Gemeinsam mit den Lübecker Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen von pro familia, der Humanistischen Union und der Gemeindediakonie Lübeck setzt sich das Lübecker Frauenbüro für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches ein.
Vor 150 Jahren, am 15. Mai 1871, wurde das Gesetz zur strafrechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Reichsstrafgesetzbuch fest geschrieben. Damit ist seit 150 Jahren der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch geregelt. Wer den Eingriff auf eigenen Wunsch durchführen lassen will, dem droht bis heute eine Gefängnis- oder Geldstrafe, so steht es im Gesetz. Dass in der Praxis Schwangerschaftsabbrüche nach der sogenannten Beratungsregelung straffrei bleiben, ändert nichts daran, dass ihnen der Ruf der Illegalität anhaftet. Zudem sorgt die Verankerung im Strafgesetzbuch dafür, dass das Thema von vornherein negativ besetzt, stigmatisierend und moralisch aufgeladen ist.
Diese, eigentlich gesetzlich garantierte, freie Entscheidung der Frauen innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen wird in der Gesellschaft noch immer nicht vollständig anerkannt.
Das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung wird immer wieder in Frage gestellt.
„Wir sehen bestimmte Entwicklungen mit Sorge“, so Sophia Leopold vom Beratungszentrum Hüxterdamm. „Auch Ärztinnen und Ärzte geraten vermehrt unter Druck. Immer weniger Gynäkologinnen und Gynäkologen übernehmen die Aufgabe eines Schwangerschaftsabbruchs.“ Ein Grund dafür sei, dass sie Ablehnung und Stigmatisierung fürchten – und Angriffe von Menschen, die Schwangerschaftsabbrüche komplett verbieten möchten. Ärztinnen und Ärzte dürfen auf ihren Webseiten nicht über die Art und Weise, wie sie die Eingriffe durchführen, informieren. Tun sie es doch, droht ihnen eine Verurteilung wegen § 219a StGB.
„Es wird höchste Zeit, über eine alternative Regelung nachzudenken, die ungewollt Schwangere nicht kriminalisiert und die Frauenrechte in den Blick nimmt“, fordert auch Elke Sasse, Gleichstellungsbeauftragte der Hansestadt Lübeck.
Es gebe einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass die Entscheidung für oder gegen das Austragen einer Schwangerschaft nur die Frau selbst treffen könne. Sie habe das Recht auf umfassende medizinische Versorgung, Beratung und Information. Um die Entscheidung selbstbestimmt treffen zu können, sollte sie sich bei der Entscheidungsfindung in einem wertfreien Rahmen bewegen können und jede Unterstützung bekommen. Durch die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch wird dem jedoch entgegen gewirkt.
Frauen, die in die vorgeschriebene Beratung kommen, sind verunsichert, denn sie bekommen durch den verpflichtenden Charakter den Eindruck, nicht frei entscheiden zu dürfen und sogar etwas Illegales, Tabuisiertes zu tun. Die Botschaft, die bei ihnen ankommt, lautet: Wir trauen dir die Entscheidung alleine nicht zu! Das empfinden viele Frauen als entmündigend.
„Wir wünschen uns eine konstruktive Auseinandersetzung über die Notwendigkeit einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“, sagt Anne Potthoff von pro familia Lübeck.
„Die strafgesetzliche Regelung ist nicht mehr zeitgemäß und wird den aktuellen Bedürfnissen und Erfordernissen in der Gesellschaft nicht gerecht“, sind sich alle einig.
Es gehe darum, dass die Gesellschaft das Recht auf eine selbstbestimmte Entscheidung zur Fortführung oder zum Abbruch einer Schwangerschaft anerkennt, ohne das Strafrecht zu bemühen.
„Frauen müssen die freie Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch haben. Die Schwangerschaftskonfliktberatung kann sie bei Bedarf dabei unterstützen, darf aber nicht gesetzlich vorgeschrieben sein“ kritisiert Helga Lenz von der Humanistischen Union.
Zudem seien Politik und Wirtschaft gefordert, das Leben von Familien weiter zu verbessern. Nach wie vor benennen Frauen bei der Entscheidung für einen Abbruch vielfach berufliche Gründe. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist also weiterhin eine Herausforderung, die Pandemie habe dies noch einmal sehr deutlich gemacht. Es bleibe eine Herausforderung, Kinder zu bekommen und berufstätig zu sein. Zudem befürchteten viele Frauen, alleinerziehende Mutter zu werden und somit in Überlastung und Armut zu rutschen.
Der 15.05.2021 ist in diesem Jahr ein bundesweiter Aktionstag gegen den §218.
Einen Überblick über Online-Veranstaltungen und Termine aus diesem Anlass finden sich unter www.wegmit218.de/termine/ +++
Quelle: Frauenbüro