Vorlage - VO/2017/05624  

Betreff: Bericht zu "Verlässliche Regelungen bei Ferienwohnungen" (5.610)
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna Glogau
Federführend:5.610 - Stadtplanung und Bauordnung Bearbeiter/-in: Bresch, Karl-Heinz
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Kenntnisnahme
15.01.2018 
Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
05.02.2018 
Sitzung des Bauausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
23.01.2018 
71. Sitzung des Hauptausschusses zurückgestellt   
20.02.2018 
72. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
25.01.2018 
34. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zurückgestellt   
22.02.2018 
35. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

 

Die Bürgerschaft hat am 23.02.2017 folgenden interfraktionellen Antrag zum Thema „Ver­lässliche Regeln für Ferienwohnungen“ beschlossen (VO/2016/04616):

 

Der Bürgermeister möge berichten,

 

-       ob und wenn ja in welcher Form bei der Ausarbeitung des Gesetzes zur Anpassung des Städtebaurechts eine Beteiligung von besonders betroffenen Städten, Kommunen und Kreisen, wie z.B. der Hansestadt Lübeck, stattgefunden hat.

 

-       Welche Auswirkungen hat das Gesetz zur Anpassung des Städtebaurechts, das auch die rechtliche Einordnung von Ferienwohnungen umfasst, auf den Standort Lübeck.

 

-       Wird die für die Hansestadt Lübeck vorgesehene Satzung zum Zweckentfremdungs­verbot von Wohnungen in Lübeck, die eine Begrenzung von Ferienwohnungen im Bereich der Altstadt vorsah, umsetzbar sein?“

 


Begründung

 

Zu Absatz 1:  Der Bundesrat hat am 31.03.2017 die Reform des Städtebaurechts (BR-Drs. 806/16) gebilligt (BR-Drs. 208/17 (B)), die der Bundestag am 09.03.2017 verabschiedet hatte. Die Reform ist zum 13.05.2017 in Kraft getreten.

 

Im Gesetzgebungsverfahren für das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt hatte die Hanse­stadt Lübeck über den Deutschen Städtetag die Möglichkeit, zum vorliegenden Gesetzes­entwurf eine Stellungnahme und Anregungen zur geplanten Novelle des Städtebaurechts abzugeben. Der Bereich Stadtplanung und Bauordnung hat dabei in seiner Stellungnahme ausdrücklich die im neuen § 13 a BauNVO enthaltene Definition von Ferienwohnungen und die damit verbundene Klarstellung zur Zulässigkeit von Ferienwohnungen in den verschiede­nen Baugebieten angeregt und unterstützt.

 

Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat ein Planspiel im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) und fachlich begleitet durch das federführende Referat beim BMUB durchgeführt. Mit dem Planspiel wurde die Verständlichkeit und Praktikabilität der geplanten Neuregelungen an­hand praktischer Beispiele durch Normanwender aus insgesamt sechs Kommunalverwaltun­gen (Bamberg, Köln, Leipzig, Sylt, Tübingen und Zingst) überprüft. Zahlreiche Anregungen aus dem Planspiel konnten schon bei der Abfassung des Regierungsentwurfs berücksichtigt werden. Der Bericht über die Ergebnisse des Planspiels, der dem Ausschuss für Umwelt, Bau und Naturschutz des Deutschen Bundestages als Grundlage der parlamentarischen Beratung zugeleitet wurde, enthält weitere Hinweise, über die im parlamentarischen Verfah­ren zu entscheiden war.

 

Im Planspiel wurde die Klarstellung der Rechtslage zur Zulässigkeit von Ferienwohnungen grundsätzlich begrüßt.

 

 

Zu Absatz 2:  Nachdem durch das Urteil des OVG Greifswald vom 19.02.2014 (Az.: 3 L 212/21) zunächst eine große Unsicherheit bezüglich der Planung und Genehmigung von Ferienwohnungen eingetreten war, hat die Baurechtsnovelle 2017 diesbezüglich wieder mehr Klarheit geschaffen.

