Der von der Stadtverwaltung vorgelegte 1. Lübecker Kulturentwicklungsplan gründet auf den im »Integrierten Stadtentwicklungskonzept 2010« (ISEK) formulierten vier kulturpolitischen Zielen: Welterbe und kulturelles Erbe bewahren, Vielfältige Kunst und Kultur fördern, Kultursensibilität vermitteln und den Tourismus fördern. Auf dieser Grundlage und im Rahmen der vorhandenen Datenlage wurde in einem ersten Schritt eine spartenspezifische Bestandserhebung der drei Säulen der städtischen Kultur (öffentlich, privat/frei und zivilgesellschaftlich) vorgenommen. In einem zweiten Schritt wurde beteiligungsorientiert die Bedürfnisse und Interessen der Stakeholder Stadtbevölkerung, Kulturakteur:innen und Stadtverwaltung und -politik erhoben, aktualisiert, priorisiert und in insgesamt acht thematischen Bedarfs- bzw. Entwicklungsfeldern zusammengeführt. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse wurden im dritten Schritt insgesamt 36 Maßnahmen in den acht priorisierten Entwicklungsfeldern entwickelt und ausformuliert.
Die Bestandserhebung hat gezeigt, dass in Lübeck von einer gut bis sehr gut ausgeprägten kulturellen Grundversorgung durch die öffentliche Hand gesprochen werden kann, außer im Bereich der »Soziokultur«. Auch ist festzustellen, dass die privaten und zivilgesellschaftlichen Kulturakteur:innen aufgrund ihrer großen Anzahl und der Angebotsspezifik eine sehr wichtige Stellung innerhalb der kulturellen Landschaft Lübecks einnehmen. Teilweise realisieren sie sogar Angebote, die in anderen Städten als kommunale Aufgaben betrachtet und wahrgenommen werden wie bspw. die Musikschulen oder soziokulturelle Angebote in den Stadtteilen. Erst durch die privaten und zivilgesellschaftlichen Kulturakteur:innen kann in Lübeck von einer strukturell vielfältigen Kulturlandschaft gesprochen werden.
Gleichzeitig zeigte sich in der Bestandserhebung, das sich diese wichtige Stellung der privaten und zivilgesellschaftlichen Kulturakteur:innen nur teilweise in der städtischen Kulturförderung widerspiegelt und darüber hinaus keine zusätzlichen Anreize für die Entwicklung kulturwirtschaftlicher Potenziale vorhanden sind. Zudem wurde deutlich, dass sich das kulturelle Angebot größtenteils auf die Innenstadt konzentriert und nur in drei weiteren Stadtgebieten (Travemünde, Kücknitz, Falkenfeld/Vorwerk) ansatzweise von potenziellen stadträumlichen Kulturclustern gesprochen werden kann. Weiter wurde festgestellt, dass sich die zunehmende Diversität der städtischen Bevölkerung bisher wenig in der städtischen Kultur abbildet. An der (Weiter-)Entwicklung der städtischen kulturellen Infrastruktur partizipieren bspw die. Migrant:innenselbstorganisationen (MSO) bisher kaum.
Dies ist nicht zuletzt auch auf das Fehlen einer soziokulturellen Infrastruktur in den Stadtteilen zurückzuführen, wie es sie bspw. in Form von kommunalgeförderten Bürgerhäusern, Stadtteilkulturzentren oder Soziokulturellen Zentren in anderen Städten gibt. Die neu entwickelten Outreach-Formate bspw. bei den LÜBECKER MUSEEN und bestehenden kulturellen Bildungsangebote anderer Kulturakteur:innen können diese Herausforderung nur im geringen Maße auffangen. In der Gesamtschau der Bestandserhebung lässt sich festhalten, dass die Themen »Kulturförderung«, »Stadtteilkultur«, »Teilhabe« und »Flächen und Räume« als Entwicklungsfelder benannt werden können.
Dem politischen Auftrag einer breiten Beteiligung für Kulturschaffende, Kulturinstitutionen und Nutzer:innen (VO/2020/09394-01-01) wurde im zweiten Schritt durch eine Bedarfsanalyse Rechnung getragen. Die beteiligungs- und bedarfsorientierte weitere Fachplanung bezog über verschiedene Formate und Strukturen die unterschiedlichen Bedürfnisse der drei Stakeholder-Gruppen »Stadtbevölkerung«, »Kulturakteur:innen« und »Stadtverwaltung und -politik« in den Prozess ein. Ziel der Bedarfsanalyse war es, die je partikularen Bedürfnisse zu gemeinsam geteilten und anerkannten Bedarfen zusammenzuführen, zu priorisieren und in thematischen Entwicklungsfeldern zu clustern.
