Vorlage - VO/2019/08443  

Betreff: Bericht zur den Eigentumsverhältnissen am Herrentunnel und die Möglichkeiten einer Mautentlastung
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna Hagen
Federführend:5.660 - Stadtgrün und Verkehr Bearbeiter/-in: Rolcke, Jutta
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Kenntnisnahme
20.01.2020 
27. Sitzung des Bauausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
28.01.2020 
26. Sitzung des Hauptausschusses geändert beschlossen   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
30.01.2020 
13. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

Beschluss der Bürgerschaft vom 29.08.2019 (VO/2019/07447-01):

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Bürgermeister der Hansestadt Lübeck wird gebeten, bis zum Ende des Jahres Gespräche mit dem Land Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen, mit dem Ziel den Tunnel möglichst zeitnah in das Eigentum des Bundes zu überführen. Weiterhin möge der Bürgermeister realistische Möglichkeiten aufzeigen, die Bewohner der Stadtteile nördlich der Trave von den Kosten der Maut zu entlasten.

Der Bürgerschaft ist über den Verlauf der Gespräche zu berichten.
 

 


Begründung

Gem. Bürgerschaftsbeschluss wird der Bürgermeister erstens gebeten, Gespräche zur Überführung des Herrentunnels in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen, und zweitens realistische Möglichkeiten zur Mautentlastung der Bewohner der nördlich der Trave gelegenen Stadtteile aufzuzeigen.

 

Gespräche zwecks Eigentumsänderung des Herrentunnels

Zur Vorbereitung der erbetenen Gespräche des Bürgermeisters mit dem Land Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik Deutschland wurde zunächst der Sachstand anhand der geltenden Verträge zusammengestellt.

 

Um damals dem Willen der Hansestadt Lübeck zu entsprechen, statt einer Klappbrücke als Ersatzbauwerk für die abgängige Herrenbrücke einen finanziell aufwendigeren Tunnel zu bauen, wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Schleswig-Holstein und der Hansestadt Lübeck am 16.09.1997 eine Vereinbarung über den Bau des Herrentunnels geschlossen. Darin erklärte sich der Bund bereit, sich an der Finanzierung des Tunnelprojektes im Rahmen eines Mischfinanzierungsmodells mit einem Betrag von 175 Mio. DM, d. h. mit den Kosten in Höhe der ersparten Aufwendungen für den Bau und Betrieb eines Ersatzbrückenbauwerkes, zu beteiligen. Die Hansestadt Lübeck verpflichtete sich, im Rahmen einer eigenen Baulast für den Herrentunnel nach den Regeln des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes 1994 (FStrPrivFinG) Planung, Bau und Betrieb des Tunnels einem Privaten (Konzessionär) zu übertragen. Auf dieser Basis wurde am 11.03.1999 der Konzessionsvertrag zwischen der Hansestadt Lübeck und der Konzessionärin geschlossen. Vereinbarungsgemäß ging ebenfalls im März 1999 die Baulast für den Bereich des Herrentunnels mit allen üblichen Rechten und Pflichten von der Bundesrepublik Deutschland auf die Hansestadt Lübeck über. Der Bundeszuschuss floss während der Bauphase in die Finanzierung des Herrentunnels ein. Mit Erfüllung ihrer Pflichten aus der Vereinbarung vom 16.09.1997 endete jegliche Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für den Streckenzug der Herrenbrücke bzw. des Herrentunnels und wurde von der Hansestadt Lübeck übernommen.

 

Lt. Art. 1 des Konzessionsvertrages hat die Konzessionärin das Recht erhalten, während des Konzessionszeitraumes Mautgebühren zu erheben. Lt. Art. 23 des Konzessionsvertrages beträgt der Konzessionszeitraum 30 Jahre. Unter bestimmten Bedingungen sind Änderungen des Konzessionszeitraumes möglich.

 

In Art. 43 des Konzessionsvertrages ist der Rückkauf der Konzession geregelt. Die Hansestadt Lübeck hat danach frühestens nach Ablauf eines Konzessionszeitraumes von zehn Jahren die Möglichkeit, die Konzession zurückzukaufen. Im Falle des Rückkaufs übernimmt die Hansestadt Lübeck alle Rechte, Pflichten und Verbindlichkeiten der Konzessionärin gegenüber Dritten. Dies schließt die Darlehensverbindlichkeiten ein. Darüber hinaus ist ein Rückkaufentgelt an die Konzessionärin zu zahlen.

 

Im Frühjahr 2008 hatte die Bürgerschaft, ungeachtet dieser vertraglichen Gegebenheiten, den Bürgermeister und den zuständigen Fachdezernenten beauftragt, Gespräche mit den Verkehrsministern des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein bezüglich des Herrentunnels mit dem Ziel zu führen, eine mautfreie Nutzung des Herrentunnels für alle Verkehrsteilnehmer zu erreichen. Zu solchen Gesprächen kam es 2008 nicht. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wies das Ansinnen zurück und hat mit Schreiben vom 19.06.2008 erklärt, dass für eine Entscheidung über das weitere Vorgehen beim Lübecker Herrentunnel keinerlei Bundeszuständigkeiten bestünden. Ein Bedarf für ein Gespräch mit Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wurde vom Ministerium nicht gesehen.