 

Da das vorgenannte Urteil die Zulässigkeit von Ferienwohnungen auf Ferienhausgebiete nach § 10 BauNVO und auf sonstige Sondergebiete nach § 11 BauNVO beschränkt sah, wurden in Schleswig-Holstein (gemäß Empfehlung des schleswig-holsteinischen Innen­ministeriums) wie auch in anderen Bundesländern Ferienwohnungen in reinen und allge­meinen Wohngebieten nach §§ 3 und 4 BauNVO nicht mehr genehmigt; gleiches galt auch für Ferienwohnungen in Dorf-, Misch- und Kerngebieten nach §§ 5 - 7 BauNVO. Gleichwohl bestand beim Bereich Stadtplanung und Bauordnung die Auffassung, dass entgegen dem o. g. Urteil des OVG Greifswald Ferienwohnungen als sonstige Gewerbebetriebe oder als Beherbergungsbetriebe einzustufen und dementsprechend in den vorgenannten Bau­gebieten ausnahmsweise bzw. allgemein zulässig sind.

 

Die Baurechtsnovelle 2017 hat nun bezüglich der Zulässigkeit von Ferienwohnungen und der diesbezüglichen Bebauungsplanung klargestellt, dass die bisherige (bis 2014 bestehende) Planungs- und Genehmigungspraxis der Hansestadt Lübeck zukünftig weiter fortgesetzt werden kann. Gemäß Definition des neu in die BauNVO aufgenommenen § 13 a sind Ferien­wohnungen in einer Reihe von Baugebieten in der Regel planungsrechtlich als (nicht stören­de) Gewerbebetriebe bzw. Räume für die Unterbringung von Feriengästen auch als (kleine) Beherbergungsbetriebe anzusehen. In Dorf-, Misch- und Kerngebieten sowie in besonderen Wohngebieten und urbanen Gebieten sind Ferienwohnungen dementsprechend allgemein zulässig.

 

Da der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber von einem potenziell störungsfreien Nebeneinander von Dauerwohnen und Ferienwohnen ausgeht, sind Ferienwohnungen in allgemeinen Wohngebieten (WA) – und als solche sind große Teile des Lübecker Stadtgebietes in Bebau­ungsplänen festgesetzt oder gemäß § 34 BauGB einzustufen - ausnahmsweise zulässig und dementsprechend auch dort regelmäßig zuzulassen, sofern der Gebietscharakter des WA gewahrt bleibt. Der Gebietscharakter eines WA gemäß § 4 BauNVO wird dabei durch eine vorwiegende Wohnnutzung bestimmt, die z. B. bei einem Wohnanteil von 80 – 90 % im All­gemeinen gegeben ist.

 

Im Gegensatz zum WA, in dem Ferienwohnungen auch als eigenständige Nutzungen zuläs­sig sind, ist die Zulassungsfähigkeit einer Ferienwohnnutzung in reinen Wohngebieten (WR) als Ausnahme nur dann gegeben, wenn sie sich auf Teile eines Wohngebäudes beschränkt und sich der Wohnnutzung zum Wohnen im Umfang unterordnet.

 

Dementsprechend ist die Zulässigkeit von Ferienwohnungen für Grundstücke in der Lübe­cker Altstadt unterschiedlich zu beurteilen. In den Geschäftsstraßen, die planungsrechtlich regelmäßig als Kern- oder Mischgebiete einzustufen sind, sind Ferienwohnungen allgemein zulässig. In Mischgebieten darf durch sie aber der Gebietscharakter, der durch ein ausge­wogenes Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe geprägt wird, nicht beeinträchtigt werden.

