Peter Stromeier ließ 1368 im Nürnberger Reichswald mehrere hundert Morgen Kiefern aufforsten. Für die damalige Zeit ein Wahnsinns-Unternehmen – das so erfolgreich war, dass der »Tannsäer« und seine Kollegen fortan mit Säcken voller Saatgut durch die Lande zogen und Kiefernwälder anlegten. Seitdem ging es mit meiner forstwirtschaftlichen Bedeutung steil bergauf. Ob als Kienbaum, als Föhre oder als »pinus sylvestris« – so mein botanischer Name: Ich bin die am häufigsten angebaute Kiefernart Deutschlands. Im Lübecker Drägerpark stehen wir auch. Eine Gruppe herb duftender Typen in den besten Jahren. Raue Schönheiten, möchte ich sagen.
Unsere Heimat ist die Nordhalbkugel. Bis auf eine einzige Art – die »pinus merkusii« – also: bis auf eine einzige Art wachsen wir anderen etwa 100 Kiefernarten zwischen dem nördlichen Polarkreis und dem Äquator. Im pazifischen Nordamerika finden Sie unsere größte Artendichte.
Nach der letzten Eiszeit – also vor rund 10.000 Jahren – bedeckte ich in Mitteleuropa zusammen mit der Birke riesige Landstriche. Wir sind beide ausgesprochene Pionierbäume – lichtkeimend und mit leichten Flugsamen ausgestattet, die sich super verbreiten können. Als dann die Haseln und Eichen kamen, mussten wir uns zurückziehen. Sie können sich besser an Klimaveränderungen anpassen und sind deswegen durchsetzungsstärker. Auf natürliche Weise kann ich mich deshalb nur dort durchsetzen, wo eigentlich niemand hin will: auf Katastrophenflächen nach Waldbränden, auf armen trockenen Sandböden, an Moorrändern oder auf Felsen. Ich will ja keine Stimmung machen – aber wenn die Böden im Zuge der Klimaerwärmung trockener werden, würde ich vermutlich davon profitieren.
Wenn Sie wissen wollen, ob Sie es mit einer echten Wald-Kiefer zu tun haben, schauen Sie einfach nach, ob meine Nadeln zu zweit am Trieb sitzen. Ist das so, dann haben Sie mich identifiziert.
Meine Nadeln sind auch Stress-Anzeiger. Normalerweise werfe ich sie nur alle zwei bis drei Jahre ab. Selbst das ist gegenüber anderen Nadelnbäumen schon ein kurzer Zeitraum. Passiert es allerdings jährlich, macht mir irgendetwas zu schaffen. Dann sollten Sie sich dringend um mich kümmern. Entledige ich mich dagegen von ganzen Ästen, ist das eine ganz normale Alterserscheinung. Wenn wir auf gutem Boden gerade wachsen können, haben wir im Alter oft kahle Stämme und nur noch eine Schirmkrone.
In jungen Jahren wachse ich jährlich um genau ein Stockwerk. Bis ich etwa 50 Jahre alt bin, können Sie deshalb an meinem Stamm recht deutlich ablesen, wie alt ich bin. Auch die Narben abgeworfener Äste sind noch lange an meinem Stamm zu erkennen. Rechnen Sie doch mal mit Ihren Kindern oder Enkeln nach, wenn sie eine meiner jungen Verwandten sehen.
Welche Gestalt ich im Einzelnen annehme? Das kommt ganz darauf an. Auf gutem Boden entwickele ich gerade Stämme mit einer schönen Schirmkrone. Ist der Boden arm, wachse ich eher krumm. Dann ist es eher ein Kriechen als ein Wachsen. Gegenüber Schnee sind meine Äste nicht immer stark genug, so dass sie unter dem Gewicht gerne mal abfallen. Bei Wind flache ich an der Windangriffsseite ab. Was das bedeutet, kann jeder sehen, der abends den Wetterbericht des NDR-Ostfernsehens schaut. Sie wissen schon: der Leuchturm mit der schiefen Kiefer. Dass ich auch bei stärkstem Wind nicht umfalle, liegt an meinen Wurzeln. Sie gehen bis zu acht Meter tief in die Erde und bilden bis zu 16 Meter lange Seitenwurzeln aus. Das hält.
In Europa werde ich häufig auf Plantagen in einer Monokultur bewirtschaftet. Denn ich liefere eines der wichtigsten Bau- und Konstruktionshölzer. Auch für Dielen, Leisten oder Massivholzmöbel bin ich zu gebrauchen. Unter dem Namen »Ivar« habe ich es als Allzweck-Regal sogar zu einiger Berühmtheit gebracht. Zur Stabilisierung gegenüber Belastungen unterbaut man meine Plantagen manchmal auch mit Laubbäumen. Ziel ist dabei, das Klima in der Plantage zu verbessern. Ist mein Wirtschaftsziel erreicht, bedeutet das für mich: Kahlschlag. Die Laubbäume bleiben dann manchmal sogar stehen und können einen Folgewald bilden. Die Kahlschlagzeit bricht für mich an, wenn meine Stämme auf Brusthöhe einen Durchmesser von 35 bis 40 cm erreichen.
Neben Holz liefere ich auch Harz, das zu pharmazeutischen Produkten, Terpentin, Kienruß oder Kolophonium weiter verarbeitet werden kann. Kienruß sind Rückstände von verbranntem Harz, das früher als Druckerschwärze oder Schuhputzmittel diente. Kolophonium heißt hierzulande Geigenharz. In Deutschland ist die Harzgewinnung mittlerweile nicht mehr üblich. In Osteuropa überlebte dieses Waldgewerbe bis in die 1980er Jahre, in Niederösterreich bis heute.
Und dann möchte ich noch etwas aufklären: Wenn mal wieder in der Zeitung steht, in Deutschland sei Sahara-Staub nieder geregnet, muss ich Sie leider enttäuschen. Jedenfalls im Mai. Denn dann blühe ich und entwickle derart viele gelbe Pollen, dass es in meiner Umgebung nur so staubt. Manche sprechen auch von Schwefelregen. Da ist mir der Vergleich mit der Sahara allerdings lieber. Vor allem, weil ich selbst total empfindlich gegenüber Schwefeldioxid bin.