Ein qualitativ hochwertiger ÖPNV ist der Hansestadt Lübeck vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen wie dem Klimawandel und im Zuge der notwendigen Verkehrswende ein sehr wichtiges Anliegen. Für die beiden wichtigsten Buslinien der Hansestadt Lübeck nach Lübeck-Travemünde, die Schnellbuslinien 30 und 40, stehen aktuell leider neue Herausforderungen im Hinblick auf die Nutzung der ÖPNV-Trasse durch den Skandinavienkai an.
Am 03.07.2024 erfuhr der ÖPNV-Aufgabenträger bei einem Gespräch mit der LHG und der LVG, dass im aktuellen Inspektionsbericht der EU-Kommission und der Behörde für Hafenanlagensicherheit im Hinblick auf die bisher praktizierte Durchfahrung des Hafengebiets Sicherheitsbedenken bestehen und die ÖPNV-Trasse infrage gestellt wird.
Die ÖPNV-Trasse wird derzeit durch die Buslinien 30 und 40 mit insgesamt vier Fahrten/Stunde/Richtung tagsüber zwischen Travemünde und ZOB/Hauptbahnhof befahren. Im Früh- und Spätverkehr bedienen die Buslinien 30 und 31 (zukünftig: Linie 34) die ÖPNV-Trasse mit überwiegend zwei Fahrten/Stunde/Richtung. Die aktuell praktizierte Durchfahrung des Skandinavienkais mit Linienbussen der LVG ist rechtsverbindlich mit der Hansestadt Lübeck in einem „Gestattungsvertrag für Linienverkehre durch das Hafengebiet“ von 2005 sowie im Planfeststellungsbeschluss zur „Hafenflächenerweiterung am Skandinavienkai und die Verlegung der DB-Bahnstrecke im Bereich Lübeck-Travemünde“ geregelt. Damals war im Zuge der Erweiterung des Hafengeländes die Implementierung einer ÖPNV-Trasse zur Durchfahrbarkeit mit Linienbussen eine politische Grundvoraussetzung für den Ausbau des Skandinavienkais.
Die bisher praktizierte Busdurchfahrt bündelt gleich mehrere, aus Sicht der Hansestadt Lübeck wichtige Funktionen:
- Eine zügige und dicht getaktete Anbindung des ÖPNV-Netzknotens Teutendorfer Weg - mit rund 500 Fahrgästen am Tag eine der wichtigsten Haltestellen in Travemünde - an die Lübecker Innenstadt mit den beiden Schnellbuslinien 30 und 40
- Eine zügige und dicht getaktete ÖPNV-Anbindung des Stadtteils Travemünde und des Bahnhaltepunkts Skandinavienkai Bahnhof an das Hafenhaus für Fußpassagiere der Fähren (Ermöglichung internationaler Reiseketten) sowie für Arbeitnehmer:innen der hafenzugehörigen Betriebe sowie des Gewerbegebiets Skandinavienkai-Süd
- Eine zügige und dicht getaktete ÖPNV-Anbindung des ÖPNV-Netzknotens ZOB / Hauptbahnhof an das Hafenhaus für Fußpassagiere der Fähren (Ermöglichung internationaler Reiseketten) sowie für Arbeitnehmer:innen der hafenzugehörigen Betriebe sowie des Gewerbegebiets Skandinavienkai-Süd
Auch mit Blick auf internationale Reiseketten Fernreisender, die z. B. mit Bus und Bahn zur Fähre oder Nachtfähre an- und abreisen, ist eine attraktive Verknüpfung mit dem ÖPNV erforderlich.
Für den Busverkehr ist der Status Quo aus Sicht der Hansestadt Lübeck optimal: Die ÖPNV-Trasse ermöglicht eine schnelle Führung der Busse zwischen der Lübecker Innenstadt und dem Stadtteil Travemünde über das Hafenhaus, das somit in einem sehr attraktiven Takt in beide Richtungen angebunden ist. Ein Erhalt der Busdurchquerung war daher in den letzten Monaten die oberste Handlungspriorität der beteiligten Akteure.
