Rahmenbedingungen:
Grundsätzlich bedingen und ergänzen sich die private und die öffentlich zugängliche Ladein-frastruktur. Je mehr private Ladepunkte errichtet werden, desto weniger öffentlich zugänglicher Ladepunkte bedarf es. Aus Prognosen, die dem Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung (2019) für den Ladeinfrastrukturausbau bis zum Jahr 2030 zugrunde liegen, geht hervor, dass 15 – 40 % der Ladevorgänge an einem öffentlich zugänglichen und 60 – 85 % an einem privaten Aufstellort stattfinden werden.
Nach § 2 Begriffsbestimmungen der Ladesäulenverordnung (LSV) „ist ein Ladepunkt öffentlich zugänglich, wenn er sich entweder im öffentlichen Straßenraum oder auf privatem Grund befindet, sofern der zum Ladepunkt gehörende Parkplatz von einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis tatsächlich befahren werden kann“. Nach allgemeiner Auslegung bedeutet dies, dass ein Ladepunkt, der z. B. nur für Kund:innen eines Einzelhandelsgeschäfts zugänglich ist, als öffentlich zugänglich gilt, da jede Person Kund:in dieses Einzelhandelsgeschäfts werden könnte.
Der Bedarf an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur ist u. a. abhängig davon, wie viel private Ladepunkte verfügbar sind und wie stark ausgelastet die öffentlich zugängliche Ladein-frastruktur ist, aber auch vom Ladeverhalten der Nutzenden und der Ladeleistung der öffentlich zugänglichen Ladepunkte. Typische Anwendungsbereiche von öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur sind gemäß des Masterplans Ladeinfrastruktur der Bundesregierung (2019) zum einen die Schnellladung (direct current (DC) und high power charging (HPC) Ladeinfrastruktur) und zum anderen das Zwischendurchladen (alternating current (AC) und DC Ladeinfrastruktur). Die Ladeleistung von HPC- und DC-Ladeinfrastruktur ist einerseits relativ hoch, wodurch die Dauer des Ladevorgangs relativ kurz ist, andererseits sind die Investi-tionskosten vergleichsweise hoch (DIN SPEC 91433). Im Gegensatz dazu sind die Investi-tionskosten von AC-Ladeinfrastruktur relativ gering, allerdings ist die Dauer des Ladevorgangs aufgrund der niedrigeren Ladeleistung vergleichsweise lang. Die AC-Ladeinfrastruktur ist in der Regel ohne Weiteres mit der bereits vor Ort bestehenden Stromnetzinfrastruktur des Niederspannungsnetzes kompatibel.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat kürzlich die Errichtung und den Betrieb eines deutschlandweiten Schnellladenetzes – Deutschlandnetz – ausgeschrieben. Im Mittelpunkt der Vorabbekanntgabe der Ausschreibung standen im August 2021 die Veröffentlichung der deutschlandweit 900 Suchräume, die vorab definiert wurden, und das Preismodell (weiterführende Informationen sind abrufbar unter: https://www.standorttool.de/strom/deutschlandnetz/).
In jedem Suchraum soll ein Schnellladestandort mit mindestens vier und bis zu 16 Schnellladepunkten entstehen. Die Gewinner:innen des Ausschreibungsverfahrens sind zum Aufbau und zur Gewährleistung des Betriebs der Ladepunkte vertraglich verpflichtet. Angesprochen werden mit diesem Verfahren regional tätige Betreiber:innen sowie kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Es befinden sich zwei Suchräume des Deutschlandnetzes im Stadtgebiet der Hansestadt Lübeck (Buntekuh/Moisling/Sankt Lorenz-Süd/Genin; Sereetz/ Dänischburg/Siems/Israelsdorf).
Bestand und aktuelle Planung öffentlich zugänglicher Ladepunkte in Lübeck:
Die Verwaltung der Hansestadt Lübeck hat eine quantitative Bestandserhebung der öffentlich zugänglichen Ladepunkte im Stadtgebiet durchgeführt (Stand vom 15. November 2021). Diese basiert auf Quellen, die für die Allgemeinheit öffentlich zugänglich sind, wie der Bundesnetzagentur, dem Stromtankstellenverzeichnis des Onlineportals GoingElectric sowie einzelnen Abfragen bei Ladeinfrastrukturbetreiber:innen.
