Veröffentlicht am 24.03.2017

Ausstellungseröffnung: Lebenslange Leidenschaften

Private Sammlungen im Besitz des St. Annen-Museums

Sammeln ist das große Thema der Lübecker Museen in diesem Jahr. In der Kunsthalle St. Annen startete im Februar die Ausstellung Lübeck sammelt I. Von Max Beckmann bis Miroslav Tichý. Zu sehen sind die geheimen Bilder einer Stadt: Kostbare Werke von Lübecker Privatsammlern werden ergänzt durch Werke aus dem Depot des Museums, die selten oder noch nie zu sehen waren.

Nun rückt das St. Annen-Museum in den Fokus: Vier Menschen und ihre Lust am Sammeln ziehen die Besucher ab 26. März in ihren Bann. Die Sonderausstellung Lebenslange Leidenschaften zeigt kuriose Alltagsgeräte aus Knochen aus dem 18. und 19. Jahrhundert (Sammlung Klaus G. Glüsing), edle Gold- und Silberschmiedekunst (Sammlung Erich Trautsch), wertvolles Meissener Porzellan (Sammlung C. J. Heinrich) und Elektrogeräte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Sammlung Angelika Jensen). Einige spektakuläre Neuerwerbungen und Kunstgegenstände aus dem Altbestand der 300jährigen Museumssammlung ergänzen die Schau, die am heutigen Vormittag im Rahmen eines Pressetermins der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

„Das Sammeln gehört zu den liebsten Beschäftigungen des Menschen seit jeher“, erklärte die Leiterin des St. Annen-Museums, Dr. Dagmar Täube. „Wir haben jetzt das ganze Museumsquartier diesem Thema gewidmet. Einmal mehr kann der Besucher in unseren Sammlungen die Kontinuität und Faszination spüren, die schöne, skurrile, seltene und kostbare Dinge auf den Menschen ausüben. Dabei spielen nicht zuletzt auch sehr persönliche Erinnerungen der Besucher eine Rolle, die neben den kulturgeschichtlichen Dimensionen, den besonderen Reiz der Exponate ausmachen.“

Dr. Bettina Zöller-Stock, Kuratorin der Ausstellung, fügte hinzu: „So unterschiedlich die Sammelgebiete auch scheinen, so zeugen sie doch alle vom Gestaltungswillen in der Bewältigung des Alltags, der sich ständig wandelte: Das Porzellan ermöglichte die Verbreitung der exotischen Heißgetränke Kaffee und Tee, Andenkentassen sind eine Erscheinung des aufkommenden Massentourismus, und die Elektrifizierung des Haushalts war eine nicht zu unterschätzende Revolution.“

Einzigartig und überregionaler Anlaufpunkt für die kulturhistorische Forschung ist die Knochensammlung des Kieler Juristen Klaus G. Glüsing. Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als seien die kunstvollen und fragilen Gegenstände aus kostbarem Elfenbein

gefertigt. Doch der Eindruck täuscht. Eine genaue Betrachtung der Oberfläche zeigt die Porenstruktur von Knochen, zumeist Rinderknochen: Knochen, das Elfenbein des kleinen Mannes. Klaus G. Glüsing hat innerhalb von 30 Jahren die wohl deutschlandweit größte Privatsammlung von Geräten aus Knochen des 18. und 19. Jahrhunderts zusammengetragen. Zu sehen sind Eß- und Kochgeräte, Mode- und Schmuckartikel, Handarbeitsutensilien, Hygienebedarf, Spiele, Souvenirs und Nippes.

Edle Meisterwerke der Lübecker Gold- und Silberschmiedekunst hat der Lübecker Erich Trautsch zusammengetragen. Die Lübecker Goldschmiede waren einst berühmt für die hohe Qualität ihrer Arbeiten. Doch nur ein Bruchteil der Silbergeräte aus den vorigen Jahrhunderten hat sich erhalten. Denn gerade wegen ihres Edelmetallwertes boten sich Goldschmiedearbeiten in Notzeiten zum Eintauschen und Einschmelzen an. Das St. Annen- Museum bewahrt den Großteil der heute noch bekannten Silberobjekte mit der Lübecker Stadtmarke, dem Doppeladler. Auslöser der Sammelleidenschaft war bei Erich Trautsch eine Hansekanne von etwa 1580, die in den 1960er Jahren zum Kauf stand und 900 DM kostete.

Das Museum konnte sich den Erwerb nicht leisten. Aus langjähriger Verbundenheit mit dem Museumsrat erwarb Trautsch das Stück, um es für Lübeck zu sichern. Und sammelte anschließend weiter.

Wertvoll und rar ist das Porzellan aus der Manufaktur Meissen, das zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Nachahmung des chinesischen Porzellans entstand. Das reizte auch Sammelleidenschaft des Kunstfreundes C. J. Heinrich. Schon 1994 und zuletzt 2016 schenkte er dem Museum einige Ensembles. Sie zeigen den engen Zusammenhang zwischen asiatischem Porzellan und den frühen Errungenschaften der Manufaktur Meissen im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts: Phantasievolle chinesische Alltagsszenen und traditionelle japanische Dekore schmücken diese Service.

Einen zweiten Schwerpunkt setzte C.J. Heinrich auf Ansichtstassen des frühen 19. Jahrhunderts mit Motiven aus Thüringen und Sachsen.

Der vierte Teil der Ausstellung zeigt Elektrogeräte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung Angelika Jensen. Die passionierte Sammlerin von Alltagsgegenständen hat in ihrem Leben viele Sparten der Alltagskultur durchmessen, deren Zeugnisse vor der Vernichtung gerettet und norddeutschen Museumssammlungen geschenkt. Dem St. Annen- Museum übergab sie 1999 rund 200 elektrische Geräte.

Diese schlichten Haushaltshelfer offenbaren dem Betrachter ihren großen ästhetischen Reiz. Zugleich sind sie Ikonen der Designgeschichte.

Vernissage

Die Ausstellung wird am Sonntag, 26. März, um 11.30 Uhr eröffnet. Eintritt für Erwachsene / Ermäßigte / Kinder: 7 / 3.50 / 2,50 Euro. Sie ist bis zum 24. September im St. Annen-Museum zu sehen.

Sammel-Aktionstage

„Was sammeln Sie?“ wollten die Lübecker Museen Anfang des Jahres in einem Zeitungsaufruf wissen und luden Lübecker Sammler ein, sich zu melden und die Geschichte ihrer ganz persönlichen Kollektion zu erzählen. Am 1. April und am 6. Mai werden nun die kuriosesten, ungewöhnlichsten Sammlungen in der Kunsthalle St. Annen gezeigt. Die Besitzer präsentieren ihre Schätze selbst – und stehen von 13 Uhr bis 14.30 Uhr für Fragen und Austausch zur Verfügung. Um 14.30 Uhr können interessierte Besucher mit dem Kurator der Ausstellung Lübeck sammelt I, Dr. Oliver Zybok, einen Blick hinter die Kulissen der aktuellen Schau werfen. Von 15 Uhr bis 15.30 Uhr geht es dann um die Frage: Warumsammeln Museen? Der Nachmittag im Museumsquartier kostet für Erwachsene 12 Euro (ermäßigt 10 Euro), für Kinder 6 Euro. +++