Vorlage - VO/2014/01454  

Betreff: Bibliothek der Hansestadt Lübeck ? Zukunft und Situation
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senator/in Annette Borns
Federführend:4.416 - Stadtbibliothek Bearbeiter/-in: Hatscher, Bernd
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege zur Kenntnisnahme
12.05.2014 
5. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
24.06.2014 
16. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
26.06.2014 
8. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck /2013 - 2018 zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Die Bürgerschaft beschloss am 28

Beschlussvorschlag

Die Bürgerschaft beschloss am 28.11.2013 zu TOP 10.14 / VO/2013/00991 – Haushaltssatzung, Maßnahmen Konsolidierungskonzept 2014, Seite 10, lfd. Nr. 4.38, und VO/2013/01177, Ziffer 24, Schließung von Stadtteilbibliotheken:

 

Die Maßnahme wird nicht umgesetzt. Alternativ wird der Bürgermeister beauftragt, eine Neuorganisation der Stadtbibliothek und der Stadtteilbibliotheken zu prüfen und mögliche Kosteneinsparungen im Rahmen von Organisationsänderungen aufzuzeigen.

Bibliothek der Hansestadt Lübeck – Zukunft und Situation

Begründung

Bibliothek der Hansestadt Lübeck – Zukunft und Situation

 

 

  1. Bibliothek der Zukunft

 

Aktuelle Daten geben heute Hinweise auf die zukünftige Entwicklung: die Nutzung der Stadtbibliothek Lübeck beläuft sich auf

  • täglich 900 bis 1.000 persönliche Besuche,
  • täglich mehr als 1.500 virtuelle Besuche,
  • die Nutzung hat sich in den vergangenen 10 Jahren mehr als verdoppelt.

 

Bibliotheken verändern sich seit Jahrhunderten. Diese Wandlung setzt sich fort. Deutschlandweit wird in vielen Städten die steigende Bedeutung von Bibliotheken beobachtet und die Häuser werden grundlegend modernisiert (Oberhausen, Oldenburg, Bremen, Kiel, Hamburg, Bonn, Hannover, Leipzig usw.) oder gar komplett neu nach modernsten Gesichtspunkten und überaus kundenfreundlich errichtet (Flensburg, Bremerhaven, Schwerin, Münster, Potsdam, Koblenz, Stuttgart, Augsburg u.a.).

Dabei steht im Vordergrund, dass die Bevölkerung zunehmend Zugänglichkeit zu Quellen außerhalb von populären Internetquellen benötigt und nachfragt. Bibliotheken besetzen erfolgreich Felder im Bildungsbereich.

 

Aus 1 Euro werden mehr als 7:

Der Deutsche Bibliotheksverband äußerte auf seiner Bundestagung 2011 (in der Stadtbibliothek Lübeck), wie Wirkungsmessungen mit modernen betriebs- und volkswirtschaftlichen Instrumenten (ROI, Return on Investment) belegen, dass jeder in eine Stadtbibliothek investierte Euro einen Gewinn in der Kommune von – je nach Studie – 3,20 bis 7,60 Euro generiert[1]. Dabei spricht die in der Fußnote angegebene Quelle (Koop) sogar nur vom Teilbereich des Ausleihbetriebes einer Stadtbibliothek, sodass der Gesamtnutzen höher ausfällt.

 

Schon heute ist absehbar, dass Bibliotheken sich zunehmend zu Orten entwickeln, an denen Kommunikation gelebt wird und Lernen allein oder in Gruppen im Vordergrund steht. Dazu bieten sie alle herkömmlichen und neuen Medienformen an, die gleichberechtigt nebeneinander stehen und deren Auswahl durch qualifiziertes Personal erfolgt. Die Nutzung soll einfach sein und für jede Bürgerin / jeden Bürger möglich.

 

Bibliotheken sind Informationsdienstleister, sie erschließen Quellen und stellen sie zusammen mit notwendigen Arbeitsinstrumenten sowie Räumen zur Verfügung. Kernaufgabe ist, Medien auf Relevanz zu prüfen, zu erwerben und so aufzubereiten, dass Inhalte schnell und unkompliziert abgerufen werden können. Ergänzend werden die Bewahrung und langfristige Ausnutzung der Inhalte sichergestellt.

 

Vielleicht werden in 10 oder 15 Jahren aufgrund der elektronischen Medienformen Schritt für Schritt Flächenzuschnitte verringert werden können, noch ist das nicht abzusehen. Zurzeit sind sowohl der Markt der elektronischen und zugleich derjenige für konventionelle Medien im Wachsen begriffen.

Die Informationsmengen nehmen insgesamt erheblich zu, innerhalb von 10 Jahren stieg allein die Verlagsproduktion in Deutschland um 20 % an. Auch weltweit steigt die Menge an vorhandenen Informationen, die es zu bewerten gilt.