Demnach sind in Lübeck bis zu 94 Ladepunkte öffentlich zugänglich. An dieser Stelle sei gleichwohl darauf hingewiesen, dass die Validität der öffentlich zugänglichen Datenbanken teilweise eingeschränkt ist. Bei vereinzelten Stichproben hat sich herausgestellt, dass die öffentliche Zugänglichkeit von Ladepunkten, die von der Bundesnetzagentur in der Ladesäulenkarte[1] (abrufbar unter:
https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/E-Mobilitaet/start.html) verzeichnet sind, nicht immer gegeben ist.
Die Verwaltung hat bezüglich der Planungen des Ausbaus der öffentlich zugänglichen Ladepunkte im Stadtgebiet u. a. auf Quellen zurückgegriffen, die für die Allgemeinheit öffentlich zugänglich sind, wie dem StandortTOOL[2] (abrufbar unter:
https://www.standorttool.de/strom/gefoerderte-ladestationen/). Die Suchräume des Deutschlandnetzes, die sich im Stadtgebiet der Hansestadt Lübeck befinden, wurden bei der Erhebung der Planung des Ausbaus der öffentlich zugänglichen Ladepunkte ebenfalls berücksichtigt, da die Gewinner:innen des Ausschreibungsverfahrens, wie beschrieben, zum Aufbau und zur Gewährleistung des Betriebs der Ladepunkte vertraglich verpflichtet sind. Darüber hinaus hat die Verwaltung Dritte, wie z. B. Parkhaus- bzw. Parkplatzbetreiber:innen, Einzelhandelsunternehmen und Wohnungsbaugesellschaften, persönlich angeschrieben, um den Planungsstand des Ausbaus öffentlich zugänglicher Ladepunkte abzufragen.
Dem Resultat der Erhebung zufolge ist die Errichtung von 153 öffentlich zugänglichen Ladepunkten auf dem Stadtgebiet der Hansestadt Lübeck geplant (davon werden 52 durch die Hansestadt Lübeck oder Tochtergesellschaften der Stadt geplant). Die überwiegende Mehrzahl soll 2022 errichtet und in den Betrieb gehen.
In Bezugnahme auf die Empfehlungen des Bauausschusses (VO/2020/09044) ist zu konstatieren, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, das Angebot an öffentlich zugänglicher La-deinfrastruktur im Stadtgebiet der Hansestadt Lübeck kurzfristig auszubauen (Anzahl an öffentlich zugänglichen Ladepunkten im Bestand ≙ 94 und in Planung ≙ 153, das entspricht gesamt ≙ 247 öffentlich zugänglichen Ladepunkten).
In der Anlage 1 – Ladeinfrastrukturkarte werden der Bestand und die aktuellen Planungen an öffentlich zugänglichen Ladepunkten im Stadtgebiet der Hansestadt Lübeck räumlich verortet und kartografisch dargestellt, allerdings werden die Standorte nur ungefähr wiedergegeben, d. h., der Aufstellort wird nicht zentriert abgebildet.
Die Bestandserhebung und die Erhebung der geplanten öffentlich zugänglichen Ladepunkte gestaltete sich aufgrund der verfügbaren Daten als schwierig. Dies wird zum Anlass genommen den Bestand an öffentlich zugänglichen Ladepunkten zukünftig auf der Homepage der Hansestadt Lübeck zu veröffentlichen und fortwährend zu aktualisieren.
Weiteres Vorgehen:
Die Verwaltung der Hansestadt Lübeck steht in engem Kontakt mit den Eigenbetrieben der Hansestadt Lübeck und den städtischen Gesellschaften, wie der KWL GmbH, der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH und der Stadtwerke Lübeck GmbH, um auf den bedarfsgerechten und städtebaulich verträglichen Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge hinzuwirken. Im öffentlichen Straßenraum und auf Flächen, die sich im Eigentum der Hansestadt Lübeck befinden, soll die Mehrzahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte bis auf Weiteres vorwiegend auf Parkplatzsammelanlagen und in Parkhäusern sowie Parkpaletten errichtet werden. Infolge der Empfehlungen des Bauausschusses hat die Verwaltung z. B. die Parkplatzsammelanlagen P4, Kanalstraße, und Am Fischereihafen, Travemünder Landstraße, als geeignete Standorte für die Errichtung von öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur identifiziert, um das Angebot an öffentlich zugänglichen Ladepunkten proaktiv auszuweiten. Hier hat die Hansestadt Lübeck in Kooperation mit der KWL und der Stadtwerke Lübeck GmbH in einem ersten Schritt die Errichtung von jeweils 14 öffentlich zugänglichen Ladepunkten zusätzlich zu den oben angeführten öffentlich zugänglichen Ladepunkten veranlasst. Die Realisierung erfolgt kurzfristig. Sie folgt damit dem Haushaltsbegleitbeschluss VO/2021/10329-01-01 zur Förderung der E-Mobilität (Punkt 5.7). Es besteht die Möglichkeit, die Anzahl mit vergleichsweise geringem Aufwand zu erweitern, da Leerrohre für eine etwaige Erweiterung verlegt werden.
