Aufwachsen in Lübeck und Lernen vor Ort

Ein kontinuierlicher Prozess der Jugendhilfe– und Bildungsplanung

Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck hatte im Januar 2007 beschlossen, für das Feld Jugendhilfe einen „Prozess zur Diskussion der zukünftigen Ausrichtung der Arbeit“ zu beginnen und für diese Aufgabe „die Träger, die Wohlfahrtsverbände, Vertreter der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien und die Verwaltung“ gemeinsam an einem Konzept arbeiten zu lassen. Dazu sollte die Situation von Kindern und Jugendlichen je nach Lebensalter – und nicht nach besonderen Problemlagen, die spezielle Hilfen nach sich ziehen – betrachtet werden. Das heißt: Bewusst sollen alle Kinder und Jugendlichen in den Blick genommen und nicht nur jene, die Jugendhilfeleistungen erhalten.

Aus diesem Auftrag entwickelte sich ein Prozess unter dem Titel „Aufwachsen in Lübeck“ mit einer Reihe von Veranstaltungen mit Vertretern der Jugendhilfe, der Politik, Fachleuten der ARGE (heute: Jobcenter), der Agentur für Arbeit, der Stadtplanung, des Gesundheitsamtes, der Sozialen Sicherung, der Schule, der Polizei, der Justiz und von Stadtteilnetzen. Abgerundet wurde dieser Prozess durch zwei Beteiligungsverfahren für Kinder und Jugendliche, eines in Kindertageseinrichtungen und eines in einer Jugendeinrichtung. Gemeinsam mit dem für das zeitlich parallel laufende Verfahren zur Entwicklung eines Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK ) verantwortliche Planungsbüro wurde darüber hinaus ein Gespräch mit Jugendlichen durchgeführt, dessen Ergebnisse sowohl in die Handlungsempfehlungen von „Aufwachsen in Lübeck“ als auch des ISEK eingeflossen sind

Diese Handlungsempfehlungen als wesentliche Grundlage für künftige Entscheidungen für Kinder, Jugendliche und deren Familien sind Kern des Berichts„Aufwachsen in Lübeck – Arbeitsergebnisse und Handlungsempfehlungen“ , der in der Bürgerschaft am 26. November 2009 beraten wurde.

Die Maßnahmenplanung hatte ihren Schwerpunkt in der Stärkung von Regeleinrichtungen wie Kitas und Schulen (und damit gleichzeitig der Stadtteile) gelegt und wurde in folgenden Themenfeldern entwickelt: 

  • Frühe Hilfen / Prävention / Stärkung der Familien
  • Schule als Lebens –und Lernort
  • Weiterentwicklung der Jugendarbeit
  • Projekt Lernen vor Ort

Die umfassende Analyse der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen im Prozess war mit ausschlaggebend dafür, dass Lübeck als Standort im Rahmen der Bildungsinitiative „Lernen vor Ort“ als eine von 40 Modellkommunen ausgewählt worden ist. Mit Hilfe des Bundesprogramms wurden die Ziele und Maßnahmen, die im Prozess „Aufwachsen in Lübeck“ erarbeitet wurden, tatkräftig unterstützt. Finanzielle Mittel für Personal und die Öffentlichkeitsarbeit halfen dabei, eine kommunale Bildungsstruktur zu entwickeln, die die Interessen und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt des kommunalen Handelns stellt.

Was wurde umgesetzt, wo steht Lübeck jetzt?

Um Bilanz zu ziehen, wurde innerhalb der AG 78 SGB VIII im September 2017 ein Fachtag durchgeführt. Ausgehend von der Lebensphase des Kindes bzw. Jugendlichen wurden die Angebote geprüft. Positive Entwicklungen gab es dabei in allen Bereichen:

Altersgruppe 0 - 6 Jahre

  • Der frühe, präventive Ansatz ist gut umgesetzt (Willkommensbesuche, Frühe Hilfen, Familienzentren), ein früher Zugang zu Hilfen wird durch niedrigschwellige Angebote ermöglicht.
  • Die Kindertagesbetreuung wurde deutlich ausgebaut.
  • Es existiert eine gute Vernetzung in den Stadtteilen mit allen Beteiligten. Eine Verstetigung der Zusammenarbeit im Übergang zwischen Kitas und Schulen ist erreicht worden.