 

Die Veränderung des Medienmarktes und der Medientypen ist im Auge zu behalten. In absehbarer Zukunft werden weitere Medientypen und Ersatz für Datenträger entstehen. Die Frage wird nicht lauten „wie lange gibt es noch Bibliotheken?“ sondern „wie können Bibliotheken die zunehmende Medien- und Informationsflut bewältigen?“.

 

In den „Kulturpolitischen Mitteilungen“ wurde zur Zukunft der Bibliotheken festgestellt:

„Bibliotheken sind weiterhin Garanten eines nicht-kommerziellen und datenschutzkonformen Zugangs zu Information, Wissen und Kultur. In Deutschland – wie in vielen anderen Ländern auch – sind Öffentliche Bibliotheken die am meisten besuchten Kultureinrichtungen. Dabei sind die Motivationen der Bibliothekskunden ganz unterschiedlich: Sie nutzen die Bibliothek als Lernort für Schule, Ausbildung und Beruf, indem sie nicht nur auf die dort vorhandenen Materialien und digitalen Dienstleistungen zugreifen, sondern sich auch in deren Räumlichkeiten zum Zwecke des Lernens oder des gemeinsamen Arbeitens aufhalten. Die meisten Bibliotheken sind niedrigschwellige öffentliche Einrichtungen ohne Konsum- und Legitimationszwang. Mit ihren nichtkommerziellen digitalen Angeboten stellen Bibliotheken auch eine Alternative zu den im Internet agierenden Wirtschaftsunternehmen dar. […]

Bibliotheken müssen sich mit den technischen, sozialen und kulturellen Veränderungen auseinandersetzen und sich daran weiterentwickeln.“[2]

 

So ist der eingangs erwähnte Boom an Neubauten und Modernisierungen von Bibliotheken zu erklären. Bibliotheken sind Dienstleister für massenhafte Nutzung. Dieser Trend wird sich verstärken und die kommunalen Bibliotheken Deutschlands sehr fordern.

 

 

  1. Inhaltliche Ausrichtung der Stadtbibliothek

 

In den vergangenen Jahren richtete sich die Stadtbibliothek neu aus.

Das Hauptaugenmerk wurde auf die Nachfragen der Lübecker Kinder und Jugendlichen gelegt. Hintergrund sind die zahlreichen Bildungsstudien, die Deutschland bestenfalls ein mittleres Leistungsniveau bescheinigen. Die zentrale Forderung der PISA-Studie lautet: „Vermittlung der Fähigkeit des selbst regulierten Lernens“, dafür stehen Bibliotheken mit ihren Medienbeständen.

 

Insbesondere das Profil der Kinder- und Jugendbibliothek wurde geschärft und im Rahmen aufeinander aufbauender Lernangebote (Spiralcurriculum) eine Vielzahl von Bausteinen neu eingeführt. Dazu zählen beispielsweise:

 

  • Bibliotheksführerschein: Kitagruppen und Schulklassen werden je dreimal stufenweise mittels eines zunächst spielerischen Führungsangebots durch Suchaufgaben und Vermittlung an Medienkompetenzerwerb herangeführt. Es liegen Verträge zwischen Kitas/Schulen und der Stadtbibliothek zugrunde, die eine regelmäßige, verlässliche und verstetigte Bildungsarbeit ermöglichen.
  • Bilderbuchkino: für die erste Kontaktaufnahme werden spezielle Bilderbücher visualisiert und vorgetragen. Das Heranführen an Geschichten und Medien dient dem Wecken von Neugier. Fast alle Kinder nutzen in höherem Alter die Bibliothek und verschiedene Medienangebote und können somit Inhalte und Qualitäten vergleichen und differenzierte Betrachtungsweisen entwickeln.
  • Bücherbutscher: Mit dem gleichen Ziel werden Kinder von 2 bis 3 Jahren angesprochen und durch Geschichten usw. an verschiedene Medientypen herangeführt.
  • Lesestart: Die Stadtbibliothek Lübeck nimmt an der bundesweiten Initiative (Bundesministerium Bildung und Forschung, Stiftung Lesen) teil und gewinnt Familien mit dreijährigen Kindern mit dem Ziel, sie an Sprach- und Leseförderung zu beteiligen.
  • Medienangebot/Führungen: Der Medienbestand vom Bilderbuch zum Jugendsachbuch zu komplexen Themen ermöglicht, aus Informationen auszuwählen und sie vergleichend zu betrachten und zu nutzen. In Führungen mit Schulklassen werden dabei Medientypen untersucht und parallel zu Internetangeboten genutzt und bewertet.

 

Aufbauend auf die Kinder- und Jugendbibliothek werden die Medienbestände für  Auszubildende, Studierende, sich Weiterbildende und berufs-/lebensbegleitend für alle Erwachsenen aufgebaut und aktuell gehalten, um Bildungsgerechtigkeit zu unterstützen.

 

Insgesamt geht es der Bibliothek Lübeck um das Ziel, Bildung einschließlich Kultureller Bildung unter Berücksichtigung aller Medienformen zu vermitteln, zu unterstützen und zu ermöglichen.