 

In den Wohnquartieren der Lübecker Altstadt hängt die Zulässigkeit maßgeblich von der kleinräumigen Lage des jeweiligen Gebäudes ab. In den straßenseitigen Wohngebäuden, die planungsrechtlich meistens einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO zuzu­ordnen sind, können und müssen Ferienwohnungen in einem untergeordneten Umfang zu­gelassen werden, solange der Gebietscharakter eines WA gewahrt ist (s. o.). Dabei ist jeweils im Einzelfall auszuloten, wann diese Zulässigkeitsschwelle überschritten wird und in der Folge weitere Anträge auf Ferienwohnungen abgelehnt werden müssen.

 

Deutlich schwieriger stellt sich die Situation in den Gängen und Höfen der Lübecker Altstadt dar. Da hier im Allgemeinen keine Bebauungspläne gelten, muss die planungsrechtliche Be­urteilung hier allein nach den Grundsätzen des Einfügens i. S. d. § 34 BauGB erfolgen. Da der Baugebietscharakter eines Ganges in vielen Fällen aber nicht allein aus den dort vorhande­nen Nutzungen, sondern insbesondere auch aus der Nutzungsstruktur angrenzender Block­innenbereichsflächen resultiert, ergeben sich bei Gängen mit scheinbar gleichen Ausgangs­bedingungen teilweise sehr unterschiedliche Einschätzungen zur Zulässigkeit von Ferien­wohnungen. So sind Gänge, die bisher ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden, aufgrund ihrer nutzungsstrukturellen Einbindung teilweise einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO, teilweise aber auch einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO zuzuord­nen.

 

Liegt der Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes gemäß § 3 BauNVO vor, müssen sich Ferienwohnnutzungen in aller Regel einer Dauerwohnnutzung unterordnen, um geneh­migt werden zu können. Da sich Ferienwohnnutzungen jedoch häufig schon allein aufgrund der geringen Größe der Ganghäuser kaum gegenüber einer anderen Hauptnutzung unter­ordnen können, sind sie in diesen Gängen und Höfen regelmäßig unzulässig.

 

Ergibt sich hingegen aufgrund vorhandener Nichtwohnnutzungen im Gang selbst oder auch in dessen näherer Umgebung der Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebietes nach § 4 BauNVO, können und müssen Ferienwohnungen hier im Rahmen des Baugebietscharakters zugelassen werden. Die im Bericht vom 11.02.2014 (VO/2014/01340 – Bericht zur derzeitigen Nutzung von Wohngebäuden in Gang- und Hoflagen der Altstadt, Wohnen im UNESCO-Welterbe „Lübecker Altstadt“) für allgemeine Wohngebiete genannte 20 %-Schwelle wäre dabei nach Einschätzung des für Städtebaurecht zuständigen Referats beim schleswig-holsteinischen Innenministerium nach unten zu korrigieren (Richtung 15 %).

 

Soweit bereits Ferienwohnungen und/oder andere gewerbliche Nutzungen im Gang selbst oder in seinem näheren Umfeld vorhanden sind, kann in Einzelfällen auch ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO vorliegen oder das Gebiet ist als so genannte Gemengelage ggf. auch keinem der vorgenannten Baugebiete zuzuordnen. In diesen Fällen sind der allgemeinen Zulässigkeit und damit auch der weiteren Ausbreitung von Ferienwohnungen in den Gängen und Höfen kaum bzw. nur sehr weite Grenzen gesetzt.

 

Erschwerend kommt bei der Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Ferien­wohnungen in den Gängen und Höfen hinzu, dass nahezu keine der dort gegenwärtig vor­handenen Ferienwohnungen beantragt und genehmigt wurde. Gleichwohl können aber über einen längeren Zeitraum vorhandene und geduldete Ferienwohnnutzungen den jewei­ligen Gebietscharakter mitprägen und damit den Zulässigkeitsrahmen für neu hinzukom­mende wie auch für bestehende Ferienwohnungen mitbestimmen.

 

Zusammenfassend muss somit festgestellt werden, dass der neue § 13 a BauNVO zwar einerseits Klarheit hinsichtlich der Definition von Ferienwohnungen und deren Zulässigkeit in den verschiedenen Baugebieten schafft, andererseits aber der einzelfallbezogen zu ermit­telnde Baugebietscharakter keine im Ergebnis einheitlichen Genehmigungsentscheidungen zulässt.