Altersgruppe 6 - 10 Jahre

  • Die Schulkindbetreuung wurde erheblich ausgebaut, der Ganztag an Schule auf der Grundlage des Modells Schule als Lebens – und Lernort mit fachlichen Standards weiterentwickelt.
  • Für Kinder mit Unterstützungs – und Förderbedarf werden Soziale Gruppen an mehreren Schulen für die Betreuung im Ganztag angeboten.
  • Die flächendeckende Schulsozialarbeit wurde eingeführt.
  • Die Kooperative Erziehungshilfe an der Schnittstelle von Schule, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe ist entstanden, SonderpädagogInnen der Förderzentren und pädagogische Fachkräfte aus der Schulsozialarbeit arbeiten gemeinsam am Übergang Kita / Schule bzw. mit SchülerInnen, Eltern und Lehrkräften.
  • Im Bereich Integration / Schulkindbegleitung ist eine gemeinsame Finanzierung von Jugendhilfe, Sozialhilfe und Landesmitteln für die Schulassistenz gelungen. Durch den Aufbau des IntegrationshelferInnen-Pool („I –Pool“) werden deutlich mehr Schulkinder erreicht und Schulen gestärkt.

 Altersgruppe 10 – 17 Jahre

  • Auch diese Altersgruppe profitiert vom Ausbau der Schulsozialarbeit.
  • Die Jugendarbeit wurde neu aufgestellt und weiterentwickelt.
  • Die Straßensozialarbeit („Streetwork“) wurde ausgeweitet.
  • Schule hat sich für die Lebenswelt der Jugendlichen geöffnet: Die Kooperation zwischen Jugendarbeit und Schule wurde ausgebaut.
  • Schulverweigerung /Absentismus wird stärker wahrgenommen und dokumentiert, was die Suche nach lösungsorientierten Ansätzen ermöglicht (z.B. durch eine spezielle Tagesgruppe für diese Zielgruppe).

 Altersgruppe 18 – 25 Jahre

  • Die Zielgruppe „18+“ steht mehr im Fokus, die Haltung gegenüber dieser Altersgruppe hat sich verändert.
  • An den Berufsschulen wurde die Schulsozialarbeit neu eingerichtet.
  • Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden Beratungs, Bildungs – und Betreuungsangebote ausgebaut, z.B. DaZ – Angebote an Berufsschulen.
  • Die Vernetzung zwischen den Institutionen hat sich verbessert, die Angebote werden besser verzahnt.

Auf dem Fachtag der AG 78 SGB VIII wurde auch aufgezeigt, wo es noch Handlungsbedarf / Lücken im Angebot gibt. Daran werden die freien Träger der Jugendhilfe und die Verwaltung gemeinsam weiter arbeiten. Bilanz und Ausblick sind in der Ergebnisdokumentation des Fachtags festgehalten.

Weil es immer wieder gesellschaftliche Entwicklungen bzw. Veränderungen gibt, auf die die Kinder – und Jugendhilfe, aber auch Schulen mit ihren Angeboten reagieren müssen, muss „Aufwachsen in Lübeck“ als kontinuierlicher Prozess der Jugendhilfe – und Bildungsplanung verstanden werden.

Fortsetzung des Prozesses

Im November 2019 wurde der Prozesses mit einem Fachtag weitergeführt. In Workshops für verschiedene Altersgruppen diskutierten die Beteiligten Fragestellungen wie:
· Wie wachsen Kinder und Jugendliche in Lübeck auf – was brauchen sie in der jeweiligen Lebensphase?
· Was benötigen Eltern für die Vereinbarung von Familie und Beruf?
· Was brauchen die Einrichtungen an Ressourcen, welche Unterstützung benötigen die Mitarbeiter:innen?
· Auf dem Weg zur Inklusion: Benötigen besondere Lebenslagen besondere Angebote?
· Wie kann für diese Altersgruppe eine Beteiligung sichergestellt werden?

Die Ergebnisse sind in der Dokumentation des Fachtages dargestellt.

 

Kontakt:

Thorsten Drescher und Renate Heidig
Jugendhilfeplanung
Schildstraße 12
23539 Lübeck
Email: jugendhilfeplanung@luebeck.de

Nicole Maas und Sonja Rieper
Bildungsmanagement
Schule und Sport
Kronsforder Allee 2-6 / Haus Trave
23539 Lübeck
Email: nicole.maas@luebeck.de oder sonja.rieper@luebeck.de

Weitere Informationen:

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