Die neue inhaltliche Ausrichtung der Stadtbibliothek wurde kundenseits sehr gut angenommen, wie die Nutzungszahlen belegen.

 

 

  1. Der Weg der Stadtbibliothek Lübeck in die Zukunft

3.1.            Sichtbare Veränderungen: Beispiel elektronische Medien

 

Erste Informationen sind oft über Suchmaschinen oder die „Wikipedia“ abrufbar. Dauerhafte oder auf Relevanz geprüfte Medien hingegen sind das nicht, denn sowohl Verlage, wie Internet-Datenanbieter agieren profitorientiert und stellen „harte“ Informationen nur gegen Bezahlung zur Verfügung. Beispielsweise sind Rechtsdatenbanken oder Fachinformation nicht kostenfrei und kein Kinderbilderbuch könnte allein online kostenfrei angeboten werden. Hier ermöglicht die Stadtbibliothek allen den niedrigschwelligen Zugang.

 

Das E-Book ist zusätzlich zu den bisherigen Medientypen Buch, Zeitschrift, CD usw. getreten und ergänzt das Angebot. Die Stadtbibliothek Lübeck hat Ende 2012 die Ausleihmöglichkeit realisiert. Das Angebot auf dem Markt erstreckt sich auf Belletristik und einführende Sachbücher.

Der Service wird durch die Bürgerinnen und Bürger gut angenommen. 2013 entfielen 1,3 % der insgesamt 1.164.000 Ausleihvorgänge auf das E-Book.

 

Tabelle 1

Halbjahr

 

E-Book-Ausleihen

2 / 2012

 

1.433

1 / 2013

 

7.012

2 / 2013

 

8.243

 

Zwar steigen weltweit die E-Book-Verkäufe an, doch gleiches gilt für die konventionellen Medien. Der Marktanteil am deutschen Buchmarkt beträgt 4,1 %, der Umsatzanteil 0,5 %. Die kundenseits erhoffte technische Standardisierung von E-Books steht aus, da sich Verlage und Vertrieb durch Soft- und Hardware untereinander abgrenzen. Es sind zurzeit rund 100 verschiedene Standards auf dem Markt. Ungeklärt sind dabei Fragen der Ausleihkonditionen, der Marktteilhaber und der weiteren Kommerzialisierung des Ausleihsegmentes. Das E-Book bietet Potenzial, voraussichtlich ersetzt es in den kommenden 10 Jahren jedoch keine anderen Medienformen sondern ergänzt sie.

 

Entsprechend der Entwicklung des Medienmarktes und der Mediennutzung verändert sich ständig die Arbeit der Lübecker Bibliothek. Seit 2007 erfolgt der kontinuierliche Aufbau der „DigitalenBibliothekLübeck“, bestehend aus Datenbanken, E-Books, Homepage-Angeboten, Internet-Katalog usw. Die Veränderung hin zur elektronischen Mediennutzung darf als auf einem guten Weg befindlich bezeichnet werden. Gleichzeitig ist die konventionelle Nutzung ungebrochen hoch.

 

Tabelle 2

Jahr

 

Konventionelle Besuche

Virtuelle Besuche

Summe

2003

 

268.000

0

268.000

2006

 

267.000

67.000

334.000

2010

 

300.000

324.000

624.000

2013

 

282.000[3]

476.000

 

758.000

 

Die Einbindung der elektronischen Mediennutzung wurde umgesetzt, ohne die bisherige Mediennutzung zu vernachlässigen. Die Gesamtnutzung der Bibliothek hat sich in 10 Jahren mehr als verdoppelt. Dies sind deutliche Indizien für einen steigenden Bedarf.

 

Heute setzt sich der aktuelle Bibliotheksbestand zu 90 % aus Sach- und Fachliteratur zusammen. Die belletristische („schöne“) Literatur schließt die für kulturelle Bildung wichtigen Werke, die z.B. in Schulen behandelt werden, ein, macht aber insgesamt nur einen Anteil von unter 10 % aus.

 

 

3.2.            Sichtbare Veränderungen: Beispiel Lernort

 

Die Bibliothek entwickelt sich zunehmend zum Lernort, die Betrachtung von Ausleihzahlen ist nicht allein aussagekräftig. Nicht Ausleihzahlen (Quantität) sondern Inhalte (Qualität) sind entscheidend. Die Nutzung ruht auf drei Säulen:

  • Nutzung der bisherigen Medienformen,
  • Nutzung der neuen Medien, bspw. E-Book und Datenbanken, sowie dem
  • Zusammenfinden und Lernen in Gruppen oder allein innerhalb der Bibliothek.