 

Vor diesem Hintergrund beabsichtigt der Bereich Stadtplanung und Bauordnung ein mehrstufiges Vorgehen:

 

a)   Aktualisierung der mit Stand November 2013 vorliegenden Bestandserhebung zu Ferien­wohnungen in den Gängen und Höfen der Lübecker Altstadt,

 

b)   Zielfindung und –diskussion zum planerischen Umgang mit Ferienwohnungen im Zuge des anstehenden Planungsprozesses „Rahmenplan Altstadt“ sowie

 

c)   Einleitung erforderlicher Planungsverfahren, z. B. Aufstellung einfacher Bebauungspläne mit ausschließlicher Festsetzung von reinen und/oder allgemeinen Wohngebieten, sowie Entscheidung über den Umgang mit bisher nicht genehmigten Ferienwohnungen, z. B. durch Nutzungsuntersagung oder durch nachträgliche Genehmigung.

 

Bezüglich der Zielfindung zum Umgang mit Ferienwohnungen wird vom Bereich Stadtplanung und Bauordnung die Auffassung vertreten, dass ein genereller Ausschluss von Ferienwohnungen in den Gängen und Höfen auch unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Einrichtungen für den Stadttourismus und hier insbesondere für ein vielfältiges Angebot an Beherbergungsmöglichkeiten in der Lübecker Altstadt nicht gerechtfertigt scheint. Gleichwohl sollten unverhältnismäßige Häufungen vermieden und, wo bereits vorhanden, zurückgenommen werden. Darüber hinaus sollte auch eine weitere Ausbreitung von Ferienwohnungen in bisher ausschließlich wohngenutzten Gängen und Höfen ausgeschlossen werden. Diese Ziele sind nach Einschätzung des Bereichs Stadtplanung und Bauordnung zunächst einmal mit der betroffenen Öffentlichkeit und der Politik zu diskutieren, bevor arbeitsaufwendige Bauleitplanverfahren und/oder nicht minder zeitaufwendige ordnungsrechtliche Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde (von der Nutzungsuntersagung über Widerspruchsverfahren und ggf. Verwaltungszwangsverfahren, in Einzelfällen bis hin zu Gerichtsverfahren) eingeleitet werden.

 

Da auch in anderen Bereichen des Stadtgebietes zunehmend (Dauer-)Wohnnutzungen durch finanziell lukrativere Ferienwohnungen verdrängt werden, wird der Bereich Stadt­planung und Bauordnung darüber hinaus prüfen, ob in den betroffenen Gebieten angesichts der fehlenden Ermächtigung für eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung (siehe Abs. 3) Abhilfe mittels Bebauungsplanung geschaffen werden kann. Dies betrifft vor allem die innen­stadtnahen gründerzeitlichen Wohnquartiere, Wohngebiete in Travemünde wie auch die Einfamilienhausgebiete im Umfeld der Hochschuleinrichtungen.

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Baurechtsnovelle zwar einerseits den bisheri­gen Umgang mit Ferienwohnungen in der Lübecker Genehmigungspraxis bestätigt hat, an­dererseits aber die Aufstellung von Bebauungsplänen auch künftig nur sehr eingeschränkt weiterhelfen kann, wenn Ferienwohnungen nicht nur generell ausgeschlossen werden sollen, sondern wenn ein bestimmtes verträgliches Verhältnis von Dauer- und Ferienwohnen ange­strebt wird.

 

 

Zu Absatz 3:  Für den Erlass einer Satzung bzw. Verordnung zum Verbot der Zweckentfrem­dung von Wohnraum fehlt es in Schleswig-Holstein, anders als in anderen Bundesländern (siehe z. B. Hamburgisches Wohnraumschutzgesetz, Zweckentfremdungsverbot-Gesetz Berlin sowie Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum Baden-Würt­temberg), an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

 


Anlagen