Vorlage - VO/2024/13217  

Betreff: Optionen zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Jan Lindenau
Federführend:1.201 - Haushalt und Steuerung Bearbeiter/-in: Peuckert, Christian
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
25.06.2024 
17. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
27.06.2024 
9. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck in der Wahlperiode 2023 - 2028      

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag


Der Bürgermeister wurde im Haushaltsbegleitbeschluss 2024 aufgefordert, in einem Konzept gemeinsam mit der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH (TRAVE) aufzuzeigen, wie durch eine sukzessiv erhöhte Eigenkapitalausstattung in den kommenden Jahren der Wohnungsbau der TRAVE gesteigert werden kann. Dabei ist auch die Schaffung von Wohnraum für Student:innen und Auszubildende zu berücksichtigen.


Begründung

1. Wohnungsmarkt in Lübeck

Im Wohnungsmarktbericht 2022[1] wird von einer hohen Nachfrage nach Wohnungen in Lübeck ausgegangen. Neben der abnehmenden Zahl an Umzügen innerhalb der Hansestadt Lübeck sind die für die Neuvermietung relevanten durchschnittlichen Angebotsmieten (2022: 10,27 EUR/m², 2020: 8,58 EUR/m²) deutlich angestiegen. Dies wird als Indiz für nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehenden Wohnraum gesehen. Ein weiteres Anzeichen für steigende Mietpreise aufgrund knappen Angebots und größerer Nachfrage liefern die Bestandsmieten (2022: 6,59 EUR/m², 2020: 6,29 EUR/m²). Sie liegen durchschnittlich erheblich unter den Angebotsmieten. Der Indikator Leerstandsquote, der sich mit 0,6 % bei den lokalen Wohnungsunternehmen im Jahr 2022 auf einem konstant niedrigen Niveau befindet (2020: 0,8 %) bestätigt diese Situation. Zudem deutet die geringe Leerstandsquote und die abnehmende Anzahl an Umzügen innerhalb der Hansestadt Lübeck auf eine geringe Fluktuationsreserve auf dem gesamten Lübecker Wohnungsmarkt hin.

 

Neben der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH tragen insbesondere die regional tätigen NEUE LÜBECKER Norddeutsche Baugenossenschaft eG, der Lübecker Bauverein eG und die Vereinigte Baugenossenschaften Lübeck eG mit ihren führenden Positionen maßgeblich zur Wohnraumversorgung einschließlich der Versorgung mit Sozialwohnungen in Lübeck bei. Darüber hinaus stellen überregional tätige Wohnungsunternehmen (bspw. VONOVIA) einerseits sowie kleine lokal tätige Unternehmen andererseits ebenfalls Wohnraum zur Verfügung.

 

Die Wohnungsbaugesellschaften haben mit rd. 600 fertiggestellten Wohnungen pro Jahr im Zeitraum 2019 bis 2021 den Großteil (rd. 75 %) der neugebauten Wohnungen errichtet. Rund 200 Wohnungen wurden in den letzten Jahren durch private Bauherr:innen erstellt. Aufgrund der sich ändernden Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft kann momentan der Anspannung auf dem Wohnungsmarkt durch Neubautätigkeit nicht ausreichend entgegengewirkt werden.

 

Aktuell lässt sich ein Gesamtbedarf von rund 6.500 zusätzlichen Wohneinheiten bis in das Jahr 2040 ermitteln. Der Gesamtbedarf setzt sich zusammen aus dem Zusatzbedarf von 5.300 Wohneinheiten, der sich aus der städtischen Haushaltsprognose ableiten lässt, und einer Mobilitätreserve von 1.200 Wohneinheiten. Die Mobilitätsreserve (Fluktuationsreserve) ist für einen funktionierenden Wohnungsmarkt entscheidend, insbesondere zur Realisierung von Umzugsketten. Der flächenrelevante Bedarf an zusätzlichen Wohneinheiten umfasst ausschließlich den Zusatzbedarf und die Mobilitätsreserve, da davon auszugehen ist, dass der Ersatzbedarf auch zukünftig durch Maßnahmen der Innenentwicklung kompensiert wird.[2]

 

Daher, so die Überlegungen im Wohnungsmarktbericht, sollte eine kurzfristige Erhöhung der Mobilitätsreserve um rd. 1% (bzw. 1.200 WE) in Bezug auf den Gesamtbestand aller Wohneinheiten angestrebt werden.

 

Bedarf

2020 bis 2040

pro Jahr

 

Zusatzbedarf

rd. 5.300 WE

rd. 265 WE

kontinuierlich

Ersatzbedarf

rd. 4.000 WE

rd. 200 WE

kontinuierlich

Mobilitätsreserve

rd. 1.200 WE

rd. 60 WE

glichst kurzfristig

Gesamtbedarf

rd. 10.500 WE

min. 525 WE

 

Tabelle gemäß Wohnungsmarktbericht 2022, S. 24.

 

Um den Gesamtbedarf an zusätzlichen Wohneinheiten zu befriedigen, müssen mindestens rd. 600 WE pro Jahr fertiggestellt werden. Oder anderenfalls so modernisiert werden, dass sie dem Wohnungsmarkt nicht verloren gehen oder ihm wieder zugeführt werden.

 

 

2. Die TRAVE

2.1 Wohnungsbestand der TRAVE

Die Hansestadt Lübeck lt mit 92,5 % die meisten Anteile an der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH (die verbleibenden Anteile befinden sich im Besitz der städtisch verwalteten Stiftung „becker Wohnstifte“). Die TRAVE ist eine etablierte Wohnungsgesellschaft und mit rund 8.600 Wohnungen größter Vermieter in Lübeck. Bereits seit fast einem Jahrhundert arbeitet sie an der Entwicklung, Vermietung und Verwaltung von Immobilien und trägt so zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum in Lübeck bei.

