Vorlage - VO/2019/08002  

Betreff: Umgang mit den Erstattungsforderungen aus Verpflichtungserklärungen
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator Sven Schindler
Federführend:2.021 - Fachbereichs-Dienste Bearbeiter/-in: Mühleis, Michael
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Soziales zur Vorberatung
03.09.2019 
10. Sitzung des Ausschusses für Soziales in der Wahlperiode 2018/2023 unverändert beschlossen   
Hauptausschuss zur Vorberatung
10.09.2019 
21. Sitzung des Hauptausschusses zurückgestellt   
24.09.2019 
22. Sitzung des Hauptausschusses unverändert beschlossen   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
26.09.2019 
11. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck (HAUSHALTSSITZUNG) unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Anlage 1 - Empfehlung Arbeitsministerium
Anlage 2 - Weisung BA
Anlage 3 - Schreiben BMAS

Beschlussvorschlag

Die Hansestadt Lübeck schließt sich der Weisung 201903003 der Bundesagentur für Arbeit vom 01.03.2019 - Umgang mit den Erstattungsforderungen aus Verpflichtungserklärungen nach §§ 68, 68a Aufenthaltsgesetz im Rahmen der Landesaufnahmeprogramme - auf der Grundlage des Schreibens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 29. 1. 2019 an.

 


Verfahren

Beteiligte Bereiche/Projektgruppen:

Ergebnis:

 

1.300 – Recht = keine rechtlichen Bedenken

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

X

Nein

Begründung:

 

Belange von Kindern und Jugendlichen sind nicht berührt.

 

 

 

Die Maßnahme ist:

 

neu

 

X

freiwillig

 

 

vorgeschrieben durch

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

Nein

 

X

Ja (s. Begründung)

 


Begründung

 

1. Ausgangssituation

Im Rahmen der Beantragung eines Aufenthaltstitels kann eine Verpflichtungserklärung gemäß § 68 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verlangt werden, wenn der Ausländer selbst nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu sichern und die Sicherung des Lebensunterhaltes zwingende Voraussetzung für die Erteilung des Aufenthaltstitels ist. Im Rahmen der Landesaufnahmeprogramme erhielten aus Syrien geflüchtete Personen Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Absatz 1 AufenthG. Einige dieser Personen stellten nach der Einreise in das Bundesgebiet dennoch einen Asylantrag; in diesen Fällen erhielten sie Aufenthaltsgestattungen nach § 55 Asylgesetz (AsylG). Sowohl Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Absatz 1 AufenthG wie auch § 55 AsylG berechtigten noch nicht zum Leistungsbezug nach dem SGB II (vgl. § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 SGB II, § 1 Absatz 1 Nummer 1, Buchstabe a AsylbLG). Nach positivem Abschluss des Asylverfahrens wurde den betroffenen Personen ein Aufenthaltstitel nach den Vorschriften der § 25 Abs. 1, 2 oder 3 AufenthG erteilt, der zum Bezug von Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB 11) berechtigt.

Die Verpflichtungserklärung wirkt auch nach Erteilung eines Aufenthaltstitels aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen oder durch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes fort. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 26.01.2017 - 1 C 10.16) zwischenzeitlich bestätigt und wurde durch das Integrationsgesetz (lntG) mit Wirkung zum 06.08.2016 klargestellt. Für die sog. Altfälle (Abgabe der Erklärung vor dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes) wurde die Dauer der Verpflichtungserklärung auf drei Jahre begrenzt(§ 68a AufenthG).

Bis zum Inkrafttreten des lntG und der Entscheidungen des BVerwG herrschte hinsichtlich der Dauer der Haftung aus Verpflichtungserklärungen eine unklare Rechtslage. Die für die Abgabe von Verpflichtungserklärungen verwendeten Vordrucke sahen regelmäßig eine Haftung „bis zur Beendigung des Aufenthaltes [„.] oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" vor.

Einige Landesministerien und -behörden vertraten die Rechtsauffassung, dass ein Aufenthaltstitel für im Rahmen von Landesaufnahmeprogrammen aufgenommene Flüchtlinge nach § 23 Abs. 1 AufenthG bzw. Aufenthaltsgestattungen im Asylverfahren nach § 55 AsylG im Vergleich zu einem Aufenthaltstitel für anerkannte Asyl- und international Schutzberechtigte nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG einen anderen Aufenthaltszweck begründe und die Gültigkeitsdauer einer Verpflichtungserklärung damit ende. Diese Rechtsauffassung vertraten bis zur Entscheidung des BVerwG u. a. auch die Länder Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Aufgrund dieser unklaren Rechtslage waren sich Verpflichtungsgeber der tatsächlichen Geltungsdauer der von ihnen abgegebenen Verpflichtungserklärungen vielfach nicht bewusst.

