Lübeck legt ersten Kindergesundheitsbericht des Landes vor
Lübecks Wirtschafts- und Sozialsenator, Wolfgang Halbedel, hat heute den 1. Lübecker Kindergesundheitsbericht vorgestellt. Der erste kommunale Kindergesundheitsbericht Schleswig-Holsteins wurde vom Lübecker Gesundheitsamt erarbeitet. Im Bericht, der an die Tradition des Lübecker Basisgesundheitsberichtes von 1998 anknüpft, wird die Bevölkerung umfangreich und aktuell auf 108 Seiten über die bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse, bezogen auf Kinder in Lübeck, informiert und werden die wichtigsten, derzeit verfügbaren Gesundheits- und Sozialdaten der Lübecker Kinder dargestellt und erörtert.
Neben dem Gesundheitsamt waren an der Erarbeitung des Berichtes insbesondere das Institut für Medizinische Biometrie und Statistik der Medizinischen Universität zu Lübeck sowie der Bereich Statistik und Wahlen der Hansestadt Lübeck beteiligt.
Christa Nötzel, zuständige Sozialwissenschaftlerin des Gesundheitsamtes, weist darauf hin, daß die Hauptschwierigkeit in der Erstellung des Berichtes darin lag, daß die in Deutschland geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen oft eine dezentrale, stadtteilbezogene Erfassung und Auswertung epidemiologischer Daten sehr erschwerten, so daß umfangreiche neue Datenstrukturen eingerichtet werden mußten.
Ziel des Kindergesundheitsberichtes ist laut Dr. Michael Hamschmidt, Leiter des Gesundheitsamtes, Erkenntnisse über Aspekte der gesundheitlichen Lage der Lübecker Kinder zu sammeln, um konkrete Empfehlungen für neue Zielsetzungen, Verbesserungen und Interventionen im Gesundheitswesen für Lübeck zu formulieren. Daneben soll der Kindergesundheitsbericht spezielle Gesundheitsprobleme der Lübecker Kinder benennen und für das kommunalpolitische Handeln entsprechende Informations- und Entscheidungshilfen bereitstellen.
Der Bericht beginnt mit einer stadtteilbezogenen Beschreibung allgemeiner Lebens- und Sozialbedingungen der Lübecker Kinder, wobei im weiteren Verlauf des Berichtes auf diese erhobenen Sozialdaten bei der Analyse der Verbreitung gesundheitlicher Störungen und Erkrankungen der Lübecker Kinder immer wieder Bezug genommen wird.
Ausgewertet werden dabei Krankenhausbehandlungsdiagnosen, Todesursachen, schulärztliche und schulzahnärztliche Untersuchungsbefunde, das Angebot an gesundheitlichen Versorgungsangeboten sowie deren Inanspruchnahme. Dabei erfolgt der Datenvergleich nicht nur stadtbezogen, sondern immer wieder auch mit größeren Bevölkerungseinheiten (Schleswig-Holstein). Neben der reinen Darstellung der Ergebnisse werden diese auch diskutiert und Handlungsempfehlungen gegeben.
Senator Halbedel weist darauf hin, daß die Hansestadt Lübeck sich im Rahmen ihrer Mitgliedschaft im Gesunde Städte-Netzwerk dazu verpflichtet hat, über die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu wachen und innerhalb ihrer Handlungsspielräume alles zu unternehmen, was dem Erhalt und der Verbesserung des Gesundheitszustandes der Lübecker Bevölkerung zugute kommt. Der vorliegende Kindergesundheitsbericht stelle dafür die erforderlichen Informationen bereit. Er führt des weiteren aus, daß es zwar im Vergleich mit Schleswig-Holstein oder mit der Bundesrepublik keine wesentlichen Abweichungen gebe - abgesehen von der Zahl der übergewichtigen Kinder, deren Anzahl bei Schuleingangsuntersuchungen mit 6,9 Prozent erheblich über dem Landesdurchschnitt von 3,9 Prozent liegt - daß aber durch den Bericht verdeutlicht werde, daß auch bei der Gesundheit der Kinder ein Sozialgefälle bestehe.
Aus diesem Grund will Halbedel sich besonders dafür einsetzen, daß gesundheitliche primärpräventive Maßnahmen gerade bei Kindern im Kindergartenalter, besonders auch in Form von Reihenuntersuchungen, weiter intensiviert werden, weil - so Halbedel - gesunde und leistungsfähige Kinder den gesellschaftlichen Wohlstand von morgen ermöglichen. Weitere Berichte (zum Beispiel Seniorengesundheitsbericht) und Fortschreibungen der bestehenden Gesundheitsberichte sind geplant.