 

Lernort Bibliothek, Beispiel Führungen in der Zentralbibliothek, je 10 – 120 Personen:

 

Tabelle 3

Jahr

 

Anzahl Führungen

Zentralbibliothek

2006

 

156

2011

 

175

2012

 

208

2013

 

213

 

Die Umgestaltung der Bibliothek zum Lernort für Gruppen, Klassen und Führungen wird Zug um Zug umgesetzt. Dazu gehört zentral die Aufenthaltsqualität im Rahmen des Möglichen durch kundenorientierte Möblierung und sich intuitiv erschließende Leitsysteme zu verbessern.

 

3.3.            Sichtbare Veränderungen: Beispiel Erhaltung des kulturellen Erbes

 

Zu den „neuen“ Medientypen ist die Aufgabe der Erhaltung und Erschließung des einzigartigen Altbestandes getreten. Dank der Förderung Lübecker Stiftungen konnten professionelle Geräte beschafft werden, mit denen die Digitalisierung des Altbestandes schrittweise aufgenommen wird. Sobald die technischen Voraussetzungen hergestellt sind (Funktionsfähigkeit Speichermedien und Datenleitungen), können jährlich mittelalterliche Handschriften digital erfasst, inhaltlich aufbereitet und via Internet zur Verfügung gestellt werden. Damit werden sowohl Verfügbarkeit wie Erhaltung der Originale verbessert.

In anderen Bundesländern wurden Einrichtungen mit Fachpersonal geschaffen[4], die sich der Digitalisierung des kulturellen Erbes in Bibliotheken widmen. Die Stadtbibliothek Lübeck trägt das zukunftsorientierte Projekt personell selbst. Das Land Schleswig-Holstein unterstützt seit 2012 punktuell Bibliotheken.

 

 

  1. Geschichte und Vergleiche

 

Das Bild von Bibliotheken ist oft noch geprägt von „Altehrwürdigkeit“, Stille und dem Bild des Bibliothekars, der die Bücher vor der Nutzung schützt. Dieses Bild ist hoffnungslos überholt und hat mit der Realität nichts mehr gemein.

 

Zugleich ist es wichtig, die Geschichte zu kennen und damit das Erbe zu erhalten. Deshalb  ein kurzer Blick zurück und einige vergleichende Daten zur Stadtbibliothek Lübeck:

 

Nachdem Martin Luther 1524 anregte, in Lübeck eine Bibliothek einzurichten, wurde dem durch die Zusammenfassung kirchlicher und weltlicher Einrichtungen Rechnung getragen und 1619 die Bibliothek der Hansestadt als eines der ersten öffentlich zugänglichen Häuser Europas eröffnet. Anfänglich waren 1.100 mittelalterliche Handschriften vorhanden, heute beträgt der Bestand fast 1.100.000 Medien vom Buch bis zur Datenbank.

 

Die Lübecker Bibliothek verfügt über wertvolle Bestände, die weltweit als letztes Exemplar bewahrt werden. Neben der ersten gedruckten Weltkarte, mittelalterlichen Handschriften und einzigartigen Chroniken der Welt und Lübecks, finden sich auch der erste Seeatlas und tausende Werke der Geschichte, Theologie, Botanik, Naturwissenschaften usw. Insgesamt verfügt die Stadtbibliothek mit rund 150.000 Bänden aus der Zeit vom 12. Jahrhundert bis 1850 über den reichsten Altbestand im Bundesland. Die Sammlung resultiert aus der Funktion als Staatsbibliothek bis 1937 und dem gesetzlichen Pflichtexemplarrecht, das die verlagsseitige Anbietung aller regional relevanten Werke umfasst.

 

Mit dem Neubau der Zentralbibliothek 1976/79 erfolgte die Fusion nach anglo-amerikanischem Vorbild aus drei Bibliothekstypen: Historischer, Wissenschaftlicher und Öffentlicher Bibliothek. Dieses gesamte Spektrum wird mit geringerem Aufwand als in anderen Städten erfüllt. Als typisches Beispiel kann die Landeshauptstadt Kiel dienen[5]:

 

Tabelle 4

Stadt

 

Bibliothek

Personalauf-wendungen

Medienanzahl

Personalstellen

Kiel

 

Stadtbücherei

3.061 T€

302.000

58,6

Lübeck

 

Stadtbibliothek

2.522 T€

1.071.000

48,4

 

 


  1. Konsolidierungsmaßnahmen

5.1.            Bereits umgesetzte Maßnahmen

 

Die Stadtbibliothek beteiligte sich an den bisherigen Konsolidierungsbemühungen seit 1999 durch den Abbau von 24 Personalstellen sowie die Schließung von 7 der ursprünglich 11 Stadtteilbibliotheken innerhalb von 13 Jahren. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen waren  Organisationsänderungen und Reduzierungen der Öffnungszeiten notwendig.

 

Im Einzelnen handelt es sich um

  • Stadtteilbibliothek Schlutup
  • Stadtteilbibliothek Eichholz
  • Stadtteilbibliothek Klosterhof (St. Jürgen)
  • Stadtteilbibliothek Hansering (St. Lorenz-Süd)
  • Stadtteilbibliothek St. Lorenz-Nord
  • Fahrbibliothek (Bücherbus)
  • Stadtteilbibliothek Georg-Kerschensteiner-Straße

die (von der letztgenannten Einrichtung abgesehen) jeweils zwischen 35.000 und 100.000 Ausleihvorgänge je Jahr erzielten, also gut bis sehr gut in der Bevölkerung verankert waren.

