Mit dem Aus- und Neubau der Schienenhinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung soll die Zahl der Zugfahrten am Lübecker Hauptbahnhof nach Prognose der DB Netz AG von derzeit 172 auf voraussichtlich 377 im Jahr 2030 ansteigen. Anders als im Kreis Ostholstein, in dem der Großteil der Strecke auf einer Neubautrasse verlaufen wird, soll der Verkehr auf Lübecker Stadtgebiet weitestgehend auf bestehenden Gleisen abgewickelt werden. Lediglich im Bereich des Hauptgüterbahnhofes zwischen Hauptbahnhof und Kanaltrave ist eine wesentliche bauliche Änderung am Gleiskörper vorgesehen. Hier sollen ohne Inanspruchnahme zusätzlicher Flächen drei sog. Puffergleise eingebaut werden. Diese dienen dazu, Güterverkehre zeitverzögert in das (dann deutlich stärker ausgelastete) Streckennetz einspeisen zu können. Für diesen Abschnitt wird ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, in dem der Hansestadt Lübeck umfangreiche Möglichkeiten zur Stellungnahme gewährt werden.
Die Planungen zur FBQ-Hinterlandanbindung werden seitens der Verwaltung durch einen fachbereichsübergreifenden Arbeitskreis begleitet, der seit Anfang 2018 besteht und dessen Aufgabe es ist, in regelmäßigen Abständen an den Senat zu berichten.
Probleme einer höheren Auslastung bei gleichbleibender Kapazität:
Die Entscheidung, die Verkehrszunahme am Knoten Lübeck über das bestehende Netz abzuwickeln, führt zu den folgenden Risiken und Problemen, die nicht durch den bestehenden rechtlichen Rahmen abgedeckt werden können:
- Die Zugzahlen, die die DB Netz für das Bauvorhaben zugrunde legt, sind aus den Zahlen des Bundesverkehrswegeplans abgeleitet. Diese wiederum beziehen die Schienenverkehrsprognose der Lübeck Port Authority (LPA) für die Güterzüge aus dem Hafen nur in Teilen ein. Aus Sicht der Hansestadt Lübeck ist daher fraglich, ob insbesondere der Hauptbahnhof die genannten Mehrverkehre sowie den Hafenverkehr zukünftig abwickeln kann.
- Da nur an Teilen der Strecke ein erheblicher baulicher Eingriff im Sinne des Bundes-immissionsschutzgesetzes einschließlich eines Planfeststellungsverfahrens erfolgt, besteht ein Rechtsanspruch auf Lärmschutz nur für den Bereich Hauptgüterbahnhof – also dem Bereich vom Hauptbahnhof bis zur Brücke über die Kanaltrave. An allen weiteren Streckenabschnitten ist die Hansestadt Lübeck auf freiwillige („übergesetzliche“) Schutzmaßnahmen des Bundes angewiesen. Dies gilt analog auch für den Schutz vor anderen negativen Umweltauswirkungen (Erschütterung, Körperschall).
Auf diese Risiken und Probleme weist die Verwaltung der Hansestadt Lübeck in Gesprächen mit Deutscher Bahn und dem Wirtschaftsministerium des Landes SH sowie den regionalen Dialogveranstaltungen (s.u.) regelmäßig hin.
Dialogforum, Projektbeirat und „übergesetzliche Forderungen“
Um hinsichtlich des Planungsfortschrittes in der Region auf dem Laufenden zu bleiben und ggfs. auf kurzfristige Entwicklungen reagieren zu können, nehmen Vertreter der Hansestadt Lübeck zusammen mit den betroffenen Kommunen des Kreises Ostholstein regelmäßig an Sitzungen der regionalen Beteiligungsgremien („Runde Tische“, „Projektbeirat“, „Dialogforum“) teil. Diese Gremien wurden vom Land Schleswig-Holstein und der DB eingerichtet, um in einen konstruktiven Dialog über die Herausforderungen des Projektes Feste Fehmarnbeltquerung eintreten zu können.
Über diese Gremien besteht die Möglichkeit, Forderungen an den deutschen Bundestag für Schutzmaßnahmen zu übermitteln, die über das gesetzlich erforderliche Maß hinausgehen („übergesetzlicher Schutz“). Dieses relativ neue Instrument basiert auf dem Bundestagsbeschluss über die „Menschen- und umweltgerechte Realisierung europäischer Schienennetze“ vom 26.01.2016.
Forderungen der Hansestadt Lübeck
Um insbesondere das Problem einer Ungleichbehandlung verschiedener Lübecker Stadtteile trotz ähnlicher Belastung zu verringern, hat die Verwaltung am Forderungskatalog der Region mitgewirkt und diesen um die folgenden eigenen Forderungen für das Lübecker Stadtgebiet ergänzt:
Forderungen | Vorgeschlagene Maßnahmen | Betrag in Mio. EUR |
Schallschutz zur Einhaltung des 49-dB(A)-Nachtgrenzwertes gemäß 16. BImSchV | Schallschutzwände mit Höhen von 3 bis 6 m und/oder Schallschutzfenster | ca. 34,8 |
Erschütterungsschutz nach DIN 21422-2 | Besohlte Schwellen, Betontröge | ca. 14,2 |
Brückenentdröhnung | Besohlte Schwellen, Unterschottermatten | ca. 0,49 |
Gutachten und Studien | Eisenbahnbetriebswiss. Leistungsfähigkeitsuntersuchung (EBWU/ „Stresstest“), Schallgutachten für Bereiche außerhalb des Planfeststellungsabschnittes | ca. 0,1 |
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| Summe: | ca. 49,6 |
Es ist erforderlich, darauf hinzuweisen, dass es sich bei den dargestellten Maßnahmen um überschlägige Forderungen handelt, die aufgrund des frühen Planungsstandes – Finanzierung vorausgesetzt – noch durch weitere Planungsschritte und Gutachten konkretisiert werden müssen.
Weiterer Verlauf des/der Verfahren
Der gesamte Forderungskatalog der Region soll vor der parlamentarischen Sommerpause dem deutschen Bundestag vorgelegt und als Gesamtpaket beschlossen werden. Er befindet sich z. Zt. im Bundesverkehrsministerium und wird unter Einbeziehung des Eisenbahnbundesamts (EBA) hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit und der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf ähnlich gelagerte Fälle im Bundesgebiet geprüft. Eine genauere zeitliche Aussage zur Beschlussfassung kann dabei noch nicht getroffen werden.
Für das Planfeststellungsverfahren Lübeck/Hauptgüterbahnhof sind die folgenden zeitlichen Rahmenbedingungen bereits bekannt:
- Einreichen der Planfeststellungsunterlagen beim EBA: Anfang 2020
- Ca. 2023: Baubeginn am Hauptgüterbahnhof
- Ca. 2029: Abschluss der Bauarbeiten