 

Derzeit steht die TRAVE vor großen Herausforderungen. Einerseits soll sie gemäß Klimaschutzvorgaben der Hansestadt Lübeck den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen aus dem Bestand bis 2035 um 90 % gegenüber dem Basisjahr 1990 reduzieren. Dafür wurde eine Strategie der Klimapfad entwickelt, die am 27.02.2024 im Hauptausschuss vorgestellt wurde. Andererseits verringert die klimaneutrale Umgestaltung der Wohngebäude den Spielraum für den Neubau von Wohnraum.

 

Der Bestand an geförderten Wohnungen beträgt in Lübeck laut dem Wohnungsmarktbericht 2022 lediglich 7.646 geförderte Wohnungen. Von diesen werden bis 2030 voraussichtlich rd. 3.065 Wohnungen aus der Belegungsbindung fallen.[3] Die Wohnraumförderung des Landes für den Mietwohnungsbau wird aktuell sehr stark nachgefragt. Seit dem 17. Januar 2024 werden keine neuen Förderanträge bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) entgegengenommen. Alle Fördermittel des Jahres 2024 sind bereits in konkreten Wohnungsbauprojekten gebunden. Förderanfragen für Fördermittel aus dem Programmjahr 2025 können wieder ab 1. September 2024 gestellt werden.[4]

 

Die TRAVE hat in den vergangenen zehn Jahren mit ihren hrlichen Wohnungsbau-programmen zur Steigerung von Wohnraum in Lübeck beigetragen. Das Programm umfasst den Bau neuer Wohnungen sowie die Sanierung und Modernisierung bestehender Gebäude. Es trägt auf diese Weise dazu bei, die Wohnungsversorgung zu verbessern und den steigenden Bedarf an Wohnraum zu decken. Mit dem Programm wird insbesondere der soziale Wohnungsbau gefördert. Mit 2.735 geförderten Wohnungen[5] besitzt die TRAVE nach absoluten Zahlen im Jahr 2023 den größten Bestand in Lübeck. Dies entspricht einer Quote von 32,1 %.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Trotz der jahrelangen umfangreichen Sanierungs- und Neubautätigkeiten besitzt die TRAVE noch immer einen großen Bestand an älteren Wohngebäuden insbesondere der 1960er Jahre die eine noch weitgehend baujahrstypische Substanz aufweisen und die den künftigen Anforderungen der Nachfrage an eine moderne Ausstattung und an Energieeffizienz kaum mehr genügen. Die TRAVE unternimmt deshalb auch in den kommenden Jahren erhebliche organisatorische und finanzielle Anstrengungen zur Erneuerung ihres Wohnungsbestandes.

 

2.2. Eigenkapitalsituation der TRAVE

a) Charakter von Eigenkapital

Eigenkapital ist jener Teil des gesamten Kapitals eines Unternehmens, der weder Fremdkapital noch Rechnungsabgrenzungsposten darstellt. Es wird in der Bilanz auf der Passivseite ausgewiesen und stellt die finanzielle Basis eines Unternehmens dar. Das Eigenkapital umfasst die finanziellen Beträge, die die Gesellschafter:innen in das Unternehmen investiert haben, sowie diejenigen, die durch entstandene Gewinne gebildet wurden.

 

Das Eigenkapital setzt sich in der Regel aus folgenden Positionen zusammen:

Position

Jahresabschluss 2023 der TRAVE

I. gezeichnetes Kapital (Stammkapital)

13.396.962‬,00 EUR

II. Kapitalrücklage

./.

III. Gewinnrücklagen

 

     - satzungsmäßige Rücklagen

5.698.824,00 EUR

     - andere Gewinnrücklagen

44.200.000,00 EUR

IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag

1.302.700,00 EUR

V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag

2.975.772,48 EUR

 

67.574.290,56 EUR

 

Eigenkapital ist langfristig und hat (anders als etwa Darlehen) grundsätzlich kein festes Fälligkeitsdatum, sondern bleibt grundsätzlich im Unternehmen, solange das Unternehmen besteht. In wirtschaftlicher Hinsicht trägt Eigenkapital das höchste Risiko im Falle eines Unternehmensausfalls. Bei Insolvenz wird das Eigenkapital zuletzt bedient, nachdem alle anderen Verbindlichkeiten beglichen wurden.

 

Eigenkapitalgeber:innen haben in der Regel mit Ausnahmen ein Mitspracherecht bei Unternehmensentscheidungen.

 

In guten Zeiten erwirtschaftet Eigenkapital einen Gewinnanspruch, der an die Eigentümer:innen (= Gesellschafter:innen) ausgeschüttet werden kann. Der Anspruch auf Rendite aus Eigenkapital ist variabel und abhängig von den Unternehmensgewinnen.

 

Über die Höhe der Ausschüttung wird bei der TRAVE jährlich entschieden. Im Gesellschaftsvertrag der TRAVE ist vorgesehen: „Der ausgeschüttete Gewinnanteil darf 6 % der Einzahlungen der Gesellschafterinnen auf die Stammeinlage [= gezeichnetes Kapital, Stammkapital] nicht übersteigen. 16 Abs. 6 Gesellschaftsvertrag). Die Gewinnaus-schüttung ist also auf maximal 6 % des Stammkapitals (derzeit 13.396.962‬,00 EUR, s. o.) begrenzt, kann aber auch geringer ausfallen. In den vergangenen zehn Jahren wurden wenn ausgeschüttet wurde die vollen 6 % auf das Stammkapital ausgeschüttet. Die Hansestadt Lübeck hat auf diese Weise in den Jahren 2014 2016 jährlich 502 TEUR erhalten und erhält seit 2022 (dem Ende des Ausschüttungsverzichts) 626 TEUR nach Steuern jährlich als Beitrag für den städtischen Haushalt.

