In Folge des oben genannten Auftrages sind vom Beteiligungscontrolling der Hansestadt Lübeck alle städtischen Gesellschaften und Betriebe angeschrieben und gebeten worden, über entsprechende Initiativen Auskunft zu geben.
Das Ergebnis der Abfrage wurde vom Beteiligungscontrolling wie folgt zusammengefasst:
Von den städtischen Gesellschaften und Betrieben gab es bereits vor 1945 die Lübecker Hafengesellschaft mbH, die SANA Kliniken Lübeck GmbH, den Stadtwerke Lübeck Konzern und die Theater Lübeck gGmbH bzw. deren Rechtsvorgänger. Alle anderen Beteiligungen und Betriebe der Hansestadt Lübeck wurden erst nach 1945 gegründet.
Die Geschäftsführung der Lübecker Hafengesellschaft hat sich anlässlich der Anfrage in einer dem Bericht beiliegenden ausführlichen Stellungnahme mit dem Thema „Zwangsarbeit im Lübecker Hafen während des 2. Weltkriegs“ auseinandergesetzt und weist in diesem Zusammenhang auch auf zwei Gedenkstätten im Lübecker Hafen hin, mit denen der Opfer des Krieges gedacht wird ( Gedenktafel am Getreidesilo auf dem Gelände des Nordlandkais sowie im neuen HBV-Sitz im Kesselhaus am Konstinkai) (Anl. 1).
Die übrigen damals bereits existierenden Gesellschaften antworten, dass in den bei ihnen noch vorhandenen Unterlagen aus dieser Zeit keine Hinweise auf Beschäftigung von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen zu finden sind und auch keine sonstigen Erkenntnisse hierüber vorliegen.
Eine entsprechende Anfrage ist zudem durch ein Schreiben des Fachbereichs 2 - Wirtschaft und Soziales, Herrn Senator Sven Schindler am 26.9.2013 an die Industrie- und Handelskammer gestellt worden, mit der Bitte um Weiterleitung an die Mitglieder im Kammeramtsbezirk und der Bitte um Rückmeldung über den Rücklauf (Anl. 2). Dem Schreiben war eine Kopie des Bürgerschaftsauftrags beigefügt.
Über die Ergebnisse der Abfrage kann derzeit noch nicht berichtet werden, da noch keine Rückmeldungen vorliegen.
Vom Archiv der Hansestadt Lübeck sind auftragsgemäß in einer differenzierten Übersicht alle derzeit bestehende Gedenkstätten und Anlässe, zu denen der Opfer des Nationalsozialismus und des Krieges in Lübeck gedacht wird, zusammengestellt worden (Anl. 3a/b).
Zudem wurde vom Kulturbüro des Fachbereichs Kultur und Bildung in seiner aktuell online geschalteten umfangreichen Datenbank zur Kunst im öffentlichen Raum in Lübeck ein gesonderter „Stadtspaziergang“ zu den „Orten des Gedenkens und Erinnerns“ ausgewiesen www.kunstluebeck.de / Audioguide 3 „DenkMal !“ (Anl. 4). Auch hier sind ausführlich und mit entsprechenden Hintergrundinformationen sowohl Gedenkstätten zu den zivilen und militärischen Opfern des Nationalsozialismus aufgeführt sowie auch alle Akteure und Initiativen, die sich in Lübeck mit der Geschichte der nationalsozialistischen Herrschaft und ihrer Opfer in Lübeck auseinandersetzten.
Aus den Anlagen 3 und 4 ist erkennbar, dass es eine sehr vielfältige und lebendige Gedenk- und Erinnerungskultur in Lübeck an die NS-Zeit gibt, die der unterschiedlichen Opfergruppen nationalsozialistischer Verfolgung im Einzelnen oder Allgemeinen gedenkt.