In zahlreichen Fällen klagen Verpflichtungsgeber gegen ihre Haftung auch für Leistungen nach dem SGB II. Vielfach geben die Verwaltungsgerichte (VG) den Klägern Recht. Sie verweisen - mit im Detail unterschiedlichen Begründungen - darauf, dass die Verpflichtungsgeber mit Blick insbesondere auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen der beteiligten Stellen davon ausgehen durften, nur für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) haften zu müssen, nicht aber auch für Leistungen nach dem SGB II (d. h. Leistungen nach dem sog. Rechtskreiswechsel). In diesen Fällen sei eine Heranziehung der Verpflichtungsgeber allenfalls im Ermessenswege möglich.

 

2. Aktueller Sachstand

Im Zuge der bislang ergangenen gerichtlichen Entscheidungen hat die Bundesagentur für Arbeit in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die gemeinsamem Einrichtungen (gE) mit Weisung vom 26.03.2018 angewiesen, die Forderungen aus den Verpflichtungserklärungen festzusetzen, sodann aber vorläufig niederzuschlagen bzw. den Erstattungsbescheid durch Verwaltungsakt aufzuheben.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2019 hat das Jobcenter angefragt, ob sich die Hansestadt Lübeck als Träger Leistungen für die kommunalen Kosten der Weisung anschließt und somit die betroffenen Erstattungsverfügungen insgesamt zurückgenommen werden können, da es Gerichten und Verpflichtungsgebern schwerlich zu vermitteln sein dürfte, warum lediglich ein Teil der Erstattungsverfügung zugenommen werden.

Da in jedem Einzelfall noch geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen einer Rück-nahme gegeben sind, ist es derzeit nicht möglich, den finanziellen Rahmen genau zu benennen. Das Jobcenter hat dazu eine Hochrechnung angestellt und geht von einem Betrag von etwa 275.000,00 Euro aus.

3. Rechtliche Bewertung

Im Hinblick auf die rechtliche Freiwilligkeit eines Verzichts auf gesetzliche Erstattungsansprüche unabhängig von der Größenordnung ist hier die Zuständigkeit der Bürgerschaft nach § 27 Abs. 1 GO in Verbindung mit § 28 Nr. 11 GO für wichtige Angelegenheiten gegeben. Die kommunalen Forderungen (KdU) nach SGB II werden durch den Internen Service der Bundesagentur für Arbeit zusammen mit den Forderungen des Bundes für die Jobcenter verfolgt und beigetrieben und im Rahmen der monatlichen Leistungsabrechnung mit der Hansestadt Lübeck gutgeschrieben. Insofern findet keine unmittelbare Forderungserfassung im städtischen Haushalt statt und der Forderungsverzicht führt somit zu keinem Aufwand aus Abschreibungen auf Forderungen. Vielmehr minimiert der Forderungsverzicht die Gutschriften aus beigetriebenen Rückforderungen im Rahmen der Leistungsabrechnung zwischen der gE Jobcenter Lübeck und der Hansestadt Lübeck.

Da es sich bei den von der Weisung umfassten Fällen um Fallgestaltungen handelt, die auch vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten erfolgreich waren, empfiehlt das Referat Grundsatzfragen des Arbeitsmarktes, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und Arbeitsrecht im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein mit E-Mail vom 3. Mai 2019 entsprechend der Weisung zu verfahren (Anlage 1).

4. Entscheidungsvorschlag

Die Hansestadt Lübeck schließt sich der Weisung 201903003 der Bundesagentur für Arbeit vom 01.03.2019 – Umgang mit den Erstattungsforderungen aus Verpflichtungserklärungen nach §§ 68, 68a Aufenthaltsgesetz im Rahmen der Landesaufnahmeprogramme – auf der Grundlage des Schreibens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 29. 1. 2019 an (s. Anlage 2 und 3).

 

 


Anlagen

Anlage 1 – Empfehlung Arbeitsministerium

Anlage 2 – Weisung BA

Anlage 3 – Schreiben BMAS

 

 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Anlage 1 - Empfehlung Arbeitsministerium (109 KB)    
Anlage 2 2 öffentlich Anlage 2 - Weisung BA (83 KB)    
Anlage 3 3 öffentlich Anlage 3 - Schreiben BMAS (93 KB)