 

In diesen und den vier vorhandenen Stadtteilbibliotheken Kücknitz, Marli-Brandenbaum, Moisling und Travemünde wurden jeweils 1,5 bis 2,0 Mitarbeiter/innen beschäftigt (Georg-Kerschensteiner-Straße 0,5). Im Rahmen der vergangenen Konsolidierungsmaßnahmen wurden alle Einrichtungen durch Organisations- und inhaltliche Änderungen um 50 % auf 1,0 Mitarbeiterinnen reduziert. Bei den geschlossenen Einrichtungen fielen jeweils alle Personalstellen ersatzlos weg.

 

Bei allen genannten Stadtteilbibliotheken wurden alle Öffnungszeiten in mehreren Schritten reduziert um bis zu 50 %.

 

Zudem erfolgte die Aufgabe aller Veranstaltungen in den Stadtteilbibliotheken. Sie dienten der Öffentlichkeitsarbeit insbesondere dazu, Kindern und Jugendlichen wie auch wenig mobilen Menschen eine Perspektive für sinnvolle Zeitgestaltung und Informationsgewinnung zu geben. Bei Schülerinnen und Schülern wurden die Bildungsangebote bekannt gemacht.

 

Bei der Zentralbibliothek wurden die Leihstelle, das Magazin, die Altbestandsabteilung, der bibliothekarische Informationsdienst und die Katalogisierung durch Organisationsänderungen reduziert. Infolgedessen ist u.a. die Fachabteilung der größten Altbestandsbibliothek Schleswig-Holsteins nicht mehr mit wissenschaftlichem Fachpersonal ausgestattet.

 

In der Zentralbibliothek wurden die Öffnungszeiten um täglich zwei Stunden gekürzt.

 

Darüber hinaus erfolgten Gebührenerhöhungen, zuletzt zum 01.06.2013 um 20 %. Mehreinnahmen in Höhe von bis zu 10 T€ werden erwartet[6].

 

Zum Vergleich: die Landeshauptstadt Kiel mit 118,5 km² ha Fläche unterhält 9 Stadtteilbibliotheken, die Hansestadt Lübeck bei 214,1 km² noch 4. Die Gebühren liegen in Kiel um 25 % niedriger als in Lübeck, die Stadtbücherei Kiel verfügt über 20 % mehr Personal.

 

Zur Überprüfung möglicher weiterer Kosteneinsparungen im Rahmen von Organisationsänderungen wie von der Bürgerschaft durch den im Berichtsanlass zitierten Beschluss vom 28.11.2013 erbeten, werden im Folgenden alle relevanten betriebswirtschaftlichen Kostenträger und Kostenstellen erneut untersucht.

 

 


5.2.            Stadtteilbibliotheken

 

Die Stadtteilbibliotheken dienen als niedrigstschwellige erste Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und weniger mobile Menschen (Behinderung, Alter usw.). Bildung vor Ort wird durch die Stadtteilbibliotheken sichergestellt, sie ergänzen besonders das schulische Angebot. Aufgrund der Ausdehnung Lübecks stellt die derzeitige Ausstattung mit 4 Stadtteilbibliotheken aus fachlicher Sicht die Mindestversorgung dar. Alle Stadtteilbibliotheken wurden personell und finanziell minimiert, die Öffnungszeiten eingeschränkt, Veranstaltungen aufgegeben.

 

Zur Annahme in der Bevölkerung:

Tabelle 5

Stadtteilbibliothek

 

Besuche

2013

Ausleihen

2013

Bemerkungen

Kücknitz

 

11.115

43.437

 

Marli-Brandenbaum

5.278

 

23.944

Wegen Bauschadens über 5 Monate geschlossen

Moisling

 

7.601

32.601

 

Travemünde

 

10.649

41.725

 

 

Die durch den Betrieb der Stadtteilbibliotheken entstehenden Kosten setzen sich überwiegend aus gebäudebezogenen und Personalkosten zusammen.

Gebäudebezogene Kosten werden seitens des Gebäudemanagements ermittelt und verbindlich den Bereichen aufgegeben. Sie sind in ihrer Höhe nicht durch den Bereich Stadtbibliothek zu steuern. Bei Nutzungsaufgabe wären weitere Gebäudekosten nur vermeidbar, wenn die jeweilige Immobilie sofort veräußert wird/werden kann. Direkte Personalkosten würden bei Aufgabeneinstellung nur langfristig sinken, da es sich um unbefristete Teilzeit-Arbeitsverhältnisse weiblicher Beschäftigter handelt, die zwischen 2017 und 2054 enden. Indirekte Personalkosten resultieren aus der Verteilung aller Overhead-Kosten, die sich aus prozentualen Anteilen aller Leitungs- und Zentralpositionen speisen. Diese Kosten würden bei Aufgabeneinstellung nicht eingespart, sondern die Verteilung entsprechend verlagert. Ein Potenzial für Minderaufwendungen entsteht hierdurch auch langfristig nicht.

