Habitatbäume

Artenvielfalt fördern

Wir alle spüren täglich, wie gut Bäume für unser Stadtklima, die Luftqualität und unser Wohlbefinden sind. Doch nicht nur gesunde, vitale Bäume, sondern auch absterbende und tote Altbäume haben wichtige Funktionen im urbanen Raum. Denn hier, wo die natürlichen Lebensräume begrenzt und verstreut sind, können sie wertvolle ökologische Zufluchtsorte sein. So bieten diese Bäume Lebensräume für viele Tier-, Pflanzen- und Pilzarten Mit dem Erhalt solcher Bäume trägt der Bereich für Stadtgrün und Verkehr zur Förderung der Artenvielfalt und zur Stabilität der Ökosysteme in der Stadt bei.

Wenn Bäume gefällt werden müssen

„Erst fällt man den Baum und dann lässt man den Stamm stehen und öffentlich verrotten! Das soll mir mal jemand erklären.“ Vielleicht haben Sie das auch schon einmal gedacht, wenn Sie einen Habitatbaum gesehen haben. Doch seien Sie gewiss: Wenn der Bereich Stadtgrün und Verkehr einen Baum im öffentlichen Stadtraum fällt, ist er in aller Regel unheilbar krank und nicht mehr stabil genug. Damit wird er zum Risiko für den Fuß-, Rad- oder Autoverkehr. Fällen wir einen Baum, wird dieser ersetzt – möglichst an gleicher Stelle. Bestimmte Bäume werden in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde jedoch nur so weit gefällt, dass ein Teil ihres Stammes ohne Risiko stehen bleiben kann. Denn im Stamm steckt immer noch viel Leben.

Von Urwäldern lernen

Ein Baum ist auch dann noch wertvoll, wenn er nicht mehr vital oder bereits tot ist. Aus dem Natur- oder Urwald kennt man dieses Phänomen: Dort fällt ein Baum einfach um, bleibt liegen und verrottet. Damit bietet er Kleinlebewesen wie Käfern, Pilzen, Flechten, Moosarten, Ameisen und vielen weiteren Insekten ein Habitat. Seine Höhlen, Risse, Faulstellen oder Pilzkonsolen sind Überlebensnischen für Arten, die zwingend auf solche Lebensräume angewiesen sind. Obwohl dieser Habitatbaum also nicht so schön aussieht wie seine gesunden, belaubten Geschwister, erfüllt er immer noch zentrale ökologische Funktionen. Außerdem tragen Pilze, die das Holz zersetzen, zur Humusbildung bei und bereichern den Boden mit Nährstoffen. Diese wiederum fördern das Wachstum anderer Pflanzen. Um diese ökologischen Funktionen auch im urbanen Raum zu fördern, werden diese Baumteile auf öffentlichen Grünflächen bewusst stehengelassen. Sie sind gegebenenfalls nicht auf den ersten Blick zu erkennen und sie sind auch nicht in jeder Phase des Zerfalls gleich.

Viel Leben im Totholz

Käfer sind entscheidend, damit Totholz sich schneller zersetzen und die darin gespeicherte Energie und die Nährstoffe wieder freisetzen kann. Der Abbau erfolgt in mehreren Stadien, sodass das Totholz währenddessen zum Habitat für ganz unterschiedliche Arten wird: Im ersten Stadium gehen Pionierarten ans Werk. Sie ernähren sich meist von der Rinde oder dem Splintholz. Zu den Pionierarten gehören zum Beispiel Borken-, Bock- und Prachtkäfer sowie Holzwespen. Indem sie die Rinde lösen und Bohrlöcher ins Holz fressen, schaffen sie die Eintrittspforten für Pilze und Mikroben. Diese zersetzen langsam das Holz im zweiten Stadium. In diesem Schritt ändert sich auch die komplette Bewohnerschaft des Habitats. Nun ziehen Holzwürmer, Schwarz- oder Schnellkäfer ein und in den Gängen entwickeln sich Fliegen- und Mückenarten. Im dritten Stadium geht das zersetzte Totholz schließlich langsam in den Boden über. Oberirdisch wird es nun zum Habitat für Ameisen, Fliegenlarven, Käfer, Milben oder Springschwänze. Aus dem Untergrund steigen derweil Bodenlebewesen wie Würmer oder Asseln in das Moderholz auf.

Habitatbäume auf den zweiten Blick

Vielleicht achten Sie auf Ihren nächsten Wegen durch Lübeck einmal bewusst auf Habitatbäume und Totholz. Sie finden sie in Grünanlagen, auf kommunalen Friedhöfen und an Wanderwegen. Einige von ihnen sind sogar als Naturdenkmal klassifiziert. Das heißt, ihr Schutz ist laut Bundes- und Landesnaturschutzgesetz vorgeschrieben.

Im Bereich für Stadtgrün und Verkehr setzen wir im Sinne des Artenschutzes vermehrt darauf, Habitate in Lübecks Grünanlagen zu erhalten oder neue zu erschließen. Den bewussten Umgang mit diesen natürlichen Ressourcen verstehen wir als Schritt zu einer nachhaltigeren und damit noch lebenswerteren Stadt.

 

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