Aus der Anlage 2 (Lübecker Gedenkstätten NS-Zeit) ist ersichtlich, dass in Lübeck mehrere Gedenkstätten zur Erinnerung an die Gesamtheit der Opfer des Nationalsozialismus wie auch für einzelne Opfergruppen existieren. Als zentrale Gedenkstätten sind das Relief am Zeughaus (von 1986) und die Steinstele vor dem Holstentor (von 1995) zu nennen. Beide Inschriften basieren auf Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetztes.
Die Inschriften lauten
- „Dem Gedenken der Lübecker Bürger, die in den Jahren 1933 bis 1945 aus politischen, religiösen und rassischen Gründen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden (…)“ beim Zeughaus
- „(...) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. (GG, Art. 3, Abs. 3)“ beim Holstentor.
Bei beiden Gedenkstätten fehlt als der Grund der Verfolgung die Opfergruppe der behinderten Menschen,[1] der Homosexuellen und der Sinti und Roma.
Eine Lücke bei den Opfern mit Behinderung schließt die Bronzeplastik mit dem Titel „Die Bergende“ auf dem Gelände der Vorwerker Diakonie aus dem Jahr 1988. Laut Inschrift erinnert dieses Mahnmal an den 16. September 1940, der Tag, an dem zehn Menschen wegen ihrer jüdischen Abstammung und ihrer Behinderung von hier abgeholt und anschließend getötet wurden. Auf dem heutigen Gelände der medizinischen Universität erinnert seit 1983 ein mit einer Bronzetafel versehener Gedenkstein an die 650 am 23. September 1941 aus der damaligen Heilanstalt Strecknitz deportierten Patientinnen und Patienten, die aufgrund psychischer Erkrankungen Opfer des NS-Regimes wurden. Auch gibt es unter den momentan 170 Stolpersteinen in Lübeck einige, die an diejenigen Menschen erinnern, die aufgrund ihrer Behinderung oder psychischer Erkrankung Opfer des NS-Euthanasieunrechts wurden.
Aus der Übersicht der Gedenkstätten geht hervor, dass es in Lübeck keine gesonderte Gedenkstätte für die die Sinti und Roma, die Zwangsarbeiter/innen sowie für die Opfer der NS- bzw. Wehrmachtsjustiz sowie die verfolgten Homosexuellen gibt.
Laut Auskunft von Herrn Mattäus Weiss vom Verband Deutscher Sinti und Roma e.V. - Landesverband SH wird seitens der Lübecker Sinti und Roma kein gesondertes Denkmal an die Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit gewünscht; man fühlt sich sehr gut aufgehoben und betreut in Lübeck. Herr Weiß sowie weitere Vertreter der Sinti und Roma haben 2013 an der Einweihung des Gedenkzeichens vor dem Lübecker Bahnhof teilgenommen, welches mit einem Fahnenwechsel am 16. Mai alljährlich an die landesweite Deportation von 1940 von Sinti und Roma nach Auschwitz erinnert. An diesem Datum findet in Kiel eine zentrale Gedenkveranstaltung an dem Gedenkstein im Hiroshimapark statt, der die Inschrift „Zum Gedenken an die Sinti und Roma aus Schleswig-Holstein, die dem Völkermord der Nazis zum Opfer fielen“ trägt. Es laufen Vorgespräche zwischen der LHG und einem mit dem Thema Zwangsarbeit vertrauten Lübecker Historiker, um die Geschichte der LHG und der dort beschäftigten Zwangsarbeiter/innen während der NS-Zeit aufzuarbeiten. Die Geschichte von Opfern und Tätern der Wehrmachts-/ NS-Justiz in Lübeck ist dagegen nur in Teilen aufgearbeitet. Eine Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dieser Thematik bieten hier Wanderausstellungen, wie die Ausstellung „Was damals Recht war“ – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“ von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, unterstützt u.a. von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.
Wie in der VO/2014/01582 (Einsatz von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen) bereits dargestellt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass der Stand der Erforschung der NS-Zeit in Lübeck bei vielen Themen noch große Lücken aufweist. Unabhängig von der Errichtung eines Gedenkzeichens für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus empfiehlt die Verwaltung eine vertiefende Aufarbeitung dieses Aspekts der Lübecker Geschichte. Bei der Entscheidung für oder gegen ein eigenes Mahnmal für die einzelnen Opfergruppen ist abzuwägen, ob dies zur Zersplitterung des Gedenkens führen könnte oder ob das individuelle Gedenken Ziel der Erinnerungskultur sein soll.
Der Künstler Erich Lethgau, der 1986 im Auftrag der Hansestadt Lübeck das Mahnmal beim Zeughaus erstellt hat, hat als Kosten für eine Ergänzungstafel den Betrag in Höhe von 12.000,- € inkl. MwSt. angegeben. Der Lübecker CSD e.V. hat zugesagt, eine Ergänzungstafel mit 4.000,- € zu unterstützen. Der Restbetrag in Höhe von 8.000,- € kann aus den Mitteln des Kulturbüros (4.041.4) übernommen werden.
Die Textvorschläge für eine Ergänzungstafel des Mahnmals beim Zeughaus sind:
"In Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung der Kranken und Behinderten sowie der
schwulen und lesbischen Opfer im Nationalsozialismus"
"In Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung der Homosexuellen sowie der Kranken und
Behinderten in nationalsozialistischer Zeit"
"In Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung der Homosexuellen im Nationalsozialismus.