Das ehemalige Bundesbankgebäude in Lübeck am Holstentorplatz wurde im Rahmen eines Bieterverfahrens verkauft. Das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein erhielt den Zuschlag. Dem Kauf hat der schleswig-holsteinische Landtag in seiner September-Sitzung zugestimmt.
Im Haushaltsbegleitbeschluss zum Haushalt 2024 der Hansestadt Lübeck (VO/2023/12437‑02-01) hat die Bürgerschaft beschlossen, dass – sofern der Erwerb des Bundesbankgebäudes durch die Hansestadt Lübeck nicht mehr zum Tragen kommt – die dafür im städtischen Haushalt vorgesehenen Mittel in Höhe von 3,6 Mio. Euro der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH zur Verfügung zu stellen sind. Der Betrag soll das Eigenkapital erhöhen, um zusätzlichen Wohnraum in Lübeck zu schaffen (mit überwiegendem Anteil von Wohnungen in den Förderwegen 1 – 3).
Die Grundstücks-Gesellschaft TRAVE würde von einer Kapitalerhöhung profitieren, da die finanzielle Basis gestärkt würde.
Hintergrund
Die Hansestadt Lübeck hält mit 92,5 % die meisten Anteile an der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH (die verbleibenden Anteile befinden sich im Besitz der städtisch verwalteten Stiftung „Lübecker Wohnstifte“). Die TRAVE ist eine etablierte Wohnungsgesellschaft und mit rund 8.600 Wohnungen größte Vermieterin in Lübeck. Bereits seit fast einem Jahrhundert arbeitet sie an der Entwicklung, Vermietung und Verwaltung von Immobilien und trägt so zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum in Lübeck bei.
Derzeit steht die TRAVE vor großen Herausforderungen. Einerseits soll sie gemäß Klimaschutzvorgaben der Hansestadt Lübeck den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen aus dem Bestand bis 2035 um 90 % gegenüber dem Basisjahr 1990 reduzieren. Dafür wurde eine Strategie – der Klimapfad – entwickelt, die am 27.02.2024 im Hauptausschuss vorgestellt wurde. Andererseits verringert die klimaneutrale Umgestaltung der Wohngebäude den Spielraum für den Neubau von Wohnraum, sodass die zusätzlichen Mittel darüber hinaus für die Schaffung von neuen Wohnungen verwendet werden könnten.
Grafik: Bestandsentwicklung der TRAVE
Trotz der jahrelangen umfangreichen Sanierungs- und Neubautätigkeiten besitzt die TRAVE noch immer einen großen Bestand an älteren Wohngebäuden – insbesondere der 1960er Jahre – die eine noch weitgehend baujahrstypische Substanz aufweisen und die den künftigen Anforderungen der Nachfrage an eine moderne Ausstattung und an Energieeffizienz kaum mehr genügen. Die TRAVE unternimmt deshalb auch in den kommenden Jahren erhebliche organisatorische und finanzielle Anstrengungen zur Erneuerung ihres Wohnungsbestandes.
Vorgeschlagene Kapitalerhöhung
Das Stammkapital der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH beträgt derzeit 13.396.962,00 Euro. Der Anteil der Hansestadt Lübeck am Stammkapital entspricht einem Nennwert von 12.392.190,00 Euro. Die Stiftung „Lübecker Wohnstifte“ besitzt 7,5 % der Anteile, die wertmäßig 1.004.772,00 Euro betragen. Beide Gesellschafterinnen haben erklärt, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen. Auf diese Weise bleibt das Anteilsverhältnis gewahrt, und es ergeben sich keine Auswirkungen auf die Verteilung der Stimmrechte.
| | Stammkapital - aktuell | Kapitalerhöhung | Stammkapital - neu |
Grundstücks-Gesellschaft TRAVE | 100% | 13.396.962,00 EUR | 3.891.892,00 EUR | 17.288.854,00 EUR |
Anteil Hansestadt Lübeck | 92,5% | 12.392.190,00 EUR | 3.600.000,00 EUR | 15.992.190,00 EUR |
Anteil Lübecker Wohnstifte | 7,5% | 1.004.772,00 EUR | 291.892,00 EUR | 1.296.664,00 EUR |
Tabelle: Veränderung des Stammkapitals aufgrund der Kapitalerhöhung
Das Stammkapital wird in der Bilanz auf der Passivseite unter dem Eigenkapital ausgewiesen. Die Einlage in das Stammkapital führt zu einer direkten Erhöhung des Eigenkapitals. Da das Eigenkapital ansteigt, wirkt die Einlage auch erhöhend auf die Bilanzsumme, sofern nicht gleichzeitig durch einen Rückgang der Verbindlichkeiten oder anderer Abzüge der Erhöhungseffekt kompensiert wird. Die Kapitalerhöhung erfolgt durch die Einlage von liquiden Mitteln (Geld), was sich kurzfristig positiv auf die Zahlungsfähigkeit der TRAVE auswirken wird.