Aufhebung der Nutzung der ÖPNV-Trasse
Im Zeitraum von Februar bis April 2024 wurde durch die Europäische Kommission eine Risikobewertung der Hafenanlage Skandinavienkai durchgeführt, die im Anschluss mit einem Inspektionsbericht vorläufig abgeschlossen wurde.
Hinsichtlich der Erfüllung der allgemeinen rechtlichen Anforderungen wurden aus Sicht der Kommission Verstöße festgestellt, bei denen Vorschriften nicht erfüllt wurden. Diese Vorschriften ergeben sich aus dem ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code), der 2004 durch eine Verordnung der Europäischen Union erlassen wurde und Maßnahmen zur Erhöhung der Gefahrenabwehr bei Schiffen und für den internationalen Verkehr genutzten Hafenanlagen beinhaltet. Der ISPS-Code ist obligatorisch für den Betrieb einer internationalen Hafenanlage in Europa und sieht insbesondere vor, dass ein Zugang zu den Hafenanlagen nur für bestimmte Personen und nur nach Zugangskontrolle ermöglicht werden soll. In der Beurteilung des Inspektionsberichts stellen dabei die Fahrgäste der über die ÖPNV-Trasse fahrenden Busse einen unkontrollierten Zugang dar.
Neben diesem Aspekt wird im Prüfbericht auch die technische Ausgestaltung der ÖPNV-Trasse bemängelt. Die Busse der LVG erhalten am Nord- und am Südtor durch Transponder Zugang zur Hafenanlage, wobei bei der Risikobewertung Probleme festgestellt worden sind (Schrankentor reagierte nicht schnell genug auf Transponder oder schloss zu langsam).
Die Kommission war der Auffassung, dass diese Aspekte aufgrund der geänderten geopolitischen und allgemeinen sicherheitspolitischen Lage ein erhebliches Risiko für die Hafenanlage darstellen und forderte infolge die Behörde für Hafenanlagensicherheit (bei der schleswig-holsteinischen Wasserschutzpolizei angesiedelt) auf, die Gefahren neu zu bewerten, um das Risiko vollständig zu beseitigen. Diese Informationen wurden am 10.05.2024 von der Wasserschutzpolizei (als sogenannte Designated Authority (DA) im Sinne des ISPS-Codes zuständig) an die LHG in einem Schreiben übermittelt (Inspektionsbericht). Der Hansestadt Lübeck als ÖPNV-Aufgabenträgerin wurden diese Informationen beim o. g. Gesprächstermin am 03.07.2024 mitgeteilt.
Im Folgenden versuchten die LHG, die LVG und die Hansestadt Lübeck als ÖPNV-Aufgabenträgerin gemeinsam, die weitere Nutzung der ÖPNV-Trasse durch den Skandinavienkai zu ermöglichen. Vorschläge hierzu waren:
- Eine Verbesserung der Zugangstechnik an den Toren und der Transpondertechnik, um ein Stehenbleiben der Busse in der ÖPNV-Trasse unwahrscheinlicher zu gestalten
- Eine Verbesserung der Möglichkeiten zur Videoüberwachung durch zusätzliche Kameras an den Toren
- Einsatz von Sicherheitspersonal in den Bussen sowie Eskortierung der Busse durch die ÖPNV-Trasse, um evtl. Gefahrenlagen in den Bussen zu verhindern sowie ein Verlassen der ÖPNV-Trasse durch die Busse zu verhindern
- Bauliche Anpassung der ÖPNV-Trasse zur weitgehenden Trennung vom Hafengelände (unter z. T. erheblicher Einschränkung des die ÖPNV-Trasse kreuzenden Hafenbetriebs), sog. „Löwengang“
Die genannten Maßnahmen I bis III hätten bereits zu einem erheblichen finanziellen Mehraufwand bzw. Investitionsaufwand bei der Infrastruktur geführt, ohne jedoch das Grundproblem aus Sicht der Wasserschutzpolizei als DA zu lösen: Nicht identifizierte Personen sowie nicht kontrolliertes Gepäck würden weiterhin auf das Hafengelände gelangen.