 

Die Jahresüberschüsse der TRAVE lagen in diesem Zeitraum deutlich über der Ausschüttung. Die übrig gebliebenen Beträge (nach Abzug der Ausschüttung) wurden in die Gewinnrücklage eingestellt („thesauriert“). Auf diese Weise konnte das Eigenkapital sukzessive erhöht und die Eigenkapitalquote langsam aber stetig gesteigert werden.

 

Ein Ausschüttungsverzicht wie im Zeitraum 2017 2021 wäre auch heutzutage denkbar. Allerdings ist davon abzuraten (siehe auch unter Abschnitt 3 a) dieses Berichts). Für die Stiftung Lübecker Wohnstifte stellt die Dividendenausschüttung der TRAVE mit 60 TEUR bei 6 % Verzinsung die einzig große Einnahme dar, um ihren Stiftungszweck zu erfüllen. Dies wäre ohne Ausschüttung so nicht möglich.

 

r die Hansestadt Lübeck ist insoweit § 107 Gemeindeordnung relevant: „Wirtschaftliche Unternehmen und Gesellschaften sind so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfüllt wird. Sie sollen für die technische und wirtschaftliche Entwicklung notwendige Rücklagen aus dem Jahresgewinn bilden und mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaften.“ Die TRAVE ist ein wirtschaftliches Unternehmen i. S. des Kommunalrechts.

 

Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die TRAVE überlebensfähig ist und über die erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt. Die Bildung von Rücklagen soll im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung sicherstellen, dass die TRAVE auch während konjunktureller Schwächephasen keine finanzielle Unterstützung der Gesellschafterinnen benötigt. Da mindestens eine marktübliche Verzinsung des von den Gesellschafterinnen eingesetzten Kapitals gefordert wird, hat die Geschäftsführung regelmäßig den Kapitalmarkt zu beobachten, um sich ein Bild über eine angemessene Rendite zu machen. Gewinnausschüttungen sind im Rahmen der Regelungen im Gesellschaftsvertrag zu leisten.

 

Die Eigenkapitalquote (Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme) ist eine Kennzahl unter anderen, die für die Einschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft relevant sind. Die im Vergleich zu Wettbewerbern niedrige Eigenkapitalquote der TRAVE liegt zum einen in der Historie der TRAVE, zum anderen in der hohen Investitionstätigkeit der letzten Jahre begründet. Die über die vergangenen zehn Jahre langsam stetig wachsende Eigenkapitalquote resultiert aus den drei durchgeführten Stammkapitalerhöhungen sowie den regelmäßig in die Gewinnrücklage eingestellten Beträgen (s. u. unter 3.b die Darstellung cklagenentwicklung der TRAVE). Die TRAVE wird 2023 erstmals eine Bilanzsumme von über 400 Mio. Euro ausweisen.

 

Die Eigenkapitalquote der TRAVE hat sich in den letzten 10 Jahren wie folgt entwickelt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erläuterungen:

 

        2015 wurde das Stammkapital der Gesellschaft um 636.364 Euro erhöht Einlage des städtischen Grundstücks Festwiesenweg und Bareinlage der Stiftung Lübecker Wohnstifte.

 

        2017: Tauschgeschäft „Standesamt Ratzeburger Allee gegen Baugrundstück Strandweg“ ohne Einfluss auf die Eigenkapitalquote. Der Anstieg in diesem Jahr ist durch den Jahresüberschuss von über 4 Mio. € (Verkäufe Mehrfamilienhaus Kücknitzer Hauptstraße 32+34 und Grundstück Pinassenweg) begründet.

 

        2022 wurde das Stammkapital der Gesellschaft um 2.660.600 Euro erhöht Einlage der städtischen Grundstücke Elbingstraße 15 und Schönböckener Str. 55 a und Bareinlage der Stiftung Lübecker Wohnstifte)

 

        Der Ausschüttungsverzicht im Zeitraum von 2017 2020 hat nicht zu einer signifikanten Steigerung der Eigenkapitalquote bei der TRAVE geführt.

 

Mit einer Eigenkapitalquote von rd. 17 % liegt die TRAVE am unteren Ende einer Spanne, die vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.Vhrlich unter seinen Mitgliedsunternehmen zu Vergleichszwecken erhoben wird. Im Jahr 2022 betrug die durchschnittliche Eigenkapitalquote der einbezogenen Kapitalgesellschaften 23,2 %.

 

b) Stärkung des Eigenkapitals mit dem Ziel, mehr Wohnraum zu schaffen

Das Eigenkapital der TRAVE zu stärken, ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll. Es stellt eine langfristige und stabile Finanzierungsquelle dar und stärkt so nicht nur die Kreditwürdigkeit der TRAVE, sondern ebenso die finanzielle Robustheit. Es llt leichter, langfristige Investitionen zu tätigen und Wachstumspläne umzusetzen, da es als Sicherheit dienen kann, um Kredite für die notwendigen Investitionen zu erhalten. Banken und andere Finanzinstitute sind zudem eher bereit, Kredite zu günstigen Konditionen zu gewähren, was die Finanzierung von neuen Bauprojekten erleichtert.

 

Im Gegensatz zu Darlehen braucht Eigenkapital nicht zurückgezahlt zu werden. Es verringert also die Abhängigkeit von externen Finanzierungsquellen, sodass schneller und flexibler auf Marktchancen reagiert werden kann.

 

Die Ausstattung der TRAVE mit finanziellen Mitteln zur Schaffung von zusätzlichen, über die bisherige Planung hinausgehenden Wohnraum kann auf verschiedene Weisen erfolgen.

