Trauben-Eiche

Quercus petraea - Baum des Jahres 2014

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Hörtext als Kurzfassung

Manchmal weiß ich selbst nicht, wer ich bin. Damit befinde ich mich in guter Gesellschaft. Denn auch die Forscher sind sich nicht einig: Bin ich als Trauben-Eiche nun eine Standortrasse der Stieleiche oder ein ganz und gar eigenes Gewächs? Immerhin eines ist mir sicher: Ich bin der Baum des Jahres 2014! In Lübeck stehe ich zum Beispiel im Drägerpark. Damit Sie mich dort erkennen und wir uns näher kennen lernen können, haben meine Freunde vom Bereich Stadtgrün und Verkehr mir diesen kleinen Bericht gewidmet.

Als Parkbaum finde ich mich äußerst attraktiv: Ich treibe früh aus, bin sommergrün und behalte meine Blätter sehr lange – oft bis in den Winter hinein. In der Regel werde ich 25 m bis 30 m hoch, kann einen Stamm von bis zu zwei Metern Durchmesser entwickeln und jetzt kommt’s:  Ich kann gut und gerne 1.000 Jahre alt werden! Bei mir stimmt also der Spruch: »Eichen kommen 300 Jahre, bleiben 300 Jahre und gehen 300 Jahre«.

Da ich der Stieleiche sehr ähnele, vermuten Baumforscher, dass ich nur eine Standortrasse von ihr bin. Wer mich dennoch als Trauben-Eiche – oder quercus petraea – erkennen will, der findet einen wichtigen Hinweis, wenn er die Anordnung meiner Früchte mit denen der Stieleiche vergleicht. Die Früchte der Stieleiche hängen an langen Stielen, meine dagegen wie eine Traube gehäuft am Zweig.

Weil ich kräftige Pfahlwurzeln habe, bin ich auch sturmfest. Mein Holz ist hart und dauerhaft gut zu verarbeiten. Für Möbelfurniere oder Whiskeyfässer zum Beispiel. Aber auch für Pfahlbauten wie die Gebäude der Hamburger Speicherstadt, die auf insgesamt 3,5 Mio. Eichenstämmen ruhen. In jungen Jahren ist meine Rinde glatt und glänzt in grau-grün. Erst wenn ich erwachsen bin, bilde ich diese typische dicke, graubraune Borke mit tiefen Längsrissen.

Nach der Stieleiche bin ich in Mitteleuropa die am weitesten verbreitete Eichenart. Und weil ich gegenüber Trockenheit und Wärme robuster bin, habe ich mit Blick auf den Klimawandel vielleicht sogar die größere Zukunft vor mir. Wer mir allerdings Konkurrenz macht, ist die Rotbuche. Sie braucht weniger Licht als ich und verdrängt mich deshalb gerne. Gott sei Dank gibt es viele Tiere, die meine Früchte als Winterdepots deponieren und sie dann nicht alle wiederfinden. Meine besonderen Freunde sind der Eichelhäher und Kleinsäuger wie Eichhörnchen. Und auch für Sie als Mensch gehe ich mit Tieren eine echte »Win-Win-Situation« ein: Denn aus Eichen wächst der beste Schinken. Will sagen, dass Schweine meine Eicheln gerne fressen und daraus später wunderbar nussige Schinken werden können.

Grundsätzlich bin ich überall da zu Hause, wo atlantisches und subatlantisches Klima vorherrscht – von den Britischen Inseln über Italien und Polen bis hin zum Schwarzen Meer. Besonders wohl fühle ich mich im Hügelland und in niedrigen Berglagen – in Deutschland zum Beispiel im Spessart und im Pfälzerwald. Und natürlich im Lübecker Drägerpark. Kommen Sie doch jetzt einfach mal öfter.

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