Um dieses Problem lösen zu können, wurde seitens der Wasserschutzpolizei eine Durchführung von Personen- und Gepäckkontrollen an den Zugängen angeregt. Diese sind aber aus diversen Gründen nicht realistisch umsetzbar, nicht zuletzt aus zeitlichen Gründen: Die Kontrolle hätte zu einer erheblichen Verlängerung der Fahrtzeiten im Buslinienverkehr zwischen Lübeck und Lübeck-Travemünde geführt. Die Fahrpläne, Anschlüsse sowie Dienst- und Umlaufplanungen hätten nicht mehr gewährleistet werden können. Daneben werden die Busse auch von jungen Schüler:innen genutzt, die ggf. noch keine Ausweisdokumente besitzen und dann die Buslinien nicht mehr hätten nutzen können. Ein derartiges ÖPNV-Angebot ist unattraktiv.
Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage wurde durch die LHG der Vorschlag IV einer baulichen Trennung der ÖPNV-Trasse vom Rest des Hafengeländes (sog. „Löwengang“) umfangreich analysiert. Die ÖPNV-Trasse hätte bei diesem Vorschlag vollständig eingezäunt werden müssen. Die ISPS-Anforderungen für diesen Sicherheitszaun wären gewesen:
- Stabmattenzaun mit 2,50 m Höhe
- Schranken mit Übersteige- und Unterkriechschutz an den Kreuzungspunkten
- Schwenk-/Schiebetore im Schrankenbereich
- Kameraüberwachung
- Lichtzeichenanlagen
- Beleuchtung von mindestens 20 Lux
- Kartenlesegeräte
- Personenvereinzelungsanlagen
Bedingt durch diese Anforderungen kommt die LHG auf geschätzte Baukosten für die Anlage von insgesamt ca. 745.000 €.
Insgesamt wäre der Skandinavienkai hierdurch in zwei Bereiche getrennt worden. Für die Verbindung beider Bereiche hätte es insgesamt 9 Kreuzungspunkte geben müssen (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: ÖPNV-Trasse mit Kreuzungspunkten (Grafik: LHG)
Für eine Durchfahrt des Skandinavienkais benötigen die Busse der LVG z. Zt. drei Minuten. Damit sich kein Hafenfahrzeug bei der Einfahrt eines Busses auf der ÖPNV-Trasse befindet, hätte diese mindestens zwei Minuten vor einer jeweiligen Busdurchfahrt gesperrt werden müssen. Somit wäre je Busdurchfahrt die Querung der ÖPNV-Trasse für hafenbezogene Verkehre für mindestens fünf Minuten nicht möglich gewesen. Die ÖPNV-Trasse wäre beispielsweise, bezogen auf den aktuellen Fahrplan, 34 Minuten pro Stunde (57%) für den Hafenbetrieb blockiert gewesen. In diesen Zeiten wäre das Queren der ÖPNV-Trasse für Hafenarbeiten nicht möglich und der Betrieb eingeschränkt gewesen.
Die Auswertung der LHG zeigt auf, dass wesentliche Teile des Betriebes und die Erreichbarkeit des Hafenhauses für jeweils lange Zeiträume nicht gewährleistet würden – im Falle von Verspätungen der Linienbusse könnten die genannten Zeitfenster sogar noch wesentlich größer werden.