Zudem wird die Verwaltung der Hansestadt Lübeck nach wie vor die Zusammenarbeit mit Dritten, wie z. B. Parkhaus- bzw. Parkplatzbetreiber:innen, Einzelhandelsunternehmen, der Automobilindustrie bzw. dem angeschlossenen Handel, Tankstellenbetreiber:innen und Wohnungsbaugesellschaften, suchen, um den Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladein-frastruktur voranzutreiben. Es ist davon auszugehen, dass Dritte im privaten Raum weitere öffentlich zugängliche Ladepunkte, die über die Rückmeldungen an die Verwaltung hinausgehen, kurz- und/oder mittelfristig errichten werden, d. h. die Anzahl an öffentlich zugänglichen Ladepunkten sich dementsprechend deutlich erhöhen wird.
Es ist absehbar, dass sich der Bestand an öffentlich zugänglichen Ladepunkten durch die Errichtung der in der Umsetzung befindlichen oder bereits geplanten öffentlich zugänglichen Ladepunkte kurzfristig auf 247 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Lübeck erhöht. Hinzukommen die oben genannten 28 Ladepunkte auf zwei städtischen Parksammelanlagen. Mit somit 275 Ladepunkten wäre die Empfehlung des Bauausschusses, mindestens 300 öffentlich zugängliche Ladepunkte zu schaffen, beinahe erreicht.
Zusätzlich beabsichtigt die Hansestadt Lübeck, bis zu 200 öffentlich zugängliche Ladepunkte im öffentlichen Raum mithilfe der zusätzlich bereitgestellten Haushaltsmittel zu fördern.
Die Hansestadt Lübeck ist sich gleichwohl darüber im Klaren, dass sich nicht in allen Quartieren ausschließlich auf private oder geschäftliche Initiative hin eine bedarfsgerechte öffentlich zugängliche Ladesäuleninfrastruktur realisieren lässt. Dies betrifft beispielsweise Gebiete mit einer Erhaltungssatzung (Baugesetzbuch) und/oder Gestaltungssatzung (Örtliche Bauvorschrift LBO SH) sowie Gebiete, die als Mehrheit baulicher Anlagen im Sinne des Denkmalschutzgesetzes ausgewiesen sind.
Das Teilgutachten Elektromobilitätskonzept, das zum Thema die öffentlich zugängliche La-deinfrastruktur in der Hansestadt Lübeck hat, soll im Rahmen der Neuaufstellung des Verkehrsentwicklungsplans daher u. a. die Fragen beantworten:
- Welcher Bedarf besteht an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur und wie wird dieser Bedarf räumlich verortet, z. B. wo besteht Bedarf an Schnellladehubs und welche Standorte sind geeignet?
- Wie kann der Ladevorgang von Elektrofahrzeugen innerhalb und im Umfeld der historischen Altstadt sowie privater Nutzer:innen ohne privaten Stellplatz in verdichteten und straßenräumlich beengten Stadtquartieren (z. B. Quartiere mit einer städtebaulichen Erhaltungs- oder Gestaltungssatzung, Quartiere mit Geschosswohnungsbau oder im Umgebungsschutz von Denkmalen) städtebaulich verträglich gestaltet werden?
- Wie kann der Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur in der Hansestadt Lübeck als Oberzentrum vor dem Hintergrund der überregionalen touristischen Bedeutung (z. B. historische Altstadt, Seebad Travemünde) mit saisonaler Fluktuation an Tagesbesucher:innen bedarfsgerecht gestaltet werden?