Unter der Prämisse, dass alle weiteren Positionen des Eigenkapitals unverändert fortbestehen, sieht der Posten Eigenkapital in der Bilanz der TRAVE wie folgt aus:
Position | Eigenkapital im Jahres-abschluss 2023 der TRAVE | Fiktives Eigenkapital nach Kapitalerhöhung |
I. gezeichnetes Kapital (Stammkapital) | 13.396.962,00 EUR | 17.288.854,00 EUR |
II. Kapitalrücklage | ./. | ./. |
III. Gewinnrücklagen | | |
- satzungsmäßige Rücklagen | 5.698.824,00 EUR | 5.698.824,00 EUR |
- andere Gewinnrücklagen | 44.200.000,00 EUR | 44.200.000,00 EUR |
IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag | 1.302.700,00 EUR | 1.302.700,00 EUR |
V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag | 2.975.772,48 EUR | 2.975.772,48 EUR |
A. Eigenkapital | 67.574.290,56 EUR | 71.466.150,48 EUR |
Tabelle: Auswirkung der Kapitalerhöhung auf das Eigenkapital
Auswirkungen der Kapitalerhöhung auf die Ausschüttung
Über die Höhe der Ausschüttung wird bei der TRAVE jährlich entschieden. Im Gesellschafts-vertrag der TRAVE ist vorgesehen: „Der ausgeschüttete Gewinnanteil darf 6 % der Einzahlungen der Gesellschafterinnen auf die Stammeinlage [= gezeichnetes Kapital, Stammkapital] nicht übersteigen.“ (§ 16 Abs. 6 Gesellschaftsvertrag). Die Gewinnausschüttung ist also auf maximal 6 % des Stammkapitals (derzeit noch 13.396.962,00 EUR, s. o.) begrenzt, kann aber auch geringer ausfallen. In den vergangenen zehn Jahren wurden – wenn ausgeschüttet wurde – die vollen 6 % auf das Stammkapital ausgeschüttet. Die Hansestadt Lübeck hat auf diese Weise in den Jahren 2014 – 2016 jährlich 502 TEUR erhalten und erhält seit 2022 (dem Ende eines zwischenzeitigen Ausschüttungsverzichts) 626 TEUR nach Steuern jährlich als Beitrag für den städtischen Haushalt.
Sowohl die Stiftungsaufsichtsbehörde als auch die Kommunalaufsichtsbehörde (beide: Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein) haben sich zum Thema Ausschüttungen der TRAVE an die Gesellschafterinnen in der Vergangenheit geäußert:
Aus dem Schreiben an die Stiftung Lübecker Wohnstifte:
„Ohne die Bareinlage der Stiftung würde sich das Anteilsverhältnis zwischen den Gesellschaftern Hansestadt Lübeck (92,5 %) und der Stiftung (7,5 %) zum Nachteil der Stiftung verschieben, insbesondere durch die im gleichen Verhältnis geminderten Dividendenzahlungen an die Stiftung.