Insgesamt würden hierdurch diverse für den Hafenbetrieb essentielle Zu- und Abführungsprozesse gestört werden, u. a.:
- Eine zuverlässige Abfertigung und der Umschlag von Gütern würde erheblich beeinträchtigt und wäre durch Verzögerungen und unzumutbare Wartezeiten für die Speditionen kaum mehr möglich
- Eine Passagierzuführung von Fußpassagieren vom Hafenhaus für Stena Line, Finnlines und TT-Line könnte nicht mehr zuverlässig gewährleistet werden; pünktliche Abfahrten aller Reedereien wäre dadurch stark gefährdet (Hintergrund: Das Shutteln der Passagiere findet in festen Zeiten analog der Schiffsfahrpläne statt; dieser Prozess würde erheblich beeinträchtigt)
- Erheblichen Verzögerungen würden auch im Hinblick auf eine Erreichbarkeit von Lagern der Reedereien entstehen mit direkter Auswirkung auf die Proviantierung der Schiffe, was entsprechende Schiffsverzögerungen nach sich ziehen würde
Die betrieblichen Mehrkosten durch Prozess- und Ergebnisverschlechterungen beziffert die LHG auf ca. 2,8 Mio. € jährlich. Zusätzlich zur massiven Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Hafens wäre durch eine faktische Trennung des Skandinavienkais in zwei Hafenbereiche eine Weiterentwicklung des Terminals in westliche Richtung nicht möglich. Für die LHG wären diese Einschränkungen, die mit einer Halbierung des Hafengeländes einhergingen, nicht hinnehmbar und existenzbedrohend. Somit scheidet auch die Lösungsmöglichkeit der Schaffung einer umzäunten ÖPNV-Trasse aus.
Da sich letztlich keine Alternativlösung abzeichnet, wird eine Schließung der ÖPNV-Trasse unausweichlich. Die Wasserschutzpolizei als DA (s. o.) lässt eine Nutzung der ÖPNV-Trasse noch bis maximal Ende 2024 zu.
Würde der Busverkehr auf der ÖPNV-Trasse verbleiben, hätte dies zur Folge, dass der Hafen keine neue ISPS-Zertifizierung erhielte – und damit keine internationalen Schiffe mehr abfertigen könnte. Aufgrund der zahlreichen Arbeitsplätze und der wirtschaftlichen Bedeutung gerade des internationalen Schiffsverkehrs im Skandinavienkai kann dies aus Sicht der Hansestadt Lübeck nicht riskiert werden.
Umleitungskonzept für den Busverkehr
Aus den Abstimmungen mit der LHG und der Wasserschutzpolizei ergibt sich, dass ab dem 1. Januar 2025 eine Nutzung der ÖPNV-Trasse für den Busverkehr nicht mehr möglich ist und der Busverkehr zwischen der Innenstadt und Travemünde umgeleitet werden muss. Aus betrieblichen Gründen bei SWL Mobil ist es sinnvoll, eine Umleitung bereits zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2024 einzurichten.
Die Buslinien 30, 34 und 40 werden zwischen den Haltestellen Surenfeld und Teutendorfer Weg über die Ivendorfer Landstraße (Kreisstraße 2) und Teutendorfer Weg (Kreisstraße 30) umgeleitet, unter Bedienung aller Unterwegshaltestellen. Dabei behält auch der Bahnhaltepunkt Lübeck-Travemünde Skandinavienkai seine Busanbindung über die Haltestelle Rönnauer Weg.
Für die Schnellbuslinien 30 und 40 mit dem Hauptzweck einer schnellen Verbindung von Lübecker Innenstadt und Travemünde ist die Umleitung letztlich unproblematisch. Die Fahrtstrecke über die Ivendorfer Landstraße ist sowohl in der Dauer als auch der Länge vergleichbar mit der Durchfahrung des Hafens. Die Anbindung der Haltestellen auf der Ivendorfer Landstraße verbessert sich deutlich. Dieser positiven Auswirkung stehen Betroffenheiten durch Mehrverkehr auf der Ivendorfer Landstraße entgegen.
Um den Betriebsablauf auf der Strecke in Ivendorf stabil zu halten und möglichst wenig Verspätungen einzufahren, wird von SWL Mobil, LVG und vom ÖPNV-Aufgabenträger die Notwendigkeit gesehen, in Ivendorf die vorhandenen Fahrbahneinbauten zu entfernen. Die Beschränkung auf 30 km/h sollte aber in jedem Fall beibehalten werden – unterstützt durch eine stationäre Geschwindigkeitsüberwachung.
Die Umleitung der Buslinien führt darüber hinaus zu einem Entfall der Haltestellen Travemünder Landstraße und Skandinavienkai Terminal. Dies führt zu negativen Betroffenheiten in der Erreichbarkeit des Hafenhauses – hier aus Sicht der LHG auch insbesondere mit Blick auf die potentielle Entwicklung des Fußpassagierverkehrs am Terminal Skandinavienkai – sowie des Gewerbegebiets Henry-Koch-Straße.
