Die Verwaltung wird beauftragt
1. Unabhängig von der konkreten Art der Nutzung zu prüfen, ob mit dem zu erwartenden Meeresspiegelanstieg eine längerfristige Nutzung der Herreninsel überhaupt möglich ist.
Antwort:
Um den zukünftigen Meeresspiegelanstieg trotz der großen Unsicherheiten der Prognosen der jeweiligen Klimamodelle in das Hochwasserrisikomanagement zu integrieren, haben sich Bund und Länder in der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser – Ständiger Ausschuss „Klimawandel“ (LAWA-AK) darauf geeignet, dass das hohe Klimawandelszenario SSP5-8.5 als sogenanntes „worst case“-Szenario für Vorsorgezwecke verwendet wird, da dies am meisten Anpassung erfordert (LAWA 2020; Generalplan Küstenschutz des Landes Schleswig-Holstein, 2022). Der Generalplan Küstenschutz geht deshalb von einem Meter Meeresspiegelanstieg ab 2100 aus. Der Meeresspiegelanstieg führt dazu, dass Sturmfluten in Lübeck höher auflaufen werden. Das bisherige HW200, das ein Ostseehochwasser mit einem Wiederkehrintervall von 200 Jahren darstellt und welches für das Hochwasserrisikomanagement herangezogen wird, hat bisher eine Höhe von 2,55 mNHN und wird sich dementsprechend auf 3,55 mNHN erhöhen. Betroffen wären Gebiete am Hauptweg sowie an der Straße Am Busch und nicht mehr zu Wohnzwecken nutzbar.
Mögliche Veränderungen der Sturmfluthöhen durch veränderte Stürme aufgrund des Klimawandels können jedoch bisher noch nicht berücksichtigt werden, da die bisherigen Ergebnisse der Klimamodelle uneindeutig sind. Wie hieraus deutlich wird, ist in Teilen eine räumlich und funktional eingeschränkte Nutzung der Herreninsel dementsprechend zu erwarten.
2. Unabhängig von der zukünftigen Nutzung zu prüfen, welche Maßnahmen hinsichtlich ÖPNV, Fuß- und Radverkehr ergriffen werden müssten, um eine angemessene verkehrliche Anbindung sicherzustellen.
Antwort: Es müssten keine Maßnahmen ergriffen werden. Eine ÖPNV-Anbindung ist vorhanden. Diese ist in der vorhandenen Form auch bei einer moderaten Verdichtung der Wohnnutzung noch angemessen. Sollte eine deutliche Erweiterung der Wohnnutzung erfolgen, wäre zu prüfen, ob weitere Linien die Haltstelle anfahren können, die derzeit nicht dort halten.
Auch beim Fuß- und Radverkehr sind keine Maßnahmen erforderlich. Die Anbindung mit diesen beiden Verkehrsarten wird nicht negativ beurteilt, weil Mängel in der Infrastruktur o. ä. bestehen, sondern aufgrund der stadträumlichen Lage. Die Herreninsel liegt relativ isoliert, die Entfernungen zu Versorgungseinrichtungen und sozialer Infrastruktur sind relativ hoch. Dies wird auch weiterhin so bleiben. Eine Verbesserung der Fuß- und Radverkehrsanbindung ist daher kaum möglich.
3. Darzustellen, welche Potentiale für eine Wohn- oder Mischnutzung verglichen mit anderen Nutzungspotentialen vorliegen.
Antwort: Zwei bereits erwähnte Standortfaktoren zeichnen die Herreninsel aus: ihre Nähe zum Wasser und ihre relativ isolierte, von der Nähe zu Hafen- und Gewerbeflächen und Herrentunnel geprägte Lage im Stadtraum. Beide Faktoren stellen für drei denkbare Nutzungen in unterschiedlichem Maße ein wichtiges Kriterium dar – für die bereits erwähnte Wohn- und Mischnutzung, für eine (ggfs. hafenaffine) Gewerbenutzung, oder für eine Freizeitnutzung mit Wasserbezug. Weitere Nutzungen – der Katalog lässt sich nur schwer eingrenzen – wären zwar denkbar, hätten aber nur wenig Bezug zu den räumlichen Potenzialen.