 

Die vorhandenen vier Stadtteilbibliotheken haben sich positiv entwickelt, Vergleich  der Jahre 2012 und 2013:

Tabelle 6

Bezeichnung

2012

2013

Tendenz Aufwand

Ergebnis, Aufwand[7]

 

564,6 T€

536,7 T€

 

--- davon indirekte Personalkosten

 

162,8 T€

158,4 T€

 

--- davon Gebäudekosten

 

127,1 T€

139,2 T€

 

--- davon direkte Personalkosten

     (nur langfristig zu reduzieren)

270,0 T€

236,5 T€

 

 


Zu den gebäudebezogenen Kosten (Miete und Nebenkosten):

Tabelle 7

Stadtteilbibliothek

 

2012

2013

Bemerkung zum Gebäude

Kücknitz

 

27,7 T€

29,3 T€

PPP-Neubau 2008

Marli-Brandenbaum

62,4 T€

59,9 T€

Mietobjekt, Vertragsbindung bis 2029

Moisling

 

17,2 T€

21,8 T€

„Haus der Mitte“

Travemünde

 

19,8 T€

28,2 T€

Gebäude zu ersetzen

Summe

 

127,1 T€

139,2 T€

 

 

Trotz der gestiegenen Gebäudekosten wurden die Gesamtkosten der Stadtteilbibliotheken verringert, der Kostenanstieg also durch Einsparungen an anderer Stelle durch den Bereich selbst gedeckt. Alle organisatorischen Möglichkeiten zu Optimierungen sind ausgeschöpft. Weitere Einschränkungen des Leistungsangebots z.B. der Öffnungszeiten auf weniger als die derzeitigen 4 halben Tage je Woche, würden zu einer so großen Verringerung des Bildungsangebotes und der Annahme durch die Bevölkerung führen, dass ein Weiterbetrieb nicht vertretbar wäre. Eine weitere Reduzierung wäre gleichbedeutend mit ersatzloser Aufgabe.

Dies liefe den Beschlüssen der Bürgerschaft zuwider, sie lehnte in eindeutigen Voten sowohl Ende 2012 als auch Ende 2013 die Schließung der Stadtteilbibliotheken ab.

 

 

5.3.            Stadtteilbibliothek Moisling, räumliche Veränderung

 

Der Stadtteil Moisling wird in den Planungen der Hansestadt berücksichtigt, beispielsweise wird das Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt“ zur Unterstützung benachteiligter Stadtteile vorangetrieben. Der Bereich Stadtplanung der Hansestadt formuliert dazu:

„Ziel ist es, Verbesserungen des Wohnbestandes, neue Wohnqualitäten und attraktive Wohnumfeld-Gestaltungen zu schaffen und Projekte in den Bereichen Bildung, Beschäftigung und Integration umzusetzen.“[8]

 

Wichtiger Partner vor Ort dabei ist die im „Haus der Mitte“ untergebrachte Stadtteilbibliothek Moisling. Aufgrund des Randlagen-Standortes im Stadtteil und des Eingangs abgewandt von der Straßenkreuzung „Moislinger Berg“ ist sie nicht optimal positioniert. Die Eingangssituation ist abweisend und die Nutzbarkeit der Flächen eingeschränkt. Dazu kommt, dass der bauliche Zustand des Gebäudes aus dem Baujahr 1970 ungünstig ist. Feuchtigkeit, zu ersetzende Fenster und der energietechnische Standard von vor über 40 Jahren drängen zu einer räumlichen Veränderung / einem neuen Standort für die Bibliothek.  Dies könnte ein realistischer Umsetzungsbestandteil im Rahmen des Projektes „Soziale Stadt“ sein.

 

Eine Flächenverringerung bei einer eingeschossigen Lösung (Wegfall der Treppenanlage), eine Aufgabe des Lastenaufzugs bei Unterbringung ebenerdig und eine moderne Heizungsanlage können je nach Immobilie sowohl Bauunterhaltung als auch Nebenkosten deutlich reduzieren und Einsparungen in Höhe von jährlich mindestens 10 T€ erbringen.

 

 


5.4.            Stadtteilbibliothek Travemünde, räumliche Veränderung

 

Der von der Innenstadt am weitesten entfernte Stadtteil Travemünde verfügt seit den frühen 1930er Jahren über eine Stadtteilbibliothek.

Seit 2007 besteht die Idee, die Stadtteilbibliothek Travemünde gemeinsam mit anderen städtischen Einrichtungen in die teilweise freiwerdende Stadtschule Travemünde zu verlegen. Ziel war die Bildung eines kleinen „Stadtteil-Verwaltungszentrums“ zum Vorteil der Bewohnerinnen und Bewohner und die Gewinnung von möglichen Synergieeffekten.