Gemäß dem 5. Regionalen Nahverkehrsplan (5. RNVP) sind für das Hafenhaus als gesamtstädtisch bedeutender Einrichtung sowie das Gewerbegebiet Henry-Koch-Straße Wegeentfernungen von 480 Metern bzw. 600 Metern zur nächstgelegenen Haltestelle zulässig. Für das Hafenhaus läge die nächstgelegene Haltestelle Ovendorfer Straße aber ca. 1,2 km entfernt. Auch der Weg ins Gewerbegebiet Henry-Koch-Straße von der Haltestelle Ivendorfer Landstraße aus beträgt ca. 1 km.
Demnach besteht hier aus Sicht des ÖPNV-Aufgabenträgers der Bedarf, eine Anbindung grundsätzlich weiterhin zu gewährleisten.
Anbindung des Hafenhauses ab Fahrplanwechsel im Dezember 2024
Die Planung und Umsetzung eines Fahrplanwechsels benötigt eine erhebliche Vorlaufzeit, in der die konzeptionellen und betrieblichen Fragestellungen (z. B. Dienst- und Fahrzeugumlaufplanung) geklärt werden müssen. Die Planungen und Abstimmungen von SWL Mobil mit dem ÖPNV-Aufgabenträger finden in Bezug auf die zentralen strategischen und konzeptionellen Fragen jährlich bis Ende März, der Übergang von der konzeptionellen zur betrieblichen Planung bei SWL Mobil grundsätzlich zum 30. Juni statt.
Eine mögliche Umleitung von Buslinien weg von der ÖPNV-Trasse durch den Hafen bzw. insbesondere auch die endgültige Entscheidung hierzu kam zu einem Zeitpunkt auf, an dem die Planungen für den Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2024 bereits abgeschlossen waren. Ohnehin wurde zunächst auf einen Erhalt der bestehenden Trasse hingearbeitet. Die skizzierte Umleitung der Buslinien 30, 34 und 40 über die Ivendorfer Landstraße ist hierbei Fahrplanunkritisch, da sie nicht zu einem Mehrbedarf an Fahrzeugen und Fahrpersonal führt. Sie ist damit vergleichbar mit kleinräumigen Umleitungen bei Baustellen.
Eine Anbindung des Hafenhauses und des Gewerbegebiets Henry-Koch-Straße hingegen kann durch SWL Mobil im Linienverkehr zum Fahrplanwechsel im Dezember 2024 nicht umgesetzt werden. Eine Führung bestehender Linien über das Hafenhaus (als Stichfahrt mit einer Fahrtzeitverlängerung von sieben bis acht Minuten, die auch für durchfahrende Fahrgäste sehr unattraktiv wäre) bzw. eine Verlängerung bestehender Linien zum Hafenhaus (dort endend) hätte jeweils zu einem Mehrbedarf an Fahrzeugen und Fahrpersonal geführt, der organisatorisch in der kurzen Zeit nicht abbildbar wäre. Hierbei wurden trotz der oben aufgeführten generellen Zeitkette alle denkbaren Optionen geprüft. Nach Abwägung muss ganz grundsätzlich festgestellt werden, dass die negativen Auswirkungen der Fahrzeitverlängerung für die Fahrgäste hier insgesamt höher ausfallen als die positiven Auswirkungen durch die Anbindung des Hafenhauses.
Eine erforderliche Übergangslösung zur Anbindung des Hafenhauses muss drei wesentliche Anforderungen erfüllen:
- Möglichst hohe Erschließungsqualität
- Möglichst hohe Kapazitäten (da im Fährverkehr punktuelle und unvorhersehbare Nachfragespitzen auftreten)
- Möglichst niedrige Kosten
Da eine Veränderung an den bestehenden Buslinien zum Fahrplanwechsel im Dezember 2024 wie dargestellt nicht in Frage kommt, ist ein Shuttle-Verkehr die einzige Möglichkeit zur Anbindung. Dieser sollte vom Bahnhaltepunkt Lübeck-Kücknitz ausgehen, da hier gute Umsteigemöglichkeiten sowohl per Bus als auch per Bahn sowohl nach Lübeck als auch Travemünde bestehen. Ein möglicher Fahrplan sieht tagsüber Anfahrten im 30-Minuten-Takt vor, zu den Schwachverkehrszeiten ein stündliches Angebot. Dieses Angebot ergibt sich aus den Schichtwechselzeiten der diversen anliegenden Betriebe sowie den der Fährabfahrts- und ankunftszeiten.
