Senator Meyenborg: “Hervorragende Ausbildungsbedingungen”
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
neben der 1998 abgeschlossenen Umwandlung eines ehemaligen Kasernengebäudes in ein Zentrum für Bürgerinnen und Bürger, dem Bürgerhaus (Vorwerk-Falkenfeld), sowie in ein Ausbildungszentrum des Berufsvorbereitungs- und Ausbildungszentrums, Lübeck-Innenstadt kurz “JAW/BALI” für 24 Auszubildende ist es nunmehr ein weiteres Mal gelungen, mit Hilfe des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie mit Hilfe der Possehl-Stiftung, Ausbildungsplätze für weitere bis zu 30 lernbehinderte und benachteiligte Jugendliche in Lübeck zu schaffen.
Konzeptionelles Ziel dieser Ausbildungsküche und Kantine, die wir heute feierlich einweihen, ist es, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich den beruflichen Herausforderungen nicht ohne Unterstützung gewachsen fühlen, im Auftrag des Arbeitsamtes, Abteilung Berufsberatung und in Zusammenarbeit mit Betrieben berufliche Bildungsabschlüsse zu vermitteln, die deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft deutlich verbessern. Selbstverständlich soll diesen jungen Erwachsenen gleichzeitig auch die Aussicht auf eine beruflich und materiell gesichertere Zukunft vermittelt werden.
Gewählt wurde dieser Ort in diesem Verwaltungszentrum der Hansestadt Lübeck auch, um die Isolation zu durchbrechen, in der benachteiligte Jugendliche in der Regel gefördert und ausgebildet werden.
Wir sind davon überzeugt, daß die Jugendlichen mit ihren Ausbilderinnen und Ausbildern die Beschäftigten dieses Hauses als ihre Kunden durch ihre Leistungsbereitschaft und ihr Leistungsvermögen überzeugen werden. Wir bitten jedoch auch - insbesondere in der Anfangsphase- die jungen Köchinnen und Köche durch Anregungen zu unterstützen.
Mit diesem Schritt treten wir, wenn auch begrenzt, mit unserer Arbeit in die Öffentlichkeit und erhoffen uns, daß die Beschäftigten dieses Verwaltungszentrums aufgrund ihrer Erfahrungen mit unseren Jugendlichen für diese in ihren Arbeitsbereichen oder ihrem Privatleben Partei ergreifen werden. Sie werden zumindest mit den Problemen von jungen Menschen im Übergang von Schule in den Beruf konfrontiert.
Die Überlegung, Ausbildungseinheiten mit realitätsnahem Arbeitsweltbezug und Förderung von Lernmotivation durch produktives Arbeiten anzubieten, trägt die Handschrift unserer Leiterin des Bereiches Jugendarbeit Frau Redecker, der diese Einrichtung zugeordnet ist.
In weiteren Außenstellen wie dem Café Bali, der Bäckerei und Ausbildungsküche im Bürgerhaus, der Malerei und der Gärtnerei haben wir bereits Erfahrungen mit der engen Verzahnung von Theorie und Praxis durch produktives Arbeiten sammeln können. Die Lernbereitschaft ist durchweg positiv, da die Arbeit einem betrieblichen Ernstcharakter gleichkommt.
Nicht zuletzt ist die Wahl dieses Standortes auch ein Ergebnis des Prozesses der systematischen Qualitätsentwicklung, den das JAW/BALI als ein Jugendaufbauwerk im Verbund des JAW-Schleswig-Holstein bis heute durchlaufen hat und auch weiterhin daran arbeitet.
Wir, die Hansestadt Lübeck als Träger und das JAW/BALI haben sich in diesem Qualitätsmanagementprozeß dazu verpflichtet, uns darum zu bemühen, sämtliche Prozeßabläufe und somit auch die Ausbildungsverfahren kontinuierlich zu verbessern.
Mit dieser Ausbildungsküche haben wir einen weiteren Schritt in diese Richtung getan.