Für alle drei Nutzungen ist die Nähe zum Wasser ein großes Potenzial, allerdings wäre eine Wassernähe für Gewerbebetriebe mit Hafenbezug essentiell – eine Wohnnutzung wie z.B. in Form von Tiny Houses wäre indes auch ohne diesen Standortfaktor denkbar. Hinsichtlich des Standortfaktors Lage im Stadtraum in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hafen- und Gewerbe- / Industrieflächen fällt die Bewertung ähnlich differenziert aus: Was für eine Wohnnutzung problematisch sein kann (aber nicht muss), ist für eine Gewerbenutzung erstrebenswert und kann unter Bedingungen des erheblichen Mangels an Gewerbeflächen sogar ein stark nachgefragter Standort sein. Als wasserorientierte Freizeitnutzung wäre insbesondere eine Nutzung als Sportboothafen oder als Lagerplatz / Winterlager für Sportboote denkbar, hier würden wesentliche Potenziale des Standorts sowohl in der stadträumlichen Lage als auch in der Nähe zum überregionalen Straßennetz bzw. zu spezialisierten Gewerbebetrieben ausgeschöpft. Es wäre jedoch die Frage zu stellen, ob es entsprechenden Bedarf gibt und ob die Entwicklung stadteigener Flächen nicht eher langfristigen Strategien, wie z. B. dem Grundlagenbeschluss zur Schaffung neuer Gewerbeflächen, folgen sollte.
Da bei der Abwägung der richtigen Nutzung stets auch die gesamtstädtische Perspektive eingenommen werden sollte, ist daher die Festlegung der Nutzung im Rahmen der FNP-Aufstellung geplant. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das nähere Umfeld sich derzeit mit großer Dynamik verändert, was sich auch in laufenden Planverfahren niederschlägt.
4. Darzustellen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine Verstetigung des Wohnens in Form eines Wohn- oder Mischgebietes zu realisieren.
Antwort: Zu einer Verstetigung des Wohnens auf der Herreninsel in Form eines Wohn- oder Mischgebietes wäre die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um sämtlichen Anforderungen des Immissionsschutzes entsprechen zu können, und welche benachbarten Nutzungen in dem Zusammenhang möglicherweise einzuschränken wären, kann nur ein Bauleitplanverfahren abschließend und verbindlich klären. Wie bereits im Gutachten erwähnt, könnte ein Bebauungsplanverfahren unter dem geltenden Hafenentwicklungsplan und mit dem jetzigen Kenntnisstand durchgeführt werden. Dies gilt entsprechend auch für „Tiny-Houses“ oder andere alternative Wohnformen. Es hätte allerdings zukünftig eine Verringerung der zukünftigen Entwicklungsoptionen auf den benachbarten Hafenflächen zur Folge (s. Antwort zu 5a). Die Aufstellung eines Bebauungsplans mit dem Ziel einer Wohn- oder Mischnutzung wäre von der Kommunalpolitik zu beschließen.
5. Darzustellen, in welchem Umfang und Form Wohnbebauung auf der Herreninsel möglich ist, wenn
a) auf den Hafenkais am ggü. liegenden Traveufer Nachtbetrieb stattfindet,
b) auf/an der Herreninsel ein Hochwassersperrwerk errichtet wird,
c) auf/nahe des Standortes des Pumpenwerkes ein neues Klärwerk errichtet wird,
d) der klimabedingte Anstieg des Meeresspiegels und die zunehmenden Starkwetterereignisse berücksichtigt werden.
Antwort: Vorab ist anzumerken, dass die hier dargestellten Szenarien im Rahmen dieser Antwort nicht abschließend bewertet werden können. Es liegen keine vertiefenden Planungen vor, die einer seriösen Bewertung zugrunde gelegt werden können.
Zu a)
Bereits im Jahr 2008 wurde ein Lärmgutachten in Auftrag gegeben, dass die Genehmigungsvoraussetzungen einer Wohnnutzung im Falle eines Nachtbetriebs am Seelandkai bewerten sollte. Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass Vereinbarungen zum passiven Lärmschutz unter Umständen zur Einhaltung der Grenzwerte führen könnte. Dem widersprach das für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen zuständige Landesamt für Umwelt in einer Stellungnahme: eine Lösung des Lärmkonflikts könne so nicht herbeigeführt werden; zur Konfliktlösung verhelfe lediglich ein Abbruch der Wohnhäuser oder ein weiterhin eingeschränkter Nachtbetrieb am Seelandkai. Das vorliegende Gutachten zur Herreninsel unterstellt, dass kein Nachtbetrieb vorliegt und dass ein Nachtbetrieb bei Verfestigung der Wohnnutzung wahrscheinlich nicht genehmigt werden könne. Vereinfacht ausgedrückt verhindert die frühere Maßnahme die spätere.