 

Der aktuelle Standort „Am Lotsenberg/Parkallee“ soll aufgegeben werden. Das Gebäude ist überwiegend freigezogen. Nach alternativer Unterbringung der noch vorhandenen Nutzung der Stadtteilbibliothek und des Sozialraumes für Politessen ist beabsichtigt, das Gebäude mit Grundstück für den Verkauf freizugeben. Entsprechende Möglichkeiten der Unterbringung in der Stadtschule Travemünde bestehen hierzu und werden zurzeit untersucht.

 

Wird eine ebenerdige und Platz sparende Lösung gefunden, so sind je nach Räumlichkeit dauerhaft Einsparungen bei Bauunterhaltung und Nebenkosten möglich, die sich mit mindestens 10 T€ jährlich niederschlagen.

 

 

5.5.            Neuer Standort für das Magazin der Stadtbibliothek

 

Zwei Gebäude des ehemaligen Priwall-Krankenhauses (vormals Kaserne) werden seit 1984 als Magazin der Stadtbibliothek für rund 640.000 Medien aus der Erscheinungszeit ab dem 15. Jahrhundert genutzt. Zuvor waren die Bücher auf klimatisch inakzeptable Bunker etc. verteilt und im Anschluss aufwändige Restaurierungen erforderlich. Die Bücher werden laufend genutzt und bei Bestellung in die Innenstadt geholt. Aufgrund der Nutzung und des hohen kulturellen wie finanziellen Wertes ist eine nennenswerte Reduzierung dieser Bestände nicht möglich.

Gebäudetechnisch können die Flächen aufgrund der Haushaltssituation schon seit vielen Jahren nicht mehr adäquat unterhalten werden, Raumklima und Gebäudezustand sind eine Bedrohung für die wertvollen, z.T. mittelalterlichen, Bücher. 2009 haben deshalb Archiv, Museen und Bibliothek gemeinsam das Projekt „Wissens-Speicher“ initiiert. Ziel dieses, zwischenzeitlich als umsetzungsreife Planung vorliegenden Projektes ist es, den gesamten historischen und gesetzlich vorgeschriebenen Archiv- und Magazinbestand der Hansestadt platzsparend und energetisch wie personal- und gebäudewirtschaftlich deutlich kostensparender gebündelt an einem Ort unterzubringen. Zu berücksichtigen ist, dass die derzeit genutzten Gebäude in Bezug auf Nebenkosten einen laufenden Unterhalt erfordern, der nicht mehr zeitgemäß ist. Hohe Decken, fehlende Dämmung, viele kleine und schlecht nutzbare Räume, zu ersetzende Heizungsanlage einschl. der Heizkörper stehen einer ökonomischen Nutzung dauerhaft im Wege.

 

Die Stadtbibliothek wird auf dem Priwall mit 8.151 berechnet, tatsächlich werden rund 6.300 genutzt (übrige Fläche Leerstand, vgl. Punkt 5.6.). Das Projekt Wissens-Speicher sieht durch sachgerechte Räume und den Einbau einer Rollregalanlage eine Flächenreduzierung auf 4.500 vor.

 

Die Belegungskapazität des Archivs der Hansestadt ist bis auf wenige Meter vollständig ausgeschöpft.  Die noch zur Verfügung stehenden Flächen genügen nur noch für wenige Jahre und der Problemdruck erhöht sich durch die seitens des Archivs benannten Feuchtigkeitsprobleme (Schimmelbildung).

 

Die Museen der Hansestadt verfügen über zahllose Sammlungsstücke, die in Nebengebäuden, Kellern und auf unisolierten Dachböden gelagert werden.

 

An alle diese Flächen sind besondere bauphysikalische (natürliche Klimatisierung) und sicherungstechnische Anforderungen zu stellen. Nur die Einhaltung dieser Parameter sichert die dauernde Erhaltung der eingebrachten Kulturgüter, verhindert ihre Schädigung und vermeidet das Entstehen hoher Folgekosten:

  • Temperatur von 16 Grad (plus/minus 2 Grad)
  • „Natürliche Klimatisierung“ durch Wandaufbau. Nach dem „Kölner Modell“ doppelwandige Voll-Ziegelsteinwand (49 cm) mit vorgehängtem Witterungsschutz[9]

 

Empfohlene Grenzwerte nach V DIN 33901 „Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut“ (Vornorm)

Tabelle 8

Archiv-/Bibliotheksgutart

Temperatur (°C)

relative Feuchte (%)

Papier,

laufend benutztes Magazin

18,

Toleranz ± 2

30 - 50,

Toleranz ± 3

Pergament, Leder

2 - 18,

Wechsel 1°C pro Stunde

50 - 60,

Wechsel 3 % pro Stunde

An Magazine sind besondere Anforderungen hinsichtlich Temperatur, Luftfeuchte etc. zu stellen (DIN ISO 11799 Information und Dokumentation). Ungeeignete Klimafaktoren verringern dagegen die Lebenserwartung von Bibliotheks-, Archiv- und Museumsgut erheblich, indem sie Schädigungen und Abbauprozesse initiieren, fördern und beschleunigen. Die Folge sind exorbitant hohe Restaurierungskosten.