Wir treffen uns heute hier, um diese gut gelungene Einrichtung zu eröffnen und einzuweihen. Ich danke Ihnen für Ihre Teilnahme und freue mich, das Sie so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind.
Ausdrücklich möchte ich mich für die erhebliche Bezuschussung durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig - Holstein, sowie für die ebenfalls erhebliche finanzielle Unterstützung der Possehl-Stiftung bedanken. Ohne diese beiden finanziellen Engagements sowie die beratende Unterstützung durch die Berufsberatung des Arbeitsamtes Lübeck und durch den Vorsitzenden des Hotel- und Gaststättenverbandes Lübeck wäre die Realisierung dieses Projektes nicht möglich gewesen.
Nicht vergessen möchte ich, die kooperative Zusammenarbeit zwischen den beiden Fachbereichen Soziales und Kultur der Hansestadt Lübeck beim Aufbau dieser Einrichtung hervorzuheben.
Hierbei gilt mein besonderer Dank Frau Senatorin Pohl-Laukamp und ihren Mitarbeitern sowie Frau Redecker und Herrn Stachowske, dem Leiter des BALI/JAW.
Die langfristige Umsetzung des Konzeptes einer Ausbildungsküche in diesem Verwaltungszentrum wurde auch deswegen möglich, weil der Fachbereich Soziales, wie es bei Projekten dieser Größenordnung gegenüber den beteiligten Zuwendungsgebern üblich ist, die Räumlichkeiten der Ausbildungsküche für 20 Jahre zur Verfügung gestellt und den Ausbau mit flankiert hat.
Doch auch die Jugendlichen des JAW/BALI haben mit ihren Ausbildern durch ihr Engagement und ihren Einsatz ganz erheblich zur Realisierung dieses Gesamtkonzeptes beigetragen. Einen Großteil der zusätzlichen und erst im Verlauf der Umbaumaßnahmen erkennbaren Mehrkosten konnte nur durch die deutliche Ausweitung von Eigenleistungen des JAW/BALI kompensiert werden. Den Genannten gilt mein besonderer Dank. Aber - so wurde mir rückgemeldet - die beteiligten Jugendlichen hatten auch viel Spaß an den Abbrucharbeiten, bei denen sie sich richtig abarbeiten oder austoben konnten.
Aus meiner Sicht erfreulich ist, daß durch dieses Projekt erneut deutlich gemacht werden konnte, daß durch Kooperationen und durch unbürokratische Zusammenarbeit verschiedener Partner, aber auch durch Phantasie und Kreativität, eine Einrichtung dieser Größenordnung auch heute noch zu realisieren ist.
Vielleicht ist es bereits bei der Realisierung dieser Umbaumaßnahme gelungen, die Kooperationsbereitschaft, so wie wir sie von unseren Auszubildenden in einem zunehmend höherem Maße abverlangen, in der eigentlichen Bedeutung seines Wortes vorzuleben.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang insbesondere die Leistungen der Bereichsleitung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bereiches Hochbau der Hansestadt Lübeck hervorheben. Sie übernahmen neben all ihren vielfältigen Aufgaben und terminlichen Verpflichtungen plötzlich auch noch die Planung und Bauleitung der Umbaumaßnahmen dieser Einrichtung. Das Sie, um die Realisierung des Gesamtprojektes als Letztes nicht noch zu gefährden, auf die nicht unerheblichen Bauleitkosten verzichteten und auch die unvorhergesehenen Hürden, die bei Altbauten zu Tage treten, sehr gut mit uns gemeistert haben, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Auch Ihnen gilt mein herzlicher und nachdrücklicher Dank.
Alle Beteiligten haben zur Verbesserung der Ausbildungssituation benachteiligter Jugendlicher beigetragen und darauf kommt es uns an.
Denn, Jugendliche, die heute, an der Schwelle zur Informations- und Wissensgesellschaft keinen qualifizierten Ausbildungsplatz erhalten, werden vor dem Hintergrund dieser Prognosen in ihrer weiteren beruflichen und sozialen Entwicklung ungeheuer schweren Belastungen ausgesetzt werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß junge, beruflich nicht qualifizierte Erwachsene zukünftig an gerade diesen sie belastenden Bedingungen persönlich und eben auch sozial scheitern werden, ist enorm gestiegen.