Zu b)
Die Frage, ob und wo ein Sperrwerk gebaut werden wird, ist derzeit noch nicht qualifiziert zu beantworten. Aufgrund der umfassenden Auswirkungen und immensen Kosten handelt es sich bei einem Hochwassersperrwerk grundsätzlich um ein Bauwerk, dessen Standort sorgfältig zu prüfen ist. Ein Bauwerk auf Höhe der Herreninsel schützt weder den Priwall noch Travemünde. Sollte auf der Herreninsel dennoch ein Sperrwerk errichtet werden, wären größere Flächenanteile für die Baustelleneinrichtung sowie für technische Anlagen bereitzustellen. Gleichzeitig wäre sicherzustellen, dass keine negativen Wechselwirkungen zwischen diesem komplexen Ingenieursbauwerk und weiterer Infrastruktur, u. a. dem unter der Insel befindlichen Herrentunnel zu erwarten sind. In jedem Falle wäre eine Wohnnutzung beeinträchtigt, allerdings kann das Ausmaß dieser Beeinträchtigung unmöglich seriös beziffert werden.
Zu c)
Es ist kein neues Klärwerk an dieser Stelle geplant, der Weiterbetrieb von Abwasserinfrastruktur am vorhandenen Standort ist langfristig vorgesehen. Anpassungen der bestehenden Anlagen an regulative Vorgaben sind zukünftig erforderlich. Wie bei einem Sperrwerk wären auch bei einer Erweiterung des Abwasserpumpwerks mit z. T. unterirdischer Klärwerksinfrastruktur Wechselwirkungen mit benachbarten Infrastrukturen wie dem Herrentunnel zu berücksichtigen. Eine Ausweitung der Fläche wäre damit nur sehr eingeschränkt möglich. Auch hier lässt sich das Ausmaß der Beeinträchtigung nicht seriös beziffern.
Zu d)
Hier wird auf die Antwort zu 1 verwiesen. Es befinden sich auf der Herreninsel keine Senken, die im Falle von Starkregen überflutungsgefährdet sind.
6. Darzustellen, in welchem Umfang andere im FNP avisierte Flächen für Wohnungsneubau die Anforderungen einer nachhaltigen Stadt(innen-)entwicklung besser erfüllen, indem dort die angestrebte Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs durch kürzere Wege zu Kitas, Schulen, Sport- und Freizeitangeboten, medizinischer Versorgung, Einzelhandel, Gastronomie und Bahnverkehr umfangreicher ermöglicht wird (15-Minuten-Stadt).
7. Im Rahmen der Entwicklung des FNP der Bürgerschaft die erforderlichen Informationen entsprechend der vorliegenden (und ggf. weiteren erforderlichen) Betrachtungen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, um eine qualifizierte politische Entscheidung zu ermöglichen.
8. Im Rahmen der Entwicklung des FNP der Bürgerschaft alle weiteren Gebiete mit ähnlichen (potentiellen) Nutzungskonflikten transparent mit Optionen darzustellen.
Antwort zu 6 bis 8: Der Flächennutzungsplan befindet sich derzeit in Aufstellung. Wie bereits im Bauausschuss von der Verwaltung dargelegt, sollen zu diesem Zeitpunkt noch keine Hinweise darüber gegeben werden, welche konkreten neuen Wohnbauflächen ins Auge gefasst werden. Daher muss eine abschließende Beantwortung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Generell kann mitgeteilt werden, dass ca. 80 sog. „Suchräume“ umfangreich auf ihre Eignung als potenzielle Wohnbaufläche untersucht wurden – darunter auch die Herreninsel. Die Aussage aus dem vorliegenden Gutachten zur Eignung der Herreninsel als Wohnstandort steht nicht im Konflikt mit dieser vergleichenden Untersuchung im Rahmen des Flächennutzungsplans.