Wesentliche Daten des Kindergesundheitsberichts im Überblick:
- Von den rund 215 000 Einwohnerinnen und Einwohnern Lübecks sind rund 13,8 Prozent Kinder im Alter bis zu 15 Jahren.
- Mit einem Anteil von 18,1 Prozent im Durchschnitt stellen Kinder unter 15 Jahren die größte Gruppe unter den Sozialhilfeempfängern (deutlich höhere Zahlen in Moisling, Buntekuh, St. Lorenz Süd, Holstentor Nord und Innenstadt; in Buntekuh 40,9 Prozent).
- ca. 33 Prozent der Kinder ausländischer Herkunft in Lübeck sind sozialhilfebedürftig. Vergleich: Sozialhilfeempfängerdichte insgesamt in Lübeck: 7,4 Prozent
- Anteil der nicht ehelichen Geburten hat sich in Lübeck in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt (jetzt Anteil von 25,9 Prozent).
- Bei einer Analyse der stationären Behandlungen zeigt sich, daß sowohl Atmungsorganerkrankungen als auch Erkrankungen aus dem psychiatrischen Bereich, der Sprachfähigkeit und der Gesundheitsstörungen um die Geburt herum sowie der Zahngesundheit in statusniedrigeren Stadtbezirken häufiger zu verzeichnen sind.
- Unfälle stellen bei Kindern das größte Gesundheitsrisiko dar (zum Beispiel 1995 bei 22,5 Prozent der stationär versorgten Kinder), 50 Prozent der 1- bis15jährigen Kinder, die zwischen 1994 und 1996 in Lübeck verstorben sind, waren Opfer von Unfällen.
- An Vorsorgeuntersuchungen wird bei der U 1 und U 2 noch ein Teilnahmegrad von 98,8 Prozent erreicht, bei der U 9 besteht ein Teilnahmegrad von nur 62,5 Prozent, die Auswertung der Untersuchungshefte bei den Lübecker SchulanfängerInnen zeigt, daß 37,5 Prozent der Kinder nicht alle Untersuchungen wahrgenommen hatten. Erklärung: Die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder umfassen neun Einzeluntersuchungen, die sich auf den Zeitraum von der Geburt (U1) bis zum 64. Lebensmonat (U9) erstrecken.
- ca. 25 Prozent der Kinder sind bei den Schuleingangsuntersuchungen nicht bzw. nur unvollständig durchgeimpft, obwohl dieser Durchimpfungsgrad in den letzten Jahren langsam ansteigt. Gegen Keuchhusten (Impfquote 54 Prozent) und vor allem Hepatitis B (Impfquote 11,4 Prozent) sind Lübecker Kinder nicht ausreichend geschützt.
- Zahngesundheit: In den letzten Jahren gibt es zwar eine stetige Verbesserung, es ergibt sich aber eine erhebliche Bandbreite bei den behandlungsbedürftigen Befunden (Aufforderungsquoten im Gymnasium 3,1 Prozent, in den Hauptschulen 19,4 Prozent, in den Förderschulen 33,6 Prozent).
- Die kinderärztliche Versorgung wird durch 19 niedergelassene KinderärztInnen in Lübeck sichergestellt, wobei zwar nach den Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein ein rein theoretischer Versorgungsgrad von 114,2 Prozent besteht, berücksichtigt werden muß aber, daß die Kinderärzte auch von Personen aufgesucht werden, die außerhalb Lübecks wohnen, außerdem sind praktisch alle Praxen auf den Stadtkern von Lübeck konzentriert. So praktiziert im kinderreichsten Stadtbezirk Lübecks (Buntekuh mit 2100 Kindern) kein einziger niedergelassener Kinderarzt.
- Bei den Schuleingangsuntersuchungen liegt der Anteil der übergewichtigen Kinder in Lübeck mit 6,9 Prozent erheblich über dem Landesdurchschnitt (3,9 Prozent), der Anteil erhöhte sich von 1995 (6,1 Prozent) sogar noch weiter auf 9,2 Prozent im Jahre 1996; bei den übergewichtigen ausländischen Schulanfängern betrug der Anteil zehn Prozent. +++