb nennt man mich nicht nur Hainbuche, sondern auch Steinbuche oder Eisenholz. Zahnräder und Achsen, Rammböcke oder Hackklötze hat man aus mir gefertigt. Und Lettern für die Buchdruckerei: Dreimal dürfen Sie raten, woher das Wort Buch stammt. Weil mein Holz aber nicht nur schwer, sondern auch gleichmäßig hell ist, heiße ich auch Weißbuche und bin ein Super-Imitat für das teure Ebenholz. Zum Beispiel bei Klaviertasten. Und schließlich heiße ich auch Hagebuche, denn ich bin ideal für einen »hag« – was so viel bedeutet wie Hecke oder Umfriedung. Da soll noch mal einer behaupten, Namen seien nur Schall und Rauch.

Eisenholz hin, Hagebuche her: Offiziell heiße ich »Carpinus bétulus« und das wiederum bedeutet, dass ich gar keine Buche bin. Ich gehöre zur Familie der Birkengewächse und bei einem Blick auf meine Blätter sieht man das sofort: Sie sind am Rand doppelt gesägt und fühlen sich – sehr zu meinem Leidwesen – auch älter und härter an als die Blätter der Buche.

Bis ich meine Blätter abwerfe, kann schon mal der Winter vergehen. Das freut wiederum diejenigen, die mich als Windschutz gepflanzt haben. Denn nachdem mein Laub im Herbst sonnig gelb geleuchtet hat, wird es braun und trocken – fällt aber nicht ab. So bleibe ich als Hecke dicht und schütze mit meinem Winterkleid zum Beispiel Höfe auf freiem Feld vor Wind- und Schneestürmen.

Oder vor den Römern: Das ist zwar schon ein Weilchen her, aber von Caesar und Tacitus ist überliefert, dass germanische Stämme zum Schutz vor Angreifern meterdicke, ineinander verstrickte »Gehäge« gebaut hätten. Auch während der Karolingerzeit oder im Dreißigjährigen Krieg wurden diese Hecken zur Feindabwehr benutzt. Man kann sich das so vorstellen: Es gab einen Graben und dahinter einen Wall. Auf diesem Wall pflanzte man Hainbuchen im Wechsel mit Dornensträuchern. Die Äste der Hainbuchen schlug man mit der Axt an und knickte sie um. Das hat man gemacht, weil wir uns schnell regenerieren und umgehend mit den Dornensträuchern verwuchsen. So entstand eine beinahe undurchdringliche Hecke, die man »Knickicht« oder »Gebück« nannte. Dies konnte auch schon mal über hundert Meter dick sein und war absolut dicht. Achten Sie einmal auf Ortsnamen, die auf -hain oder -hagen enden; sie verweisen darauf, dass es dort einmal solche Hecken gab.

Wie gerade beschrieben: Wie man mich auch zurechtschneidet – es macht mir nichts aus. Im Gegenteil: Ich regeneriere mich bestens und schlage schnell wieder aus. Wahrscheinlich bin ich deshalb als Gestaltungs-Gehölz auch heute noch beliebt. Ob zu Hecken, Laubengängen, oder Skulpturen: ich lasse mich in die schönsten und kühnsten Formen stutzen. Auch in Lübeck. Im Godewindpark in Lübeck-Travemünde zeige ich zum Beispiel, was ich als kunstvolle Skulptur zu bieten habe. Ich muss sagen: Die Lübecker Baumpfleger verstehen ihr Handwerk.

Weil ich nicht so groß werde, bin ich es gewohnt, im Wald unter anderen Bäumen zu wachsen. Eigene Hainbuchenwälder entwickele ich so allerdings nicht. Obwohl ich eine gute Überlebensstrategie entwickelt habe. Die brauche ich nämlich, weil das Wild meine Stämme verbeißt und Mäuse sich an meinen Wurzeln zu schaffen machen. Würde ich nicht jedes Jahr so üppig Früchte tragen, gäbe es mich vielleicht schon gar nicht mehr. Mitte August sind meine Früchte reif und dann zeigt sich die schwere Hainbuche von ihrer federleichten Seite: Denn meine Früchte verbreiten sich durch Fliegen. Dazu wachsen ihnen sogenannte Flügel, die wie ein Propeller wirken und sie bis zu 120 Meter weit tragen.

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