Die Bedürfnisse der Stadtbevölkerung wurde zum einen durch die Auswertung von Umfragen, Dialogveranstaltungen, Workshops und Sammlungen von Zukunftsgeschichten analysiert, die im Rahmen der Dachmarke »LÜBECK über:MORGEN« im Zeitraum 2018-2020 durchgeführt wurden. Zum anderen wurden insgesamt 30 Stadtteilkonferenzen des Lübecker Senats (bis April 2024) sowie drei Stadtteilwerkstätten des Bereichs Jugendarbeit (4.513) ausgewertet. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass »mehr kulturelle Angebote in den Stadtteilen« sowie »mehr Räume der Teilhabe« als gemeinsam geteilte Bedürfnisse (= Bedarfe) des Stakeholders »Stadtbevölkerung« betrachtet werden können.
Für die Analyse der Bedürfnisse und Interessen der privaten und zivilgesellschaftlichen Kulturakteur:innen wurde auf Text- und Audiomaterial zurückgegriffen, das seit Beginn des Kulturentwicklungsprozesses in Lübeck 2016 erhoben wurde. Dazu zählen Interviews, Auswertungen von Umfragen, Protokolle von Netzwerktreffen, Workshops und Fachtagen. In den acht Themenfeldern »Kulturförderung«, »Kultur- und Kreativwirtschaft«, »Nachwuchs«, »Kulturelle Bildung«, »Sichtbarkeit«, »Klimaschutz«, »Stadtteilkultur« und »Flächen und Räume« wurden wiederkehrende Bedürfnisse und Interessen artikuliert und in Sparten-Netzwerktreffen überprüft, aktualisiert und priorisiert. Im Laufe des Prozesses wurde von den Akteur:innen zusätzlich und wiederholt das Themenfeld »Weiterentwicklung und Fortschreibung Kulturentwicklungsplan« angesprochen.
Die Analyse der Bedürfnisse und Interessen der städtischen Kulturakteur:innen erfolgte im Kontext bestehender politischer Vorgaben. Dazu wurden auf der Grundlage städtischer Entwicklungskonzepte und politischer Beschlüsse in themenspezifischen Workshops und Einzelgesprächen mit den Leitungen der städtischen Kultureinrichtungen die gemeinsam geteilten Bedürfnisse herausgearbeitet. In den fünf Themenfeldern »Teilhabe und Kulturelle Bildung«, »Digitalisierung«, »Flächen und Räume«, »Klimaschutz« und »Fortschreibung und Erweiterung Kulturentwicklungsplanung« sind von den städtischen Kulturakteur:innen mehrfach Entwicklungsbedürfnisse und -interessen artikuliert worden.
Die Bedarfsanalyse des Stakeholders »Stadtverwaltung und -politik« gründete sich auf die Sichtung von insgesamt sechzehn beschlossenen bzw. in Aufstellung befindlichen städtischen Entwicklungskonzepten und -strategien und die Analyse der unmittelbaren Bezugspunkte zur kulturellen Stadtentwicklung. In insgesamt fünf Strategiekonzepten der Stadt wurden Schnittmengen herausgearbeitet, die konkrete Bezüge zur Kulturentwicklungsplanung herstellen und konkretisierte Maßnahmen und Projekte bereits formulieren bzw. einfordern. Darüber hinaus wurden eine Vielzahl von politischen Empfehlungen des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege sowie Beschlüsse der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zum Thema Kulturentwicklung gesichtet und darin formulierte Umsetzungsaufgaben für den Kulturentwicklungsplan extrahiert. In den insgesamt sechs Themenfeldern »Teilhabe und Kulturelle Bildung«, »Digitalisierung«, »Stadtteilkultur«, »Klimaschutz«, »Kulturtourismus« und »Kulturförderung« wurden wiederkehrende Bedarfe kenntlich gemacht, die aufgrund der politischen Beschlusslage bereits als erforderlich anerkannte Bedarfe betrachtet werden können.
