1. Kostenentwicklung
Mit der Vorlage VO/2021/09810 wurde am 23.03.2021 durch den Hauptausschuss die Projektfreigabe für den Bau der Behelfsbrücke neben der Mühlentorbrücke mit Gesamtkosten in der Höhe von 2.655.000 EUR erteilt.
In der weiteren Bearbeitung des Projektes ergab sich, dass aufgrund eines Leitwerks zum Schutz der Bauwerkspfeiler zusätzliche Mittel in der Höhe von 745.000 EUR, und damit eine Gesamtsumme von 3.400.000 EUR, erforderlich werden.
Mit den Planungen und Abstimmungen zu den Vorabmaßnahmen wurde eine Dreifeldbrücke als Behelf für den Rad- und Fußverkehr gefunden. Die Mittelpfeiler haben, wie bei der Mühlentorbrücke, ihre bestmögliche Position im Uferbereich in der Kanaltrave. Einerseits werden durch diese Position die Konstruktionsteile der Brücke auf eine Größe beschränkt, die eine Montage mit kanaltauglichen Geräten zulässt, andererseits sind weitgehende Eingriffe in den Naturraum am Ufer nicht genehmigungsfähig. Die Pfeiler die am Rand des schiffbaren Bereiches eingebaut werden, sind gem. Forderung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) vor Schiffsanprall zu schützen. Der Schutz der Brückenpfeiler wird durch Dalben und Leitwerke gewährleistet. Bemessungsgrundlage für die Schutzeinrichtungen sind die tatsächlich größtmöglichen Schiffe mit bis zu 1000t Gewicht. Für diese Einrichtungen entsteht ein erheblicher weiterer Kostenanteil, größer als im Vorwege geschätzt, der mit zusätzlichen Haushaltsmitteln für die Maßnahme abgedeckt werden muss.
Die Leiteinrichtungen bestehen aus Dalben mit einem waagerechten Leitwerk. Die Dalben sind Stahlrohre, die im Uferbereich hergestellt werden. In Abstimmung mit den Genehmigungsstellen der WSV wurden die Abmessungen soweit optimiert, dass die Rohre einen Durchmesser von 0,8m haben und die Leitwerke, die durchlaufenden Längsträger, minimale Größe haben. Zu den neuen Randbedingungen gehört, dass die schiffbare Breite um 2m auf 26,5m für die vorübergehende Standzeit verringert wird.
Der Maßnahme kommt andererseits zugute, dass inzwischen die Leitungsträger für die Auslagerung auf die Behelfsbrücke während der geplanten Instandsetzung der Mühlentorbrücke weitgehend keinen Bedarf mehr sehen. Die Konsole für die Leitungsführung kann dadurch entfallen und die Gesamtbreite der Brücke beträgt jetzt 6,50m.
Ergänzend zu der Vorlage VO/2021/09810 ist festzustellen, dass die ungünstigen Schadensentwicklungen, wie erwartet, an der Mühlentorbrücke weitergehen. Neben den Verkehrseinschränkungen und Sperrungen der Geh- und Radwege sind die Bauwerksprüfungen weiter intensiviert worden und der Bauwerkszustand wurde aktuell mit der Note 3,9 - d.h. ein ungenügender Bauzustand - bewertet. Da die Bewertungsskala bei 4,0 endet, wird deutlich, wie absehbar weitere Einschränkungen, bis hin zu einer sofortigen Außerbetriebnahme des Bauwerkes bei Erreichen der letzten Stufe der Bewertungsskala sind.
Die derzeitig laufenden Untersuchungen am Alt-Bauwerk, die anschließende Nachrechnung und Stellungnahmen der Planer und Berater zur Sanierungsfähigkeit des Bauwerkes laufen parallel mit der Errichtung der Behelfsbrücke. Im Anschluss werden erste Vorabmaßnahmen umgesetzt und die Arbeiten zur möglichen Instandsetzung werden geplant.