Aufgrund der Tatsache, dass Fahrzeuge und Fahrer:innen wie zuvor ausgeführt bereits vollständig für den kommenden Fahrplan eingeplant sind und auch alle hierfür nötigen betrieblichen Prozesse bereits abgeschlossen sind, konnte in Zusammenarbeit mit SWL Mobil bzw. der LVG letztlich die Lösung entwickelt werden, den Shuttleverkehr (angedacht als neue Linie 36) mit dem Doppeldeckerbus der LVG zu fahren. Dieser fährt eigentlich regulär von April bis Oktober als Stadtrundfahrt, kann allerdings aktuell wegen des Umbaus der Beckergrube in der nächsten Zeit nicht eingesetzt werden. Während in den ersten Einsatzmonaten der neuen Linie 36 diese mit dem vorhandenen Fahrpersonal (Aufbau von Überstunden) gefahren würde, müsste als Anschlusslösung zusätzliches neues Personal eingeworben werden. Die SWL mobil entstehenden Mehrkosten i. H. v. 550.000 bis 600.000 €/p. a. sind vollständig aus Mitteln der Hansestadt Lübeck auszugleichen.
Der Einsatz eines durch die SWL Mobil beauftragten Großraumtaxis wäre mit ca. 530.000 €/p. a. dagegen nur wenig günstiger, verfügt aber zu mehreren Tageszeiten nicht über ausreichende Kapazität. Dies betrifft sowohl die zentralen Schichtwechselzeiten der Betriebe im Hafen sowie im Gewerbegebiet Henry-Koch-Straße als auch die Fährfahrgäste. Die öffentliche Wahrnehmung des Fährstandortes Lübeck könnte Schaden nehmen, wenn größere Reisegruppen wegen eines zu kleinen Linientaxis ihre Fähre verpassen würden. Die Ergebnisse der Preisindikationen liegen darüber hinaus in einem Bereich, in dem durch die SWLL Mobil eine sehr zeitintensive EU-Ausschreibung zur Vergabe dieser verkehre durchgeführt werden müsste.
Die sich durch die Shuttleverkehre ergebenden Mehrkosten müssten durch die Hansestadt Lübeck erbracht werden. Eine Kostenübernahme durch die LHG ergibt sich aus dem bestehenden Gestattungsvertrag nicht.
Mittelfristige Perspektive
Für einen der nächsten Fahrplanwechsel wird dann das Ziel verfolgt, den provisorischen Shuttelverkehr der Linie 36 durch eine dauerhafte Lösung zu ersetzen. Aus dem 5. RNVP ergibt sich der anzustrebende Angebotsstandard zur Anbindung des Hafenhauses und des Gewerbegebietes Henry-Koch-Straße:
- Anbindung im 30-Minuten-Takt Montag-Freitag
- Anbindung im 60-Minuten-Takt Samstag-Sonntag
- Bedienung zu allen Verkehrszeiten
Nach Möglichkeit sollten hierbei alle bisher von den Linien 30 und 40 erfüllten Funktionen erhalten bleiben, insbesondere die Anbindung an die Bahnstrecke Lübeck Hbf – Lübeck-Travemünde Strand. Für Fahrten aus Richtung ZOB/Hauptbahnhof, Innenstadt und Travemünde erscheinen Umstiegslösungen zur Anbindung des Hafenhauses und des Gewerbegebietes Heny-Koch-Straße akzeptabel, wenn diese Umstiege möglichst qualitätsvoll ausgestaltet werden.
