Die Ergebnisse bringen hoffentlich auch die historische Interpretation zu den Befestigungen auf dem Hirtenberg auf einen neuen Erkenntnisstand. Die Verbindung mit den Überlieferungen in Chroniken des 12. und 13. Jahrhunderts begründete bisher die Vermutung, hier das dort erwähnte erste Travemünde zu sehen, das nach 1147 als Sicherung der Traveeinfahrt errichtet wurde. Zum Jahre 1181 wird berichtet, dass eine Burg an der Trave während der Belagerung der jungen Stadt Lübeck verbrannt und 1186/87 direkt am Meer wieder errichtet wurde. Diese neue Burg soll dann Keimzelle des heutigen Travemündes geworden sein, die alte habe auf dem Hirtenberg gestanden. Der 1930 auf dem Hirtenberg errichtete Gedenkstein auf dem Hirtenberg mit der Aufschrift „Hier stand Alt-Travemünde“ soll an diese Zusammenhänge erinnern. Beweiskräftige archäologische Aussagen hierfür fehlen allerdings bis heute.
Sondagen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts brachten keine verwertbaren Ergebnisse, die wenigen Funde selbst sind seit langem verschollen. Die Abteilung Archäologie der Hansestadt Lübeck hat daher mit dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel eine flächendeckende naturwissenschaftliche Prospektion vereinbart, die die zerstörungsfreie Erkundung der Bodenstrukturen zum Ziel hat. Eine Magnetometerprospektion spürt Eingriffe in den Boden und hier eingelagerte Funde. z.B. Keramik und Metalle auf, und ermöglicht die Kartierung derselben. Diese Prospektion wird, unterstützt durch Forschungstaucher, auch die unter Wasser befindlichen Holzkonstruktionen neu erfassen und vermessen. Probebohren ergänzen hier die Erkenntnisse zur Erhaltung organischer Bestandteile.
Der Hirtenberg ist eine markante, etwa 16m hohe Halbinsel am Dummersdorfer Ufer im Unterlauf der Trave, seine ehemals weit in den Fluss reichende Spitze führt den Namen Stülper Huk. Das gesamte Areal steht schon seit langem unter Denkmalschutz, es befindet sich ebenfalls im streng geschützten Naturschutzgebiet Dummersdorfer Ufer.
Schon seit der Steinzeit suchten die Menschen diesen siedlungsgünstigen und strategisch hervorragend gelegenen Platz auf. Sowohl die offene Ostsee war schnell erreichbar, als auch das Hinterland über die Trave, gleichzeitig bestand hier die Kontrollmöglichkeit über den gesamten ein- und ausfahrenden Schiffsverkehr.
Zahlreiche steinzeitliche Lesefunde belegen, dass der Platz früh aufgesucht wurde. Eine besondere frühgeschichtliche Fundsituation wurde Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts bei extremen Niedrigwassern im Traveuferbereich beobachtet und dokumentiert. Hier befindet sich ein Feld von über 500 Holzpfählen, die angespitzt in den Untergrund gerammt wurden. Als Holzarten wurden Esche, Eiche und Hainbuche festgestellt. Die Ergebnisse von C14 Analysen wiesen auf die Zeitstellung zwischen 140-180 n. Chr. Torfschichten zwischen den Hölzern deuteten auf einen ehemals niedrigeren Wasserspiegel hin. Eine genauere Deutung dieser Befunde erfolgte bislang noch nicht.
Auf dem Hügel selbst zeigen sich Reste eines Abschnittsgrabens, der den Zugang von Norden abriegelt mit einem Durchgang sowie einen schon vom Kliff gestörten Ringraben von ca. 40m Durchmesser auf der Hügelkuppe. Das bedeutende Bodendenkmal ist an der Wasserseite zur Trave durch die Erosion des aktiven Kliffs ständig gefährdet, seine Substanz wird dadurch laufend geringer. Es sind daher archäologische Maßnahmen erforderlich, die im Hirtenberg verborgenen Befunde zu erkennen, zu erforschen und zu dokumentieren.+++