 

Die TRAVE hat Maßnahmen geprüft und bewertet, die von der Gesellschaft selbst zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung angestoßen werden könnten. Die Maßnahmen wirken sich auf die Aufwendungen und Erträge aus, die in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden und so das Jahresergebnis beeinflussen. Über das Jahresergebnis entfalten sie Wirkung auf das Eigenkapital.

 

-          Reduktion der Neubau- und Investitionstätigkeit

(Einschätzung TRAVE; nicht geeignet)

Es soll das Gegenteil, nämlich mehr Wohnungsbau, erreicht werden

 

-          Reduktion der Instandhaltungsausgaben

(Einschätzung TRAVE; bedingt geeignet)

 

-          Erhöhung der Einnahmen durch „marktgerechtere“ Mietanpassungen

(Einschätzung TRAVE; bedingt geeignet)

 

-          Erhöhung der Einnahmen durch höheres Betreuungsentgelt Fremdverwaltung

(Einschätzung TRAVE; bedingt geeignet)

 

-          Portfoliobereinigung durch gezielte Verkäufe

(Einschätzung TRAVE; geeignet)

Damit gemeint sind insbesondere punktuelle Verkäufe aus dem TRAVE-Bestands-portfolio von nicht mehr ins Portfolio passenden Objekten. Die Investitionsfähigkeit kann so eigenständig gesteigert werden.

 

-          Erschließen zusätzlicher Geschäftsfelder (z. B. Baubetreuung, Maklertätigkeit)

(Einschätzung TRAVE; bedingt geeignet)

 

Sofern grundsätzlich geeignete Maßnahmen identifiziert wurden, ist es Aufgabe der Geschäftsführung, daraus konkrete Handlungspfade abzuleiten.

 

Davon zu unterscheiden sind Maßnahmen, die aufgrund des Handelns Externer erreicht werden könnten. Diese Maßnahmen wirken sich unmittelbar auf das Eigenkapital in der Bilanz der TRAVE aus. Sie können dazu beitragen, die Eigenkapitalquote zu erhöhen und so die Kreditfähigkeit zu verbessern.

 

-          (Befristeter) Ausschüttungsverzicht

(Einschätzung TRAVE; geeignet)

Befristeter Ausschüttungsverzicht oder Reduktion der Höhe der Ausschüttung (z. B. Verzicht über 4 Jahre x 800.000 Euro zusätzliche Liquidität: ca. 3,2. Mio. Euro)

 

-          Stammeinlagenerhöhung mittels:

  • Bareinlage (Einschätzung TRAVE; bedingt geeignet)
  • Sacheinlage (Einschätzung TRAVE; nicht geeignet, liquide Mittel zu steigern)

Einlagen der Gesellschafterinnen (z. B. über 4 Jahre jeweils 3 Mio. Euro zusätzliche Liquidität über den Zeitraum: ca. 12 Mio. Euro), z. B. 2024 freie Mittel bei Nichtankauf des Gebäudes Bundesbank.

 

-          cklagen lt. Gesellschaftsvertrag § 16 Abs. 7

Aus dem Jahresüberschuss (ggf. abzüglich eines Verlustvortrags) ist bei Aufstellung der Bilanz eine Rücklage zu bilden. In diese sind mindestens 10 % des Jahresergebnisses einzustellen, bis die Hälfte der Höhe des Stammkapitals erreicht oder wieder erreicht ist. (verpflichtend)

 

-          Andere Rücklagen lt. Gesellschaftsvertrag § 16 Abs. 8 oder Genussrechte

(Einschätzung TRAVE; geeignet)

Erhöhung anderer Gewinnrücklagen / Einräumung von Genussrechten

 

-          Aufnahme weiterer Gesellschafter:innen

(Einschätzung TRAVE; bedingt geeignet)

 

Weitere finanzielle Mittel sind für zusätzliche Investitionen in Bauvorhaben, insbesondere den sozialen Wohnungsbau und Infrastruktur notwendig.

 

Die TRAVE steht dabei vor der Herausforderung die knappen Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Bis zum Jahr 2040 muss ein nicht unerheblicher Teil des Wohnungsbestandes dringend saniert werden. Dies stellt eine enorme finanzielle Herausforderung für die TRAVE dar. Zudem sind die Wirtschaftlichkeit und auch künftig bezahlbare Mieten bei diesem Vorhaben in Einklang zu bringen. Vor dem Hintergrund, dass die Hansestadt Lübeck anstrebt die eigenen Klimaneutralität bereits bis 2035 herzustellen, fließen beträchtliche Ressourcen an Zeit, Material und Kapital in diese Planung und Umsetzung.

 

Alternativ zu zusätzlichen Wohnungsneubauten könnte mit den bereitgestellten Mitteln die energetische Sanierung einer größeren Zahl von bestehenden Wohnungen vorgezogen werden (bei Einlage von rund 3 Mio. Euro jährlich bis 2030 wäre die TRAVE in der Lage zusätzlich ca. 250 Wohnungen zu sanieren), um das Klimaneutralitätsziel früher als bisher geplant, zu erreichen.

 

 

c) Mögliche Szenarien zur Schaffung von Wohnraum

Die TRAVE hat verschiedene Szenarien von Mittelzuflüssen ins Eigenkapital (gelb unterlegt) durchgerechnet und in der folgenden Tabelle die möglichen Auswirkungen aufgezeigt. In den Spalten wird dargestellt, in welcher Größenordnung Investitionen getätigt werden können und in welcher Höhe Ausschüttungen an die Geldgeber (zum jeweiligen Zinssatz) pro Jahr und über den „Lebenszyklus“ erfolgen. Es endet mit den Kosten für Neubauten und wie viel Wohnraum mit der Bereitstellung der zusätzlichen Mittel hrlich bis ca. 2030 geschaffen werden nnte.