Eine einzelne und besondere Stätte zur Erinnerung an die zahlreichen ZwangsarbeiterInnen, die während der nationalsozialistischen Herrschaft in Lübeck zur Arbeit gezwungen wurden, ist nicht darunter; auch nicht für andere einzelne Opfergruppen wie Homosexuelle oder Sinti und Roma. Die Opfer aus den drei letztgenannten Gruppen werden jedoch durch die Aktion „Stolpersteine“ gewürdigt.
Zum allgemeinen Stand der Erforschung der NS-Zeit in Lübeck weist das Archiv darauf hin, dass diese bei vielen Themen noch große Lücken aufweist (siehe hierzu auch: Jan Lokers, Lübeck 1933-1945: Was wissen wir, was nicht? Stand und Perspektiven der Forschung; in: Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, herausgegeben von Archiv der Hansestadt, Reihe B, Band 52). Geplant ist deshalb im Rahmen der (Zusammen-)Arbeit des Zentrums für Kulturwissenschaftliche Forschung in Lübeck (ZKFL) einen Arbeitskreis „Geschichte des 20.Jahrhunderts in Lübeck“ zu gründen, der sich der Erforschung der zahlreichen noch unbekannten Aspekte auch der NS-Geschichte widmet und zum Ziel setzen wird. Der Verband Deutsche Sinti und Roma e.V. – Landesverband Schleswig Holstein erarbeitet derzeit eine Wanderausstellung „Zwischen Flucht, Vertreibung und Sesshaftmachung – Sinti und Roma in Schleswig Holstein“, die auch die Geschichte der Lübecker Sinti und Roma einbezieht.
Die Geschichte der Zwangarbeiter in Lübeck (u.a. Zahl, Lager, Herkunft, Einzelschicksale in Beispielen) ist durch die Arbeit von Christian Rathmer ( „Ich erinnere mich nur an Tränen und Trauer… Zwangarbeit in Lübeck 1939–1945“, Essen 1999) aufgearbeitet worden, doch besteht hier in der Tiefe noch Forschungsbedarf. Die verschiedenen für die ZwangsarbeiterInnen eingerichteten Lager, deren Lage und ungefähre Belegungsstärke, auch die bei den städtischen Betrieben (LHG, Stadtwerke), sind in der genannten Arbeit aufgeführt. Genaue Zahlen und Einzelheiten über das Schicksal der dort zwangsrekrutierten ArbeiterInnen sind jedoch nicht erforscht.
Hinsichtlich der oben angeführten Rückmeldungen zu dem Thema aus den städtischen Betrieben selbst ist festzustellen, dass die bereits archivierten Betriebs-Unterlagen hierzu von den beiden Gesellschaften im Einzelnen noch nicht überprüft werden konnten.
Die Recherche zu Interessengruppen der Opferverbände hat ergeben, dass diese soweit bekannt nur in einigen Herkunftsländern der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen existieren und Betroffenen vor Ort Hilfestellungen anbieten.
Fazit der bisherigen Bearbeitung des Auftrags: Es existieren mehrere Gedenkstätten zur Erinnerung an die Gesamtheit der Opfer des Nationalsozialismus auch im Lübecker Hafen speziell für die Opfer des Krieges an diesen Orten. Bei der Entscheidung für oder gegen ein einzelnes Mahnmal zum Schicksal der Zwangsarbeit in Lübeck ist abzuwägen, ob dies zur Zersplitterung des Gedenkens führen könnte oder ob das gesonderte Gedenken an die ZwangsarbeiterInnen herausgehobener Teil der Erinnerungskultur sein soll. Die Geschichte der Zwangsarbeit ist grundlegend aber noch nicht umfassend und befriedigend aufgearbeitet. Bei einer Entscheidung für eine gesonderte Erinnerung an die Lübecker ZwangsarbeiterInnen könnte die Form der Erinnerung in Glinde beispielhaft sein (Verlegung einer „Stolperschwelle“ im Jahr 2014)