2. Abwägung
Bei einer Kostensteigerung dieser Größenordnung ist zu überlegen, in welchem Verhältnis der Nutzen dazu steht.
a) Entfall der Behelfsbrücke und Ausweichen auf benachbarte Brücken
Ohne die Behelfsbrücke werden Fußgänger:innen und Radfahrende während der Instandsetzung der Mühlentorbrücke auf die angrenzenden Brücken umgeleitet, die bekanntermaßen ebenfalls inzwischen ungenügende Bauzustände erreichen. Grundsätzlich wird hierauf bereits in den Brückenberichten von 2008 und 2012 hingewiesen, die aktuelle Entwicklung ist aus den jüngsten Pressemitteilungen ersichtlich.
Dabei wird die nächstliegende Rehderbrücke als nicht leistungsfähig für den gesamten, dann zusammengefassten Verkehr angesehen. Derzeit ist der Gehweg einseitig in Richtung Innenstadt gesperrt. Für größere Personenansammlungen sind die Gehwege der Rehderbrücke in beide Richtungen nicht mehr zugelassen. Auch hier wirkt sich ein zunehmend schlechter Bauwerkszustand aus. Der Radverkehr und der ÖPNV werden zusammen über die Straße geführt. Das Radverkehrsaufkommen wird hier absehbar eine erhebliche Einschränkung für den ÖPNV ergeben, der im Fall der Sperrung der Mühlentorbrücke ebenfalls dorthin umgeleitet wird, was wiederum mit Hinblick auf den Bauwerkszustand zu ungünstigen Auswirkungen führt. Zusätzlich birgt die Ausweichstrecke ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für Unfälle im Verkehrsraum.
Die nächste Möglichkeit stellt die Hüxtertorbrücke dar. Hier sind die Gehwege bereits jetzt schon gesperrt. Für die Radfahrenden bleibt der jetzt zur Verfügung stehende Verkehrsraum auf der Fahrbahn und muss mit dem Straßenverkehr geführt werden, was wieder ein erhöhtes Gefahrenpotenzial ergibt.
Das Ausweichen über die Possehlbrücke bedeutet für Fußgänger:innen einen Umweg von ca. 20 Minuten. Das wird als wenig attraktiv angesehen.
Schließlich wird eine Umleitung bzw. die Leitung des Verkehrs auf die Ausweichstrecken mit umfangreichen Anpassungen der Beschilderung, der Absperrungen und der Signalanlagen mit sich bringen. Dies betrifft dann auch die angrenzenden Verkehrsknoten, besonders auf der Vorstadtseite. Auf der Innenstadtseite verlagert sich besonders der Radverkehr in die Seitenstraßen, in deren Verkehrsräume zumeist Einbahnstraßen für den PKW-Verkehr eingerichtet sind. Eine Anpassung der Verkehrsführung wird in diesen Bereichen ebenfalls erforderlich. Dieser Aufwand, die zeitlichen Verzögerungen und die erwarteten Gefahren für Radfahrende und Fußgänger:innen werden durch die Errichtung der Behelfsquerung vermieden.
b) Entfall der Behelfsbrücke und Fußwegführung durch das Baufeld
Würden die Gehenden alternativ während der Instandsetzung über die Mühlentorbrücke geführt, ergäben sich ebenfalls ungünstige Auswirkungen, die die Mehrkosten wesentlich übersteigen. Bei den Arbeiten sind abschnittsweise Einhausungen der Brücke erforderlich, auch unterhalb. Gleichzeitig muss der Schiffsverkehr auf dem Kanal dauernd offengehalten werden, weshalb bereits in Querrichtung eine Teilung der Baustelle erforderlich wird. Würden Fußgänger:innen während der Bauzeit durchs Baufeld geleitet, sind die Einhausungen dementsprechend baulich einzurichten. Diese baulichen Maßnahmen zum Schutz vor potenziellen Gefahren sind aufwendig und stören den Bauablauf bis hin zu einer vermeidbaren Verlängerung der Bauzeit.
