Saxe weist Vorwürfe des Einzelhandels zurück
Die Vorwürfe des Lübecker Einzelhandels, die Hansestadt Lübeck habe der Verkaufsveranstaltung “Superlangen Sonnabend” am 30. September geschadet, in dem sie kein Verbot der Demonstration von “Bündnis Rechts” ausgesprochen habe, hat Bürgermeister Bernd Saxe zurückgewiesen. In einem offenen Brief an den Vorsitzenden des “Lübeck Managements”, Eike Buschmann, schreibt Saxe, daß er die Entwicklung bedauere, letztlich jedoch keinerlei Verbotsmöglichkeit gehabt habe.
Der offene Brief des Bürgermeisters im Wortlaut:
“Sehr geehrter Herr Buschmann, noch einmal einen herzlichen Dank für unser heutiges Gespräch, in dem Sie erneut Ihren Unmut über die Demonstration rechtsextremer Kräfte am vergangenen Sonnabend und Ihre Enttäuschung über nachteilige Folgen für den innerstädtischen Einzelhandel zum Ausdruck gebracht haben.
Ich will Ihnen gerne auf diesem Wege noch einmal versichern, daß wohl niemand es mehr begrüßt hätte als ich, wenn mir rechtliche oder tatsächliche Möglichkeiten zu Gebote gestanden hätten, die Demonstration rechtsextremer Kräfte gänzlich zu untersagen, oder aber sie so zu begrenzen, daß Verkehrsbehinderungen und damit Einschränkungen der Erreichbarkeit der Innenstadt auszuschließen gewesen wären.
Solche Möglichkeiten standen mir aber unter den Umständen des Einzelfalls nicht zu Gebote.
Das Bundesverfassungsgericht hat erst jüngst im Zusammenhang mit den Demonstrationen um den “Club 88” in Neumünster seine diesbezügliche Spruchpraxis verschärft und den Kommunen auferlegt, auch bei bevorstehenden Demonstrationen und Kundgebungen rechtsextremer Organisationen das Versammlungsrecht als ein bedeutendes Grundrecht stärker zu achten und höher zu gewichten als andere Rechtsgüter. Gemeint sind hier ansonsten anerkannte Ziele wie z. B. das der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehres oder auch noch so berechtigte und verständliche Interessen des Einzelhandels.
Der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein, der meine Aufsichtsbehörde ist, hat zudem vor wenigen Tagen einen Erlaß herausgegeben, der für die Kommunen in unserem Land bindenden Charakter hat. In diesem Erlaß ist detailliert und abschließend geregelt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Kommune eine entsprechende Demonstration oder Kundgebung verbieten kann. Nach übereinstimmender Feststellung meiner zuständigen Fachbehörden, des Leiters der Polizeiinspektion Lübeck und des Innenministers, gab es aber keinerlei Anhaltspunkte, die ein Verbot der Demonstration gerechtfertigt hätten. Die genannten Behörden mitsamt ihrer juristischen Experten waren vielmehr überzeugt, daß ein Verbot dieser Veranstaltung wegen Rechtswidrigkeit unverzüglich von den zuständigen Gerichten aufgehoben worden wäre - mit dem einzigen Effekt, daß die damit entstehende Öffentlichkeitswirkung zu einer verbesserten Mobilisierung in der rechten Szene und damit zu einem deutlichen Anstieg der Teilnehmerzahl geführt hätte.
Sehr geehrter Herr Buschmann; ein Verbot der Veranstaltung oder auch nur ein Verbot an diesem Tage war mir leider nicht möglich, weil es eine unzulässige Einschränkung der grundgesetzlich leider auch rechtsextremen Kräften zustehenden Versammlungsfreiheit dargestellt hätte. In Anbetracht dieser Ausgangslage war die Hansestadt Lübeck bestrebt, die Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens so gering wie möglich zu halten. Die von der Lübecker Polizei gemeinsam mit den Mitarbeitern meiner Verwaltung formulierten einschneidenden Auflagen, die vom Veranstalter zu beachten waren, haben Schlimmeres verhindert. So konnte dem Veranstalter auferlegt werden, seinen Marschweg in weiter Distanz von der Innenstadt zu halten und ihn wesentlich durch sehr dünn besiedelte Teile des Stadtgebietes zu führen. Zudem mußte der Veranstalter seinen Marschweg von geplanten gut sieben Kilometern deutlich reduzieren. Auch die von dort vorgesehene Veranstaltungsdauer von sechs Stunden betrug schließlich ca. drei Stunden.
Trotz alledem war es leider nicht zu verhindern, daß es zu erheblichen Beeinträchtigungen auf das öffentliche Leben in der Stadt und insbesondere auf die Erreichbarkeit der Lübecker Innenstadt gekommen ist. Aus Sicherheitsgründen mußte das Aufmarschgebiet der Rechten weiträumig abgesperrt werden. Umfangreiche Polizeimaßnahmen waren notwendig, um es nicht zu Zusammenstößen zwischen rechtsextremen Demonstranten und Gegendemonstranten kommen zu lassen. Die Folgen waren schwerwiegende Einschränkungen des Individual- und Öffentlichen Personennahverkehrs. Die polizeilichen Maßnahmen waren unabweisbar notwendig und finden deshalb meine Billigung.
Ich habe, sehr geehrter Herr Buschmann, viel Verständnis über Ihren Unmut und Ihre Verärgerung. Der Handel in der Lübecker Altstadt hat sich unter vielen Mühen und mit großem finanziellen Aufwand auf diesen Superlangen Sonnabend vorbereitet und hat zweifellos große Umsatzerwartungen in ihn gesetzt. Darum kann ich Ihre Enttäuschung darüber verstehen, daß ein solches unappetitliches Ereignis nun alle Erwartungen zunichte machte und alle Aufwendungen entwertet hat.
Vielleicht darf ich aber andererseits ein wenig Verständnis oder jedenfalls Einsicht erbitten: So gern ich die in Rede stehende Veranstaltung verboten hätte. Eine solche Entscheidung war aufgrund des Innenministererlasses nicht durchsetzbar. Nichtsdestoweniger rechtfertigen die Vorgänge rund um den 30. September keinen Zweifel an der Aufgeschlossenheit der Verwaltung der Hansestadt Lübeck gegenüber den Interessen der Lübecker Wirtschaft. Die Verwaltung der Hansestadt Lübeck ist - wie Sie wissen - bemüht, die Wirtschaftskraft unserer Stadt zu stärken, ein Klima zu schaffen, um vorhandenen Unternehmen beste Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten und ansiedlungswilligen Firmen das Umfeld zu garantieren, in dem sie ihre Chancen nutzen können.
Ich hoffe, Ihnen damit den Standpunkt der Hansestadt Lübeck zu den Ereignissen vom vergangenen Wochenende ein wenig verdeutlicht zu haben und würde mir wünschen, daß sich unsere bisherige gute Zusammenarbeit in der Zukunft fortsetzen wird.
Mit freundlichen Grüßen, Bernd Saxe, Bürgermeister” +++