 

Nach Zusammenstellung dieses Sachstandes und der eindeutigen Position des Bundesministeriums aufgrund der Vertragslage bezüglich der Zuständigkeit für den Herrentunnel erscheint es aus Sicht der Verwaltung wenig aussichtsreich, erneut um Gespräche mit dem Bundesministerium zum Thema Herrentunnel zu bitten.

 

Unterstellt, die Bundesrepublik Deutschland könnte bereit sein, anstelle der Hansestadt Lübeck in den Konzessionsvertrag mit der Konzessionärin einzutreten, bliebe der Herrentunnel infolge des abgeschlossenen Konzessionsvertrages weiterhin mautpflichtig.

 

Im Gegensatz zu 2008 besteht für die Hansestadt Lübeck zum jetzigen Zeitpunkt lt. Konzessionsvertrag allerdings die Möglichkeit, die Konzession zurückzukaufen. Zu den Kosten eines Konzessionsrückkaufes kann ohne umfangreiche Berechnungen keine fundierte Aussage getroffen werden, jedoch ist mindestens von einem hohen zweistelligen bis dreistelligen Millionenbetrag auszugehen.

 

Die Verwaltung wird daher den Auftrag der Bürgerschaft aus Satz 1 aufgrund der vorgenannten Gründe nicht weiterverfolgen, da keine Erfolgsaussichten gesehen werden.

 

Mautentlastung

Lt. Gebührenrecht ist es unzulässig, einzelne Nutzer bei der Gebührenerhebung zu bevorzugen. Vielmehr ist der verfassungsmäßige Gleichheitsgrundsatz zu wahren. Differenzierungen sind im Gebührenrecht nur zulässig, wenn sie sachgerecht sind. So sind die Mautgebühren für den Herrentunnel nach unterschiedlichen Fahrzeugklassen gestaffelt, da davon ausgegangen wird, dass unterschiedliche Fahrzeugklassen je nach Größe und Gewicht das Bauwerk auch unterschiedlich in Anspruch nehmen. Unterschiedliche Fahrzeugklassen verursachen unterschiedliche Unterhaltungskosten.

 

Insbesondere im Hinblick auf die unmittelbaren Anwohner sowohl auf beiden Seiten des Herrentunnels als auch der Herreninsel hat die Herrentunnel Lübeck GmbH & Co. KG bereits in ihrem Mautantrag von 2006 eine Quick-BoxPlus für Pkw, 2011 dann auch für die anderen Fahrzeugklassen, eingeführt. Damit zahlt der Tunnelnutzer einen monatlichen Grundbetrag, dafür ist dann aber die Mautgebühr für jede einzelne Fahrt durch den Herrentunnel um rd. 40 % geringer. Hauptzweck bei der Einführung dieser Rabattierung war, eine Kostenentlastung, insbesondere für Pendler, herbeizuführen. Diese Rabattierung konnte auf der Grundlage der Regelung in § 3 Abs. 2 FStrPrivFinG, dass die Höhe der Mautgebühren auch von der Häufigkeit und dem Zeitpunkt der Benutzung abhängig gemacht werden kann, eingeführt werden. Sie hat sich über die Jahre bewährt und wird derzeit von rd. 2.500 Tunnelnutzern verwendet.

 

Theoretisch könnte man sich ein Konstrukt vorstellen, bei dem die Hansestadt Lübeck freiwillige Zuwendungen an die Betreibergesellschaft zahlt, die sich im Gegenzug verpflichten müsste, geringere Mautgebühren zu erheben. Bei der Weitergabe einer solchen von der Hansestadt Lübeck gewährten Zuwendung wäre die Herrentunnel Lübeck GmbH & Co. KG in dem gebührenrechtlichen Verhältnis zu den Tunnelnutzern allerdings wiederum zur Gleichbehandlung verpflichtet. Auch dann dürfte eben gerade nicht nach dem Wohnort der Tunnelnutzer differenziert werden.

 

Grundsätzlich wäre die Hansestadt Lübeck berechtigt, zur Förderung öffentlicher Zwecke und Interessen freiwillige Zuwendungen zu leisten. Öffentliche Zwecke und Interessen sind hier jedoch nicht zu erkennen. Hinzu kommt, dass haushaltsrechtlich freiwillige Leistungen der Hansestadt Lübeck mit äußerster Zurückhaltung zu betrachten sind.

 

Aus den vorstehenden Ausführungen resultiert, dass seitens der Verwaltung keine realistischen Möglichkeiten aufgezeigt werden können, die Bewohner der Stadtteile nördlich der Trave von den Kosten der Maut zu entlasten.
 

 


Anlagen


 

 

Stammbaum:
VO/2019/08443   Bericht zur den Eigentumsverhältnissen am Herrentunnel und die Möglichkeiten einer Mautentlastung   5.660 - Stadtgrün und Verkehr   Bericht öffentlich
VO/2019/08443-01   Empfehlung des Hauptausschusses zum Bericht zu den Eigentumsverhältnissen am Herrentunnel und die Möglichkeiten einer Mautentlastung   1.101 - Bürgermeisterkanzlei   Empfehlung eines Ausschusses