 

 

Bei Kumulation der genannten Maßnahmen wäre abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Erhöhung des Eigenkapitals bzw. der liquiden Mittel der zusätzliche Neubau von ca. 120 bis 220 Wohnungen bis 2030 möglich. Bedingung: Die Neubauvorhaben müssen für sich rentierlich sein, um nicht den wirtschaftlichen Erfolg der TRAVE und damit die Investitionsfähigkeit in den künftigen Jahren zu belasten.

 

Aus den Zahlen wird deutlich, dass die TRAVE allein die laut Wohnungsmarktbericht perspektivisch fehlende Anzahl Wohnungen nicht wird bereitstellen können. Diese Erwartung besteht auch nicht, da die TRAVE eine Anbieterin unter vielen in Lübeck ist (s. Abschnitt 1. Wohnungsmarkt in Lübeck). Sofern die Hansestadt Lübeck wohnungsmarktpolitisch steuern will, sollte der Blick nicht ausschließlich auf die TRAVE gerichtet sein.

 

3. Herausforderungen für die Gesellschafterinnen

Die Gesellschafterinnen der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH sind die Hansestadt Lübeck (92,5 %) und die Stiftung Lübecker Wohnstifte (7,5 %). Sie haben das Stammkapital eingezahlt, das Teil des Eigenkapitals ist und auf das die Haftung der Gesellschafterinnen für die Verbindlichkeiten der TRAVE gegenüber den Gläubiger:innen beschränkt ist. Der von den Gesellschafterinnen gehaltene Anteil am Stammkapital regelt den Anspruch auf Stimmrechte, Gewinnausschüttung und im theoretischen Fall einer Abwicklung der Gesellschaft auch auf den Liquidationserlös.

 

a) Einlagen in das Stammkapital

Bei Einlagen in das Stammkapital kann das Anteilsverhältnis gewahrt werden, wenn Einlagen von beiden Gesellschafterinnen im gleichen Verhältnis wie die Beteiligung am Stammkapital erfolgt. Möchte eine Gesellschafterin, z. B. die Hansestadt Lübeck, ihre Stammkapitaleinlage und damit das Eigenkapital erhöhen, wäre stets zu prüfen, ob die Stiftung Lübecker Wohnstifte ebenfalls ihre Einlage entsprechend aufstocken kann. Sollte die Stiftung sich nicht beteiligen, käme es zu einer „Verwässerung“ ihrer Anteile, d. h. der Anteil der Hansestadt Lübeck am Stammkapital würde sich auf über 92,5 % erhöhen, und der Anteil der Stiftung fiele auf unter 7,5 %.

 

Diese „Verwässerung“rde zu steuerlichen Auswirkungen führen, sobald die Anteile der Gesellschafterin Hansestadt Lübeck die sogenannte „95-%-Grenze“ durchbrechen würden. In diesem Fall wäre Grunderwerbsteuer in Höhe von 6,5 % auf das Immobilienvermögen der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE fällig. Steuerschuldnerin wäre die Hansestadt Lübeck. Allein anhand der Buchwerte würde sich eine geschätzte Belastung des städtischen Haushalts von ca. 26 Mio. Euro (Anlagevermögen: rd. 400.000.000 Mio. Euro × 6,5% = 26.000.000 Euro) ergeben. Die tatsächliche Steuerlast dürfte erfahrungsgemäß deutlich höher liegen.

 

Aus diesem Grund lautet die Empfehlung, von einer größeren Einlage ins Stammkapital abzusehen, solange die Stiftung Lübecker Wohnstifte nicht ebenfalls Einzahlungen leistet.

 

Eine Einlage ins Stammkapital hätte weitere Auswirkungen. Sie könnte in den folgenden Geschäftsjahren mittelbar die Liquidität der TRAVE belasten. Das zusätzliche Kapital steht der Gesellschaft nicht kostenlos zur Verfügung. Die TRAVE leistet grundsätzlich Ausschüttungen aus ihrem jeweiligen Jahresüberschuss an die beiden Gesellschafterinnen. In Form dieser Ausschüttung fließt Liquidität aus der TRAVE ab und steht somit nicht für Investitionen zur Verfügung. Die Höhe der Ausschüttung kann zwar unterschiedlich bestimmt werden.[6] Weder die Hansestadt Lübeck noch die Stiftung Lübecker Wohnstifte kann aber voraussetzungslos auf eine Ausschüttung verzichten:

 

Sowohl die Stiftungsaufsichtsbehörde als auch die Kommunalaufsichtsbehörde (beide: Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des Landes Schleswig-Holstein) haben sich zum Thema Ausschüttungen der TRAVE an die Gesellschafterinnen geäert:

 

Aus dem Schreiben an die Stiftung Lübecker Wohnstifte:

Ohne die Bareinlage der Stiftung würde sich das Anteilsverhältnis zwischen den Gesellschaftern Hansestadt Lübeck (92,5 %) und der Stiftung (7,5 %) zum Nachteil der Stiftung verschieben, insbesondere durch die im gleichen Verhältnis geminderten Dividendenzahlungen an die Stiftung.