Hierbei wäre eine Verlängerung der Linie 33 (zukünftig: Bad Schwartau ZOB – Kücknitz Roter Hahn) von der Haltestelle Roter Hahn aus zur Endhaltestelle Skandinavienkai Terminal eine mögliche Planungsvariante, die vergleichsweise geringe Änderungen und den geringsten Aufwand nach sich ziehen würde. Ähnlich wie bei den Änderungen zum Fahrplanwechsel im Dezember 2024 kann hier geprüft werden, diese Mehrleistung auf der Linie 33 durch Fahrplananpassungen an anderer Stelle (sog. wertschöpfende Umlaufoptimierung) zu ermöglichen.
Es ist jedoch zu konstatieren, dass durch die Linie 33 keine umsteigefreie Anbindung an den Lübecker ZOB/Hauptbahnhof und die Innenstadt oder Travemünde besteht. Umsteigemöglichkeiten zwischen dem Busverkehr aus der Innenstadt oder auch von Travemünde kommend können an verschiedenen Haltestellen realisiert werden, u. a. an der zentralen Haltestelle Solmitzstraße in Kücknitz. Nutzer:innen des RE 8 (Hamburg – Lübeck-Travemünde Strand) können am Bahnhaltepunkt Lübeck-Kücknitz in die Buslinie 33 umsteigen, wobei hier allerdings ein Fußweg von ca. 300 Metern zur Haltestelle Roter Hahn zurückzulegen ist. Alternativ könnte der Umsteigeweg jedoch auch über eine zusätzliche Haltestelle in der Elbingstraße noch verkürzt werden.
Mit einem vergleichbaren Aufwand verbunden wäre auch die Einführung von Stichfahrten zum Hafenhaus auf der Linie 50 (Lübeck ZOB/Hauptbahnhof – Travemünde Dreilingsberg). Diese würden zu einer direkten Anbindung des Hafenhauses an den ZOB/Hauptbahnhof sowie auch an den Stadtteil Travemünde führen. Die Linie 50 würde für durchfahrende Fahrgäste zwischen Lübeck und Travemünde hierdurch allerdings deutlich an Attraktivität verlieren, da sich die Fahrtzeit – wie bereits oben dargestellt – um ca. sieben bis acht Minuten erhöhen würde. Insgesamt wäre die Fahrtzeit zwischen Teutendorfer Weg und der Lübecker Innenstadt mit der Linie 50 dann bis zu 18 Minuten länger als mit den Linien 30 und 40.
Die ihr ursprünglich zugedachte Funktion als Entlastung der stark genutzten Linien 30 und 40 könnte sie dann kaum mehr erfüllen. Der zeitliche Mehrbedarf würde die Nutzung der Linie für andere Fahrgäste deutlich unattraktiver machen, was in einem Zielkonflikt zum Ziel der Hansestadt Lübeck steht, deutlich mehr Fahrgäste im Zuge der Verkehrswende zu gewinnen. Aus diesem Grund wird diese Variante seitens des ÖPNV-Aufgabenträgers nicht weiterverfolgt.
Als dritte Variante denkbar wäre die Einführung zusätzlicher Linienfahrten zwischen Lübeck ZOB/Hauptbahnhof und Skandinavienkai Terminal. Die zusätzlichen Linienfahrten wären dabei auf unterschiedlichen Linienwegen denkbar und könnten entweder bestehende Linien verstärken bzw. verdichten oder auch neue Linienverbindungen etablieren. Hierdurch ergäben sich positive Effekte, insbesondere für den Stadtteil Kücknitz.
Durch die lange Strecke zwischen ZOB/Hauptbahnhof und Skandinavienkai Terminal ergäben sich hier umfangreiche Mehrleistungen und es ist mit einer Steigerung der notwendigen Fahrpersonale und Fahrzeuge und damit auch der Betriebskosten zu rechnen.
Die Betriebskosten sind darüber hinaus abhängig von der konkreten Linienführung und wären ins Verhältnis zu möglichen Fahrgastgewinnen zu setzen (Ermittlung unter Nutzung des Verkehrsmodells). Es wäre mit einer Steigerung der Fahrgastzahlen und damit evtl. auch mit steigenden Fahrgeldeinnahmen zu rechnen. Je nach unterstelltem Linienverlauf könnte die Steigerung der Fahrgastzahlen unterschiedlich stark ausfallen.