Aus stiftungsrechtlicher Sicht werden gegen die Maßnahme keine Bedenken erhoben, denn sie dient dem Erhalt des Beteiligungsverhältnisses der Stiftung an der Trave GmbH und damit ihrem Anteil an einer Gewinnausschüttung. Nach Ihren Ausführungen rechnet die Stiftung nach Einlage der genannten Barmittel in das Stammkapital der Trave GmbH bei einem maximal zulässigen Ausschüttungsbetrag von 6% mit einer möglichen jährlichen Dividende in Höhe von z. Zt. 60.286,32 (bei einem gezeichneten Kapital in Höhe von 1.004.772 €). In diesem Zusammenhang ist es aus stiftungsrechtlicher Sicht auch ausdrücklich zu begrüßen, dass die für die Wirtschaftsjahre 2017 bis 2020 ausgesetzten Dividendenzahlungen der Trave GmbH nunmehr wieder aufgenommen werden und ab dem Geschäftsjahr 2021 Dividenden wieder gezahlt werden.“[1]
Aus dem Schreiben an die Hansestadt Lübeck:
Die Kommunalaufsicht im Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein begrüßt im Haushaltserlass 2022, „dass die Hansestadt Lübeck im Rahmen des Konsolidierungsvertrages als weitere Konsolidierungsmaßnahme den Ausschüttungsverzicht der Grundstücks-Gesellschaft Trave mbH ab 2022 aufhebt.“[2]
Gemäß dem Stiftungsgesetz Schleswig-Holstein sind Stiftungen verpflichtet, ihr Vermögen so anzulegen, dass sie eine angemessene Rendite erwirtschaften. Dies bedeutet, dass Stiftungen bei der Kapitalanlage auf eine ausgewogene Mischung aus Sicherheit, Liquidität und Rendite achten sollen. Ziel ist es, langfristig den Stiftungszweck zu fördern und finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Dabei müssen die Anlagen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Risikostreuung entsprechen, wie sie im Stiftungsgesetz festgelegt sind. Die Stiftung Lübecker Wohnstifte hat nahezu ihr gesamtes Stiftungsvermögen in Anteile an der TRAVE investiert. Sie ist auf Ausschüttungen auf ihr Stammkapital angewiesen, um mit diesen Einnahmen ihren Stiftungszweck zu erfüllen. Würde die Gesellschafterin Hansestadt Lübeck mit ihrer Mehrheit einen Ausschüttungsverzicht bei der TRAVE durchsetzen und die Stiftung Lübecker Wohnstifte keine Einnahmen mehr aus ihrer Beteiligung generieren, könnte sie ihren Stiftungszweck nicht mehr verwirklichen. Da die Hansestadt Lübeck die Stiftung treuhänderisch verwaltet, kann sie so nicht handeln.
Eigenkapitalquote im Vergleich zur Branche
Die Jahresüberschüsse der TRAVE lagen in der Vergangenheit deutlich über der Ausschüttung. Die darüber hinaus gehenden Beträge (nach Abzug der Ausschüttung) wurden regelmäßig in die Gewinnrücklage eingestellt („thesauriert“). Auf diese Weise konnte das Eigenkapital sukzessive erhöht und die Eigenkapitalquote langsam aber stetig gesteigert werden. Im Vergleich zu den Wohnungsunternehmen, die im VNW (Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen) organisiert sind, liegt die Eigenkapitalquote dennoch weiterhin deutlich darunter. Der VNW ermittelt jährlich in einem Betriebsvergleich Kennzahlen als Vergleichsgrößen seiner Mitgliedsunternehmen.
EK-Quote | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 |
TRAVE | 15,6 | 15,7 | 16,3 | 17,1 | 16,8 |
VNW-Unternehmen | 29,2 | 28,8 | 29,4 | 29,4 | 29,0 |
Tabelle: Vergleich der Eigenkapitalquoten
Die Eigenkapitalerhöhung bietet der TRAVE somit mehr Spielraum, um – wie bereits erwähnt – in Wachstum und Erneuerung zu investieren. Zudem ergeben sich finanzielle Vorteile, da Banken und Kreditgeber Unternehmen mit höheren Eigenkapitalquoten in der Regel als weniger riskant einstufen. Als Folge daraus könnten sich bessere Kondition bei der Kreditvergabe ergeben. Die Finanzierungsmöglichkeiten der TRAVE und somit ihre Fähigkeit Wohnraum zu schaffen, wird insgesamt gestärkt. (Für eine ausführlichere Erläuterung s. den Bericht VO/2024/13217 Optionen zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH.)
Fazit
Die Hansestadt Lübeck wird sich dafür einsetzen, dass die TRAVE die zusätzlich zur Verfügung stehenden 3,9 Mio. Euro (3,6 Mio. Euro Hansestadt Lübeck, 0,3 Mio. Euro Lübecker Wohnstifte) für den Neubau von Wohnungen nach den Förderwegen 1 – 3 nutzt. Aufgrund der im Vergleich zu den entstehenden Baukosten eher geringen Summe und der aktuellen Situation in der Baubranche können die Mittel nicht direkt einem bestimmten Projekt zugeordnet werden, sondern werden die Finanzierung des Wohnungsbaus insgesamt stärken.
Die Stärkung des Eigenkapitals der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE ist eine wertvolle Maßnahme, um den Wohnungsbestand der Gesellschaft mittelfristig (bis 2030) weiter auszubauen. Die TRAVE erhält so Unterstützung bei ihrem Auftrag, einen Beitrag zur dauerhaften Versorgung der Lübecker Bevölkerung mit bezahlbaren Wohnungen sowie zur städtebaulichen und sozialen Entwicklung der Lübecker Wohnquartiere zu leisten. Des Weiteren bietet die Einlage in das Stammkapital die Möglichkeit für die Gesellschafterinnen auch zukünftig von Ausschüttungen zu profitieren.