Die Untersuchungen der Shell-Studie 2000 belegen sehr klar, daß Jugendliche mit durch- und überdurchschnittlichen Bildungsabschlüssen, die sich auf die zukünftigen Anforderungsprofile der Arbeitswelt vorbereitet fühlen, sich diesen Anforderungen zuversichtlich und selbstbewußt, wenn auch nicht mehr ganz so sorgenfrei wie früher, stellen können.
Jugendliche dagegen, denen die Chance verwehrt wurde oder die diese nicht ergriffen, sich durch den Erwerb schulischer Qualifikationen auf zukünftige berufliche Anforderungsprofile vorzubereiten, besitzen deutlich pessimistischere Lebenseinstellungen. Sie neigen zu Selbstzweifeln, sind weniger sozial aktiv, verlieren allmählich vorhandenes Selbstvertrauen und machen unbeteiligte Dritte immer aggressiver für ihre persönliche Situation und gesellschaftliche Rolle verantwortlich.
Wir betrachten es daher als unsere ausdrückliche Aufgabe, gerade auch diesen Jugendlichen und benachteiligten jungen Erwachsenen Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten. Wir leisten mit unseren Angeboten Hilfe zur Selbsthilfe und tragen dazu bei, vorhandene oder aufkeimende Selbstzweifel zu zerstreuen. Wir wollen diesen jungen Menschen u.a. auch in dieser Ausbildungsküche die Möglichkeit bieten, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, ihr Fachwissen, ihr Engagement und ihre gesellschaftliche und soziale Kompetenz unter Beweis zu stellen und gleichzeitig der eigenen Zukunft zuversichtlicher und verantwortungsbewußter entgegenzublicken.
Um möglichst viele Jugendliche zu fördern, wurden durch die Hansestadt Lübeck, im Fachbereich Kultur, Bereich Jugendarbeit/ Jugendamt insbesondere im Verlauf der letzten 3 Jahre und unterstützt durch das hiesige Arbeitsamt, das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie die Possehl-Stiftung Rahmenbedingungen für 154 zusätzliche überbetriebliche Ausbildungsplätze für benachteiligte und lernbeeinträchtigte Jugendliche geschaffen.
Trotz der schwierigen Haushaltslage haben alle Beteiligten nichts unversucht gelassen, die Ausbildungsplatzbedingungen für Jugendliche mit Lernschwierigkeiten zu verbessern.
Wir sichern Unternehmen der Hansestadt durch unsere gemeinsamen Bemühungen nicht nur gut ausgebildete junge Fachkräfte zu, sondern wir sind gleichzeitig auch darum bemüht, die Entwicklung von sozialer Not, Perspektivlosigkeit und Aggressionen in unserer Stadt aktiv zu begegnen bzw. vorzubeugen.
Diese Ausbildungsküche bietet den Auszubildenden im Bereich Küche und Hauswirtschaft auch im europäischen Vergleich hervorragende Ausbildungsbedingungen an. Gleichzeitig auch die Chance, bestehende internationale Kontakte des JAW/BALI nach Frankreich und Tschechien zu intensivieren.
Geplant ist im Jahr 2001 in Kooperation mit dem Projekt “Freiwilliges soziales Trainingsjahr” des Internationalen Bundes, im Stadtteil St. Lorenz, internationale Auslandskontakte des Trägers mit den skandinavischen Ländern sowie Estland und Ukraine, insbesondere zu den dänischen Produktionsschulen aufzubauen und gemeinsame Arbeitsaustauschprogramme im Rahmen von multinationaler Zusammenarbeit zu nutzen.