Der ÖPNV-Aufgabenträger beabsichtigt zunächst, zu einem der kommenden Fahrplanwechsel eine möglichst schlanke Lösung, voraussichtlich unter Verlängerung der Linie 33, umsetzen. Die Linie 33 würde dann die provisorische Linie 36 ersetzen. Damit würde für das Hafenhaus sowie das Gewerbegebiet Henry-Koch-Straße eine langfristig tragfähige Lösung angeboten. Für die Henry-Koch-Straße kann hierbei eine Haltestelle in der Straße selbst geprüft werden, die die zurückzulegenden Fußwege zu den anliegenden Betrieben reduzieren würde.
Perspektive Anbindung über Bahnhaltepunkt(e)
Im Zuge der Überlegungen der Hansestadt Lübeck zur Einführung einer Regio-S-Bahn wurde bereits über den Vorschlag eines zusätzlichen Haltepunkts in Höhe des Hafenhauses diskutiert.
Einer Realisierung sind jedoch durch fehlende Planungskapazitäten bei der DB InfraGO Grenzen gesetzt. Selbst wenn jetzt durch die NAH.SH ein offizielles Startsignal gegeben würde, bräuchte die DB InfraGO mindestens 5 – 10 Jahre für Planung und Realisierung des Bahnhaltepunkts. Laut NAH.SH wären die Realisierung und der Betrieb eines zusätzlichen Haltepunkts in Höhe des Hafenhauses durch die LHG daher die realistischere, zeitnäher umsetzbare Option. Die LHG sieht hierfür jedoch aktuell keine Perspektive und keine Kapazitäten. Ohnehin könnte eine SPNV-Bedienung eines zusätzlichen Haltepunkts womöglich nur sporadisch erfolgen, da DB Regio aktuell nicht genug Reserven dafür im vorhandenen Fahrplan sieht. Eine Realisierung ist daher auch gekoppelt an einen Ausbau und eine Beschleunigung der Strecke nach Travemünde. Zusätzlich zum Bau eines Bahnsteigs müsste dieser auch mit einer Fußgängerbrücke an das Hafenhaus angeschlossen werden, um den zukünftigen Güterbahnhof Nord zu überbrücken.
Eine Umbenennung des bestehenden Bahnhaltepunkts Lübeck-Travemünde Skandinavienkai (z. B. in Rönnauer Weg) ist zunächst von Seiten der NAH.SH nicht geplant und würde aufgrund komplexer Anpassungen in internen Systemen und Dokumenten der DB einen hohen fünfstelligen bis sechsstelligen Betrag kosten. Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass die Bezeichnung zukünftig irreführend sein wird, da durch Verlegung der Bustrasse die Verknüpfung zum Hafenhaus erschwert wird.
In einer Verlegung der Check-In-Schalter für Fußpassagiere der Fähren zum Nordtor in die Nähe des bestehenden Bahnhaltepunkts Lübeck-Travemünde Skandinavienkai sieht die LHG keine sinnvolle Lösungsperspektive, da die Kosten für ein weiteres Abfertigungsgebäude zu hoch seien, für die Reedereien zusätzliche Kosten für die Abfertigung der Passagiere entstünden und die Zukunft des Skandinavienkais das Südgate sei. Zusätzlich würde es aus Sicht der LHG sehr schwierig sein, von der Designated Authority dafür eine Genehmigung zur erhalten, da das Nordtor keine offizielle Ein- bzw. Ausfahrt ist.
Perspektive zweite Hauptzufahrt für den Kfz-Verkehr
Derzeit wird im Rahmen der Machbarkeitsuntersuchung für eine zweite Ortszufahrt nach Travemünde eine siebte und achte Variante untersucht. Mit Ergebnisse ist Ende des Jahres zu rechnen. Es ist nicht auszuschließen, dass die erforderliche Verlegung der Bustrasse Einfluss auf die Bewertung dieser Varianten haben wird.