Aus stiftungsrechtlicher Sicht werden gegen die Maßnahme keine Bedenken erhoben, denn sie dient dem Erhalt des Beteiligungsverhältnisses der Stiftung an der Trave GmbH und damit ihrem Anteil an einer Gewinnausschüttung. Nach Ihren Ausführungen rechnet die Stiftung nach Einlage der genannten Barmittel in das Stammkapital der Trave GmbH bei einem maximal zulässigen Ausschüttungsbetrag von 6% mit einer möglichen jährlichen Dividende in Höhe von z. Zt. 60.286,32 (bei einem gezeichneten Kapital in Höhe von 1.004.772 €). In diesem Zusammenhang ist es aus stiftungsrechtlicher Sicht auch ausdrücklich zu begrüßen, dass die für die Wirtschaftsjahre 2017 bis 2020 ausgesetzten Dividendenzahlungen der Trave GmbH nunmehr wieder aufgenommen werden und ab dem Geschäftsjahr 2021 Dividenden wieder gezahlt werden.[7]

 

Aus dem Schreiben an die Hansestadt Lübeck:

Die Kommunalaufsicht im Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein begrüßt im Haushaltserlass 2022, dass die Hansestadt Lübeck im Rahmen des Konsolidierungsvertrages als weitere Konsolidierungsmaßnahme den Ausschüttungsverzicht der Grundstücks-Gesellschaft Trave mbH ab 2022 aufhebt.[8]

 

Gemäß dem Stiftungsgesetz Schleswig-Holstein sind Stiftungen verpflichtet, ihr Vermögen so anzulegen, dass sie eine angemessene Rendite erwirtschaften. Dies bedeutet, dass Stiftungen bei der Kapitalanlage auf eine ausgewogene Mischung aus Sicherheit, Liquidität und Rendite achten sollen. Ziel ist es, langfristig den Stiftungszweck zu fördern und finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Dabeissen die Anlagen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Risikostreuung entsprechen, wie sie im Stiftungsgesetz festgelegt sind. Die Stiftung Lübecker Wohnstifte hat nahezu ihr gesamtes Stiftungsvermögen in Anteile an der TRAVE investiert. Sie ist auf Ausschüttungen auf ihr Stammkapital angewiesen, um mit diesen Einnahmen ihren Stiftungszweck zu erfüllen. Würde die Gesellschafterin Hansestadt Lübeck mit ihrer Mehrheit einen Ausschüttungsverzicht bei der TRAVE durchsetzen und die Stiftung Lübecker Wohnstifte keine Einnahmen mehr aus ihrer Beteiligung generieren, könnte sie ihren Stiftungszweck nicht mehr verwirklichen. Da die Hansestadt Lübeck die Stiftung treuhänderisch verwaltet, kann sie so nicht handeln.

 

b) Einlagen in die Rücklagen

Die Rücklagen bei Kapitalgesellschaften unterscheiden sich in Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen. Damit wird deutlich, ob die entsprechenden Beträge dem Unternehmen von außen durch die Anteilseigner:innen zugeflossen sind (Kapitalrücklage) oder ob sie im Laufe der Jahre aus den Gewinnen gebildet wurden (Gewinnrücklage durch Gewinnthesaurierung). Die Rücklagen gehören nach den handelsrechtlichen Grundsätzen zum Eigenkapital und dienen dessen Stärkung. Das in Rücklagen eingezahlte Kapital kann später für verschiedene Zwecke wie z. B. Investitionen, Ausschüttungen oder Deckung von Verlusten verwendet werden.

 

Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 HGB

Die Kapitalrücklage enthält Einlagen, die dem Unternehmen von außen ins Eigenkapital zufließen. Dies können bspw. Sacheinlagen, Bareinlagen oder Aufgelder bei der Ausgabe neuer Anteilsscheine sein.

 

Aktuell besteht keine Kapitalrücklage bei der TRAVE. Die Bildung einer Kapitalrücklage zur Stärkung des Eigenkapitals wäre aber möglich. Der Betrag würde allerdings nicht verzinst werden. Die Gesellschafterin Hansestadt Lübeck hat deshalb für sich zu prüfen und zu bewerten, ob es angemessen ist, zur Stärkung des Eigenkapitals Mittel unverzinst in die TRAVE einzulegen.

 

Eine weitere Schwierigkeit könnte sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergeben. Bei Bildung einer Kapitalrücklage leisten in der Regel alle Gesellschafterinnen im Verhältnis ihrer Anteile am Stammkapital Beiträge. Bei Auflösung/Liquidation der Gesellschaft erhalten die Gesellschafterinnen den Betrag aus der Kapitalrücklage im Verhältnis ihrer Anteile ausbezahlt. Kann eine Gesellschafterin bei der Bildung der Kapitalrücklage nicht mitziehen, wäre sicherzustellen, dass bei einer Liquidation der Gesellschaft die Gesellschafterin Hansestadt Lübeck ihren Betrag vollumfänglich zurückerhält. Diessste durch gesellschaftsvertragliche Regelungen sichergestellt werden.

 

Einlagen in die Gewinnrücklage (§ 272 Abs. 3 HGB

Gewinnrücklagen werden im Rahmen der Ergebnisverwendung aus den Gewinnen einer Kapitalgesellschaft gebildet. Sie sind nach § 270 (2) HGB bei der Darstellung der vollständigen oder teilweisen Ergebnisverwendung in der Bilanz bereits bei der Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen.

 

Bei der TRAVE besteht eine Gewinnrücklage in Form der satzungsmäßigen Rücklage. „Satzungsmäßig“ bedeutet, dass im Gesellschaftsvertrag geregelt ist, wie die Rücklage zu bilden ist. Ihre Aufstockung erfolgt in den Folgejahren stets dann, wenn das Stammkapital erhöht wurde. Die Regelung im Gesellschaftsvertrag der TRAVE sieht vor, dass die satzungsgemäße Rücklage die Hälfte des Stammkapitals beträgt. Ist diese Größe nicht erreicht, sind mindestens 10 % des Jahresergebnisses der Rücklage zuzuführen, bis die Hälfte erreicht ist.

