Der 4.600 Hektar große Stadtwald von Lübeck wird seit 1994 nach dem Konzept der „Naturnahen Waldnutzung“ bewirtschaftet, das die Verträge des Umweltgipfels von Rio 1992, die Anforderungen der Umweltverbände und angemessene ökonomische Erwartungen erfüllt. „Lübecks naturnahe Waldnutzung trägt vielfältig und effektiv zum Klimaschutz bei“, so Umweltsenator Ludger Hinsen.
Naturnahe heimische Mischwälder, wie der Lübecker Stadtwald, speichern im Vergleich zu Baumplantagen oder Altersklassenwälder deutlich mehr klimaschädliches Kohlendioxid als gebundenen Kohlenstoff in Stamm, Ästen, Wurzeln und Blättern. Die naturnahe Waldnutzung begünstigt diesen Klimaschutzeffekt, denn in Lübeck dürfen die Bäume zu dicken Riesen heranwachsen. Regelmäßig werden die Waldbäume vermessen und bewertet – die Ergebnisse in einem Flächenkataster festgehalten. So wurde zwischen 2002 und 2012 der sogenannte Vorratsaufbau an Holz um 60 Kubikmeter, in Deutschland im Durchschnitt lediglich um nur 19 Kubikmeter pro Hektar erhöht. Der Effekt: In Lübeck wird pro Hektar nahezu doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert wie im deutschlandweiten Vergleich.
Gleichzeitig ist Holz ein wichtiger Rohstoff, der allerdings effizient und sinnvoll eingesetzt werden sollte. Das Holz von Lübecker Bäumen eignet sich aufgrund des hohen Stamm-Durchmessers insbesondere für wertvolle und hochwertige Produkte wie prachtvolle Holzdielen oder -balken, die beispielsweise als exklusiver Bodenbelag oder bei Sanierungsarbeiten historischer Gebäude im Dachstuhl eingesetzt werden. Aufgrund der außergewöhnlichen Qualität kommen Käufer und Interessenten aus der ganzen Welt nach Lübeck, um sich exklusiv ihren Baum, ihren Stamm auszusuchen. Das Holz erfährt dadurch eine langfristige Nutzung – der Kohlenstoff bleibt über viele weitere Jahre gebunden.
Rund 90 Prozent des Lübecker Holzeinschlags wird für langfristige Produkte (Nutzung über 25 Jahre) genutzt. Lediglich 10 Prozent werden für kurzfristige Produkte verwendet, wobei in Lübeck kein Holz für Zellstoffe (Papier etc.) angekauft wird. Im Vergleich: In Deutschland werden im Durchschnitt rund 57 Prozent des Holzeinschlages aus dem Wald für langfristigen Gebrauch von über 25 Jahren genutzt. Die restlichen 43 Prozent werden für kurzfristige Produkte verwendet, so dass der darin gebundene Kohlenstoff schnell wieder in die Atmosphäre freigesetzt wird.
Und noch etwas haben Untersuchungen im Lübecker Stadtwald gezeigt: Der naturnahe heimische Mischwald ist im Vergleich widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels, wenn er
- dicht, also vorratsreich ist
- aus heimischen, naturnahen Baumarten besteht
- eine natürliche Mischung von jungen und alten Bäumen hat
- über einen hohen Totholzanteil verfügt
- zur Anpassung auf eine hohe genetische Vielfalt der Bäume zurückgreifen kann
Alles Aspekte, die durch die naturnahe Waldnutzung erhalten bleiben. Gleichzeitig weisen naturnahe heimische Mischwälder erhebliche Vorteile gegenüber anderen Wäldern auf. So gleichen sie besonders gut tägliche und jährliche Temperaturschwankungen aus. Gleichzeitig führen die Temperaturunterschiede zwischen Wald und Stadt zu einem Kühlungseffekt und einem ständigen Luftaustausch. Dadurch gelangt bessere Luft in nahe gelegene Siedlungen.
Parallel werden besonders viele Stäube, Gase und radioaktive Stoffe aus der Luft gefiltert. Denn die Filterwirkung ist durch den dichten Baumbestand, die erhöhte Blattoberfläche und das struktur- und artenreiche Unterholz besonders groß. Und mit seinen vielfältigen Baumarten und einem gesunden, lockeren Bodenleben speichert der naturnahe Mischwald besonders viel (Regen-)Wasser, wenn dieses nicht aus dem Wald durch Gräben abgeführt wird. Daher sind sie auch Trinkwasserwälder: Als lebendiger, vielfältiger und blattreicher Wald reinigt und speichert Naturwald deutlich mehr Wasser als z.B. Fichten- oder Kiefer-Monokulturen.
Ein naturnaher Wald mit starken Laubbäumen ist der beste Schutz vor Waldbrand. Eine dicke Rinde schützt vor starken Brandschäden. Im Boden und in den Pflanzen befinden sich mehr Wasser als in Monokultur-Anpflanzungen. Dennoch, sollte trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einem Waldbrand kommen, ist die Lübecker Feuerwehr vorbereitet: Im Leitstellensystem der Berufsfeuerwehr ist ein Alarmstichwort „Feuer Wald“ hinterlegt. Dieses kann, je nach Größe der betroffenen Fläche, in verschiedenen Stufen ausgelöst werden. Für jedes der Stichworte sind verschiedene Einsatzmittel hinterlegt. Bei einem Waldbrand mit einer geschätzten Größe von über 1000 Quadratmetern wird zum Beispiel automatisch eine Sonderkomponente zur Wasserförderung über lange Wegstrecken mitalarmiert, um Löschwasser in das betroffene Gebiet zu bringen. Die Feuerwehr Lübeck verfügt darüber hinaus über zahlreiche geländegängige Löschfahrzeuge, die für unwegsames Gelände geeignet sind.