3. Beschreibung der Baumaßnahmen
Auf Basis der laufenden Planung (Arbeitsstand 11/2021) wird nachfolgend der Entwurf der Brücke mit Leitwerk beschrieben und mittels Planauszügen dargestellt.
Die Beschreibung der Brücke in der vorrangegangene Vorlage VO/2021/09810 wird nicht ergänzt. Die Darstellung der Tragwerkslösung für das Leitwerk wird aktuell ergänzt.
Planauszug: Grundriss Behelfsbrücke (Arbeitsstand 11/2021)
Planauszug: Ansicht Behelfsbrücke (Arbeitsstand 11/2021)
Planauszug: Regelquerschnitt Behelfsbrücke (Arbeitsstand 02/2021)
4. Finanzierung
Für den Bau der Behelfsbrücke ergibt sich gem. Kostenschätzung mit Stand 11/2021 ein Gesamtfinanzbedarf von 3,4 Mio. Euro, der sich wie folgt zusammensetzt:
Bauleistungen: 2.750.000 EUR
Ingenieurleistungen: 550.000 EUR
Kosten für Leitungsverlegung: 100.000 EUR
3.400.000 EUR (brutto)
Im investiven Haushalt stehen aktuell auf dem Produktsachkonto 542001.077.7852000 - Kreisstraßen, Mühlentorbrücke, Tiefbaumaßnahmen - zur Verfügung und sind freigegeben:
- für 2022 Mittel in Höhe von 500.000 EUR
- außerdem Reste aus 2021 in Höhe von 2.700.000 EUR
3.200.000 EUR
Die Differenz von 200.000 EUR für die Behelfsbrücke sind durch das investive Bereichsbudget vom Bereich Stadtgrün und Verkehr abgedeckt und werden unterjährig in 2022 rechtzeitig auf dem PSK zur Verfügung gestellt.
Da es sich bei diesem Bauwerk um eine Behelfsbrücke handelt, die für eine Standzeit von voraussichtlich vier Jahren errichtet wird, stellen sich die Abschreibungskosten in der Anlage 1 ungewöhnlich hoch dar. Brücken sind sehr individuelle Bauwerke, die in der Regel nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand an anderen Stellen einer weiteren Nutzung zugeführt werden können. Deswegen wird hier von einer vollständigen Abschreibung ausgegangen. Selbstverständlich wird zum Ende der Standzeit dieser Brücke eine Weiterverwendung geprüft werden, z. B. als weitere Behelfsbrücke für die nächsten anstehenden Sanierungen oder Ersatzbauten der Kanalbrücken.
5. Projektfreigabe
Sowohl die Verhandlungen mit den Leitungsträgern als auch die Abstimmungen mit der WSV haben eine zeitliche Verzögerung ergeben. Zudem müssen die notwendigen Arbeiten zur Gehölzbeseitigung und Baumpflege in der Zeit zwischen Oktober und Februar ausgeführt werden. Im Anschluss an diesen Zeitraum liegen die Baumaßnahmen für die Behelfsbrücke.
Geplant ist, die Ausschreibung der Baumaßnahmen zur Errichtung der Behelfsbrücke im Dez. 2021 zu veröffentlichen. Die örtliche Baustelle der Brücke ist von März 2022 bis Juli 2022 vorgesehen. Die Vorfertigung der Stahlkonstruktion der Brücke startet parallel an einem externen Ort. Die Montage der drei Hauptbauteile erfolgt in einem kurzen Zeitraum weitestgehend vom Kanal aus.
Um die Termine einhalten zu können und die Baumaßnahmen für die Behelfsbrücke Anfang nächsten Jahres zu starten, ist die Freigabe des Projektes erforderlich. Der Bereich Stadtgrün und Verkehr empfiehlt das Projekt „Bau einer Behelfsbrücke“ fortzuführen und die zusätzlichen Haushaltsmittel freizugeben.