 

In den vergangenen Jahren wurden regelmäßig Beträge aus dem Jahresergebnis in die Gewinnrücklage eingestellt („thesauriert“), um das Eigenkapital zu stärken. Betrug die Höhe der Gewinnrücklage im Jahr 2014 noch 24.233.866,26 Euro, so liegt der Wert 2023 bei rd. 43.000.000 Euro.

 

 

c) Genussrechte

Genussrechte stellen eine attraktive Finanzierungsoption dar, da sie der TRAVE eine Kapitalzufuhr ermöglichen, ohne dass die Inhaber:innen Mitspracherechte oder Eigentumsanteile erhalten. Stattdessen partizipieren sie an den Unternehmensgewinnen in Form von Ausschüttungen, die wie Dividenden behandelt werden. Diese Ausschüttungen sind jedoch nicht garantiert und hängen vom Erfolg der TRAVE ab.

 

Ein wesentlicher Unterschied zum klassischen Fremdkapital besteht darin, dass Genussrechte in der Bilanz als Eigenkapital ausgewiesen werden können. Dadurch verbessert sich die Eigenkapitalquote der TRAVE, was sich positiv auf die Bonität und Kreditwürdigkeit auswirken kann.

 

Als Voraussetzungen für eine Bilanzierung als Eigenkapital wurden durch den Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. in einer Stellungnahme „Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften“ (1/1994) folgende Kriterien aufgestellt:

              Erfolgsabhängige Vergütung

              Verlustbeteiligung bis zur vollen Höhe des Genussrechts[9]

              Langfristige Kapitalüberlassung (mindestensnf Jahre)

              Nachrangigkeit der Forderungen aus den Genussrechten im Insolvenz- oder Liquidationsfall gegenüber allen Gläubigern

 

Die Ausgabe von Genussrechten bietet grundsätzlich die Möglichkeit, weitere Kapitalgeber:innen neben der Hansestadt Lübeck zu gewinnen. Diese könnten sowohl aus dem privaten als auch aus dem institutionellen Bereich kommen. Auch siennen vom Erfolg des Unternehmens profitieren, ohne jedoch direkt in die Unternehmensführung eingreifen zu können. Der städtische Einfluss auf die Geschäftspolitik bliebe also unangetastet.

 

Bei der Ausgabe von Genussrechten gelten allerdings einige Besonderheiten:

        Grundsätzlich haben Herausgeber:innen von Genussrechten bei einem öffentlichen Angebot die Regelungen der Kapitalmarktaufsicht und der Prospektgesetze zu beachten. Das bedeutet zum einen, dass in den Genussrechtsverträgen die Abgrenzungsmerkmale zu den Einlagengeschäften der Banken im Sinne des § 1 Kreditwesengesetz (KWG) einzuhalten sind. Zum anderen ist grundsätzlich für die öffentliche Kapitalbeschaffung über Genussrechte eine Bankenaufsichtsgenehmigung der BaFin[10] erforderlich.

        Falls das kapitalsuchende Unternehmen (TRAVE) jedoch nicht mehr als 20 Anteile privaten Kapitalgeber:innen anbietet oder der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger beträgt, braucht die Prospektpflicht nicht beachtet zu werden (Vgl. § 8f Abs. 2 Prospektpflichtgesetz). Das bedeutet es ist kein von der BaFin gebilligter Wertpapierprospekt erforderlich. Auf die Höhe des Beteiligungskapitals und auf die Höhe des aufzunehmenden Finanzierungsvolumens kommt es dabei nicht an.

        Ein Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des KWG liegt ebenfalls nicht vor, da die Genussrechte so gestaltet werden würden, dass sie eine Beteiligung am laufenden Verlust des kapitalnehmenden Unternehmens (TRAVE) vorsehen würden.[11]

        Eine Wertpapierverbriefung der Genussrechte als Genussscheine ist hingegen nicht vorgesehen, da Genussscheine kapitalmarktrechtlich grundsätzlich Wertpapiere sind. Das bedeutet ein BaFin genehmigter Wertpapierverkaufsprospekt ist erforderlich. Außerdem dürfen Genussscheine als Wertpapiere nur von den Finanzdienstleistungsinstituten vermittelt und verkauft werden, die eine entsprechende Lizenz der BaFin gem. § 32 Abs. 1 KWG besitzen.

 

 

4. Bauliche Umsetzung und Grundstücke

Die TRAVE verfügt über eigene Kapazitäten sowie die Möglichkeit, externe Fachplaner:innen kurzfristig zu beauftragen. Außerdem sind am Markt hinreichend Bau- und Handwerksunternehmen verfügbar, deren Kapazitäten voraussichtlich ausreichen, da die Nachfrage nach Bauleistungen in der Wohnungsbaubranche spürbar zurückgegangen ist. Ein begrenzender Faktor könnte das aktuell limitierte Förderbudget der schleswig-holsteinischen Wohnraumförderung sein. Unter der Annahme, dass 50 % der zusätzlichen Neubauten ermöglicht werden könnten, wären etwa 60 bis 110 Wohnungen zusätzlich zur Förderung anzumelden.

 

Eine weitere Schwierigkeit stellt die generelle Baukostenentwicklung der letzten Jahre dar, die die wirtschaftliche Umsetzung neuer Bauvorhaben erschwert oder unter den aktuellen Bedingungen sogar unmöglich macht.

 

In Betracht kommende Baugrundstücke könnten zu einem kleinen Teil Nachverdichtungspotentiale im Bestand der TRAVE sein (z. B. Innenhof Hansering für 16 Tiny Houses). Für den Großteil der neuen Wohnungen wären jedoch andere Baugrundstücke zu akquirieren, z. B. das Baugebiet Lauerhofer Feld.

 

 

5. Studentisches Wohnen

Bereits die Vorlage VO/2021/09958 der Bürgerschaft am 20.05.2021 vorgelegt beschäftigt sich mit der Schaffung von Wohnraum für Studierende, Auszubildende und Flüchtlinge.