Der Antrag der Hansestadt Lübeck auf Zuwendung von Fördermitteln für ein Elektromobilitätskonzept wurde vom Projektträger Jülich (Projektträger für das BMVI) vor Kurzem bewilligt.
Es wird davon ausgegangen, dass das Konzept im zweiten Halbjahr 2023 vorliegen wird. Um den Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur bis dahin weiter voranzutreiben, wird die Verwaltung der Hansestadt Lübeck zeitnah ein öffentliches Ausschreibungsverfahren durchführen, das städtebaulich unkritische Standorte umfasst. Die Lübecker Bürgerschaft hat zu diesem Zweck 200.000 Euro bereitgestellt. Mit den zweckgebundenen Haushaltsmitteln sollen insgesamt 200 öffentlich zugängliche Ladepunkte im öffentlichen Raum gefördert werden. Die Hansestadt Lübeck beabsichtigt, im Rahmen dieser Ausschreibung einen einmaligen Investitionszuschuss für die Errichtung von öffentlich zugänglichen Ladepunkten zu gewähren. Bewerben sollen sich ausschließlich Unternehmen, die sich für die Installation und den Betrieb der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum verantwortlich zeigen. Angedacht ist eine Konzessionsvergabe für das gesamte Stadtgebiet. Derzeit wird geprüft, ob die Vergabe auch auf die Ladeinfrastruktur für Taxis gemäß des Haushaltsbegleitbeschlusses VO/2021/10329-01-01 (Austauschantrag CDU und SPD: Haushaltsbegleitbeschluss zu VO/2021/10329 - Haushalt 2022) ausgeweitet werden kann oder ob ein eigenes Verfahren angewendet werden muss. Hierzu wird noch gesondert berichtet.
Auch wenn bezüglich des Markthochlaufes von Elektrofahrzeugen noch systemische Fragen offen sind (z. B. in Bezug auf die Batteriekapazitäten und Reichweite der Elektrofahrzeuge, Weiterentwicklung der Ladetechnologie, Verfügbarkeit von Rohstoffen), ist ein hoher Bedarf an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur absehbar. Die Hansestadt Lübeck wird daher in den kommenden Monaten und Jahren aktiv den bedarfsgerechten Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur voranbringen.
Auf einen Blick: Schritt für Schritt zur bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur
1. | Bestand öffentlich zugängliche Ladepunkte | 94 |
2. | In Planung befindliche öffentlich zugängliche Ladepunkte | 153 |
3. | Zusätzlich kurzfristig zu errichtende öffentlich zugängliche Ladepunkte (durch HL, KWL und SWL) an den Standorten Kanalstraße und Baggersand | 28 |
4. | Insgesamt in den Jahren 2022/2023 durch die HL auszuschreibende Ladepunkte | 200 |
5. | Ladestationen für Taxis | k. A. |
6. | Parallel: Elektromobilitätskonzept zur Gewährleistung einer gesamtstädtischen Versorgung, z. B. in verdichteten Wohnquartieren und bzgl. Schnellladehubs | k. A. |
Kriterien zur Beurteilung von geeigneten Standorten für die Errichtung von Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum:
Die nachfolgend beschriebenen groben Kriterien sollen von Verwaltung zur allgemeinen Beurteilung von geeigneten Standorten für die Errichtung von Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum herangezogen werden (z. B. bei der Ausschreibung geeigneter Standorte):
Die Ladestation… | Beispiele |
…ist infrastrukturell erforderlich und realisierbar. | Points of Interest (POI’s), wie z. B. Einkaufsmöglichkeiten, Cafés, medizinische Einrichtungen, touristische Attraktionen, Freizeitangebote usw., befinden sich in näherer Umgebung. |
…ist gut erreichbar und sichtbar. | Parkstand befindet sich im Hauptverkehrsstraßennetz |
…ist (städtebaulich) verträglich. | Es gehen keine wesentlichen Beeinträchtigungen von Ladestationen auf Kulturdenkmale oder Schutzzonen nach DSchG SH aus. |
…konkurriert nicht mit anderen Nutzungen. | Es werden im Verkehrsstraßennetz keine Planungen des Straßenbaulastträgers bzw. der Hansestadt Lübeck berührt (Verkehrsflächen, die sich in der Planung bzw. Überplanung befinden). |
…hält erforderliche Abstände ein. | Mindestabstand zu Radwegen |