Beabsichtigt ist, den Austausch Jugendlicher auf europäischer Ebene im JAW/BALI weiter auszubauen. Über die Internationale Küche und Eßkultur, über Speisen bzw. deren Zubereitung wird es den betroffenen Jugendlichen und Ausbildern sicherlich leicht fallen, bestehende Kommunikationsschwierigkeiten abzubauen, sich konkret kennenzulernen und die politisch beschlossene europäische Vereinigung zu erleben und erfahrbar zu machen.
Wir betrachten es auch als unsere Verpflichtung, Jugendlichen, die das Europa der Zukunft gestalten sollen, eine konkrete Arbeitserfahrung zu bieten, sich in Toleranz zu üben und voneinander zu lernen. Am Rande sei erwähnt, daß sich eine Gruppe Jugendlicher aus dem JAW/BALI auf Einladung ihrer tschechischen Partnereinrichtung gemeinsam mit dieser ab übermorgen zu einem Arbeitstreffen in Italien aufhält. Dieses Projekt wird vom Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie des Landes Schleswig-Holstein gefördert.
Lassen sie mich nun der Lübecker Wirtschaft zuwenden und an dieser Stelle ausdrücklich meinen Dank an die circa 300 mittelständischen Unternehmen, mit denen das JAW/BALI mehr oder weniger intensiv zusammenarbeitet, an die Innungen und an die Kammern richten sowie an das Bildungsministerium des Landes Schleswig-Holstein und die regionalen Berufsschulen mit ihren engagierten Teams.
Ohne deren Unterstützung und Engagement ist die Ausbildung so vieler Jugendlicher in unserem Jugendaufbauwerk BALI gar nicht erst möglich. Im Rahmen dieser Kooperation gilt es die Lernorte Betrieb und Berufsschule mit unseren zielgruppngerecht zu verknüpfen.
Ebenso ausdrücklich möchte ich auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Bugenhagen Berufsbildungswerk verweisen. Seit nunmehr fast 7 Jahren besteht die erste Kooperationsvereinbarung zwischen der Hansestadt Lübeck und dem Diakonie-Hilfswerk Schleswig-Holstein. Ohne Übertreibung läßt sich heute festhalten, daß diese Zusammenarbeit zum Wohle unserer Jugendlichen und beider Einrichtungen nicht nur außerordentlich vielfältig und differenziert ist, sie besitzt mittlerweile auch Modellcharakter.
Über die Teilnahme an dem bundesweiten Modellversuch “Innovative Konzepte in der Ausbildungsvorbereitung” (INKA II), der z.Zt. im JAW/BALI durchgeführt wird, werden Elemente u.a. dieser Kooperation evaluiert, inhaltlich weiterentwickelt und die Modellergebnisse anderen Trägern zugänglich gemacht.
Ihnen, Herr Egert, und Ihnen, Herr Daude, möchte ich für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit danken. Ich bin mir sicher, daß es uns gelingt, diese erfolgte Kooperation, die Impulse für beide Einrichtungen mit sich brachten, auch künftig weiter zu vertiefen und neue Elemente einzufügen.
Letztlich möchte ich eine Bitte an die Unternehmen in unserer Stadt richten. Geben Sie den jungen Erwachsenen und hierbei insbesondere auch den jungen Frauen und unseren ausländischen Jugendlichen nicht nur weiterhin eine Vielzahl qualifizierter Praktikumsplätze, sondern nach Abschluss ihrer Ausbildung im JAW/BALI auch adäquate Arbeits- oder ergänzende Fortbildungsmöglichkeiten. Sie werden ihre Wettbewerbssituation nicht verschlechtern und es auch nicht bereuen.
Erste Ansätze dieser Art werden wir selber hier in dieser Ausbildungsküche umsetzen, indem wir Qualifizierungsmöglichkeiten für Gastrohelfer für Lübecker Gastronomiebetriebe bei Bedarf in Abstimmung mit dem Hotel- und Gaststättenverband Lübeck in dieser Ausbildungsküche anbieten.
Ich wünsche den Jugendlichen viel Erfolg und bedanke mich jetzt schon für die “Kostprobe”, die wir alle nachher genießen dürfen.