 

Es wurde außerdem die Möglichkeit geprüft, ein oder mehrere Grundstücke für Geschosswohnungsbau in das Vermögen der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH als Tochter der Hansestadt Lübeck einzulegen, wie dies bei Grundstücken in der Elbingstraße und Schönböckener Straße erfolgt ist, und mit dieser die Errichtung von gefördertem Wohnungsbau auf diesem Grundstück zu vereinbaren.

 

Dies ist derzeit jedoch nicht Bestandteil der Wirtschafts- und Finanzplanung der TRAVE für die nächsten Jahre. Die TRAVE hat ihr Eigenkapital und ihre Arbeitskapazitäten für die laufenden Projekte Neubau Baggersand, Modernisierung Wohnhochhaus Sterntaler Weg, die Neubauvorhaben in der Elbingstraße und der Schönböckener Straße sowie für die energetische Erneuerung ihres älteren Gebäudebestandes eingeplant.

 

r die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum für Studierende haben die Hansestadt Lübeck, die Universität zu Lübeck, die Technische Hochschule und die Musikhochschule eine Absichtserklärung unterzeichnet. Es wird der mittelfristige Bedarf von 500 Wohnraumplätzen gesehen. Alle Beteiligten begrüßen die Planung von Studentenwohnen im Quartier Bornkamp im Zuge des Bebauungsplans 09.13.00 Bornkamp/Schärenweg.“

 

Die TRAVE ist weiterhin offen für die Schaffung von entsprechendem Wohnraum für Studierende und Auszubildende. Angesichts der Vielzahl an anstehenden Herausforderungen für die TRAVE kann die Versorgung dieser Personengruppen allerdings nicht die oberste Priorität sein.

 

Bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein gibt es ein Förderprogramm für den Neubau von Wohnheimplätzen für Studierende und Auszubildende. Es wird dabei nur der Neubau gefördert, bei angemessenen Kosten und einhalten des energetischen Förderstandards sowie max. 25 m2 Wohnfläche (inkl. Gemeinschaftsfläche). Die Förderung erfolgt über Darlehen und Zuschüsse. Förderfähig sind bis zu 85 % der angemessenen Kosten. Der Zuschuss kann bis zu 35 % der förderfähigen Kosten betragen (max. 1.500 /m2 und min. 1.100 /m2).

 

6. Fazit

Dieser Bericht wurde in Zusammenarbeit mit der TRAVE erstellt, die u. a. Möglichkeiten untersucht und bewertet hat, wie durch eigenes Handeln eigenkapitalerhöhende Maßnahmen umgesetzt werden könnten. Außerdem wurde tabellarisch aufgezeigt, welcher Mittelzufluss ins Eigenkapital der TRAVE wie viel Wohnraum schaffen könnte.

 

Die Stärkung des Eigenkapitals der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE ist eine sinnvolle Maßnahme, um den Wohnungsbestand der Gesellschaft mittelfristig (bis 2030) weiter auszubauen. Sierde zusätzliche Investitionen ermöglichen, um neue Wohnungsbauprojekte zu realisieren. Das aufgezeigte zusätzliche Potential bei der TRAVE allein wird den prognostizierten Gesamtbedarf an Wohnraum bis 2040 in Lübeck aber in jedem Fall nicht decken.

 

Es gibt verschiedene Handlungsoptionen, mit denen eine Erhöhung des Eigenkapitals der TRAVE herbeigeführt werden nnte. Diese unterliegen aufgrund rechtlicher Vorgaben unterschiedlich starken Restriktionen.

 

Eine weitere Rahmenbedingung ist: Die an der TRAVE beteiligte Stiftung Lübecker Wohnstifte muss ihren Stiftungszweck erfüllen. Das ist nur sinnvoll möglich, wenn sie Einnahmen aus Ausschüttungen der TRAVE generieren kann. Auch die Hansestadt Lübeck ist im Hinblick auf die Haushaltslage gehalten, Erträge aus ihrer Beteiligung an der TRAVE zu erzielen. Deswegen kommt ein genereller Verzicht auf Ausschüttungen nicht in Betracht.

 

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Rahmenbedingungen scheint die Ausgabe von Genussrechten als Maßnahme zur Eigenkapitalstärkung geeignet zu sein. Die Inhaber:innen der Genussrechte würden am wirtschaftlichen Erfolg der TRAVE teilhaben, aber keine (zusätzlichen) Mitspracherechte oder Eigentumsanteile erhalten, sodass der Einfluss der Gesellschafterinnen nicht geschmälert würde. Dabei sollte eine Gestaltung angestrebt werden, die keine Prospektpflicht und keine bankenrechtliche Genehmigungspflicht auslöst, also auf einen kleinen Kreis von Kapitalgeber:innen beschränkt wäre. Neben der Hansestadt Lübeck könnten dazu aber auch Dritte gehören. Eine angemessene, für die TRAVE und die Kapitalgeber:innen attraktive Verzinsung der Genussrechte wäre zu ermitteln.


 


[5] Wohnungen GEF = geförderte Wohnungen, Wohnungen FF = frei finanzierte Wohnungen

[6] Im Fall der TRAVE ist sie gesellschaftsvertraglich auf einen Höchstbetrag von jährlich maximal 6 % des Stammkapitals beschränkt (siehe Abschnitt 2.2 Buchstabe a) dieses Berichts).

[7] Schreiben der Stiftungsaufsicht zur Stammkapitalerhöhung 2021.

[8] Haushaltserlass der Kommunalaufsichtsbehörde für das Jahr 2022.

[9] Eine Nachschusspflicht über die Genussrechtskapitaleinlage hinaus besteht nicht.

[10] Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht


Anlagen