Im Abgleich zwischen den in der Bestandserhebung deutlich gewordenen Entwicklungsfeldern und den in der Bedarfsanalyse kenntlich gemachten Themenfeldern sind insgesamt acht Entwicklungsfelder herausgearbeitet worden, in denen gemeinsam geteilte prioritäre Bedarfe durch die Stakeholdergruppen benannt worden:
- »Teilhabe und Kulturelle Bildung«
- »Stadtteilkultur«
- »Flächen und Räume«
- »Kulturförderung«
- »Klimaschutz«
- »Digitalisierung«
- »Kulturtourismus«
- »Erweiterung und Fortschreibung der Kulturentwicklungsplanung«
In diesen acht Entwicklungsfeldern wurden im dritten Schritt insgesamt 36 Maßnahmen und -projekte als fachlich erforderlich bewertet und zur weiteren Umsetzung empfohlen. Die fachliche Bewertung der Erforderlichkeit fand auf der Grundlage der kulturpolitischen Zielsetzung durch einen systematischen Abgleich der Ergebnisse der Bedarfsanalyse mit denen der Bestandsanalyse und in Abstimmung mit den betroffenen Fachbereichen der städtischen Verwaltung statt. Maßgeblich bei der Entwicklung der Maßnahmen und Projekte war ein ressourcenschonender und nachhaltig wirkender Ansatz, der alle Maßnahmen und Projekte auf Synergien und Schnittmengen innerhalb mehrerer benannter Entwicklungsfelder überprüfte. Von den 36 empfohlenen Maßnahmen sind 14 Maßnahmen (Nr. 1-14) ohne finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt der Hansestadt Lübeck. Die weiteren 22 Maßnahmen (Nr. 15–36) haben finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt.
Für den Haushalt 2025 sind zwei Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen (Maßnahme Nr. 15 und 16) mit insgesamt 115.000 EUR eingeplant. Die Maßnahme „Entwicklung und Einführung eines Kulturmonitorings“ (Nr. 15) begründet sich darin, dass es für die notwendige Steuerung im Themenbereich und für die weitere politische Entscheidungsfindung maßgeblich ist, eine fundierte Datenbasis und Faktenlage sicherzustellen. Die Maßnahme Nr. 15 stellt dies sicher. Die Maßnahme „Erinnerungskultur einschließlich Machbarkeitsstudie Zeit.Lab“ (Nr. 16) begründet sich im bereits getätigten Beginn der Gesamtmaßnahme (VO/9/07965-01-01-02).
Die weiteren 20 Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Hansestadt Lübeck sind aufgrund der aktuellen Haushaltslage derzeit nicht Bestandteil des Haushaltsentwurfs der Verwaltung. Auch wenn die im Bericht aufgezeigten Maßnahmen als fachlich sinnvoll angesehen werden und zur Erreichung strategischer Ziele der Hansestadt Lübeck beitragen, lässt die gegenwärtige Haushaltslage der Hansestadt Lübeck keine Ausweitung der finanziellen Mittel zur Umsetzung nicht gesetzlich vorgeschriebener Maßnahmen zu. Die Kommunalaufsicht hat in der Haushaltsgenehmigung 2024 formuliert, dass es in der gegenwärtigen Situation gilt, „die Unsicherheiten in der wirtschaftlichen Entwicklung und in den Inflationstendenzen mit ihren Folgen im Blick zu behalten. Steigenden Belastungen im Ergebnishaushalt sollte gerade jetzt mit eigenen Konsolidierungsanstrengungen begegnet werden. Für die hierfür notwendigen Beschlüsse sind von Seiten der Verwaltungen sowohl bezogen auf die Ergebnis- wie auch die Investitionsplanung geeignete Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen“. Neue, zusätzliche Ausgaben würden die Konsolidierungsnotwendigkeit weiter verschärfen.
Die Verwaltung empfiehlt entsprechend der jeweiligen Haushaltslage die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen in den Jahren 2025 - 2033 und strebt an, ergänzend zur öffentlichen Finanzierung und entsprechend der vorgenommenen Priorisierung eine Finanzierung dieser Maßnahmen über Drittmittel (bspw. über Förderprogramme der EU, des Bundes und des Landes SH sowie anderer Fördergeber:innen) zu erreichen.
Übersicht der Gesamtkosten der empfohlenen Maßnahmen und Projekte pro Jahr
| 2025 | 2026 | 2027 | 2028 |
14 Maßnahmen ohne finanzielle Auswirkungen | 0 | 0 | 0 | 0 |
2 Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen und in HH 2025 eingeplant | 115.000 € | 107.000 € | 92.000 € | 92.000 € |
20 Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen und nicht in HH 2025 eingeplant | 1.214.680 € | 1.600.680 € | 1.669.780 € | 1.792.280 € |
Gesamtkosten | 1.329.680 € | 1.707.680 € | 1.761.780 € | 1.884.280 € |