 

Die notwendige Deckentragfähigkeit ist mit 1.250 kg/m² definiert.

 

Die Schaffung neuer Magazinflächen im Verbund Archiv, Museen und Stadtbibliothek hätte neben den Synergieeffekten in der laufenden Bewirtschaftung für die Hansestadt folgende Vorteile:

  • Sicherung ausreichender Raumressourcen zur Erfüllung der archivischen gesetzlichen Pflichtaufgaben auf längere Sicht
  • Vermeidung des bisherigen Mehraufwands zur Betreuung und Nutzung (Aushebung von Archivalien) von zwei Außenstellen
  • geringere Unterhaltungskosten für alle beteiligten Bereiche
  • keine Investitionen in unwirtschaftliche Liegenschaften
  • keine Sanierung von im Unterhalt teuren Flächen
  • Erzielung von Nachhaltigkeit und gesicherte Einhaltung des Klimaschutzes
  • gleiche Medienzahl auf weniger Fläche ist möglich
  • Energetische Zukunftsfähigkeit / Klimaschutz

 

In einem bewusst einfachen Neubau könnten die magazinierten Bestände der drei Einrichtungen auf engstem Raum untergebracht und für die Nachwelt erhalten werden. Bisher konnte der „Wissens-Speicher“ aufgrund des Anfangsinvestitionsbedarfs im Rahmen des gedeckelten Investitionsprogramms der Hansestadt nicht umgesetzt werden. Die Notwendigkeit einer Lösung wird jährlich größer.

 

Das Projekt „Wissens-Speicher“ wurde der Bürgerschaft am 25.06.2009 in einem Bericht erstmals vorgestellt[10]. Nach Angaben der KWL wäre die Senkung der Betriebskosten für das gesamte Magazin für alle drei Bereiche auf jährlich 39,5 T€ möglich[11], derzeit handelt es sich um 88,3 T€. Bei Umsetzung des Projekts „Wissens-Speicher“ würden die oben angegebenen erheblichen Gebäudeflächen frei und zusätzlich zu den Einsparungen bei der Bewirtschaftung Einnahmen durch Veräußerung erzielbar.

 

Die Stadtbibliothek allein kann durch einem sachgerechten Bau die von ihr genutzte bzw. ihr zugeordnete Magazinfläche von 8.151 auf 4.500 m² reduzieren und damit dauerhaft Einsparungen auch bei der Bauunterhaltung erzielen. Die Daten des GMHL für Bauunterhaltung und Nebenkosten[12] zugrunde gelegt, ist bei Reduzierung der Fläche um 45 % rechnerisch die Reduzierung der Bauunterhaltung/Miete um 36,5 T€ möglich.

 

Wird kein Bibliotheksmagazin gefunden, so ist absehbar, dass die auf dem Priwall genutzten Gebäude nicht mehr ausreichend Schutz gewähren. Eine Zwischenlösung sollte vermieden werden, um dadurch veranlasste zusätzliche Kosten für Anmietungen und Transporte nicht entstehen zu lassen, die Kosten könnten jährlich bei mehreren 100 T€ liegen. Durch den in Aussicht stehenden Teilabriss des Gebäudekomplexes im Zusammenhang mit der schrittweisen Umsetzung der geplanten Priwall-Entwicklung werden aktuell bereits erhebliche Kosten für den Ersatz der Heizung erforderlich, ohne dass diese Investition in ein auf Dauer geeignetes Konzept an diesem Ort für den Unterbringungsbedarf der Stadtbibliothek fließt. Der Teilabriss wird seitens des Gebäudemanagements geplant und beauftragt, der Stadtbibliothek liegen Details derzeit nicht vor.

Insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen empfiehlt sich deshalb die baldige Umsetzung des  Projektes.

 

 

5.6.            Aufgabe nicht genutzter Flächen im Magazin der Stadtbibliothek

 

Der Stadtbibliothek wurden im Wege der Zuordnung von Gebäudekosten Leerstandsflächen zugewiesen, die sie zu keiner Zeit nutzte oder beanspruchte. Seit 1984 ist das Magazin der Stadtbibliothek mit rund 640.000 Medien in Teilen der Häuser IV und V des ehemaligen Priwall-Krankenhauses untergebracht.

In den gleichen Gebäuden jedoch auf völlig getrennten Flächen waren schon vor der Nutzung durch die Bibliothek zusätzlich zwei andere Einrichtungen untergebracht, die bei Nutzungsende leere Flächen hinterließen. Diese wurden der Bibliothek ohne sachlichen Zusammenhang zugeordnet. Die Stadtbibliothek war als Vermieter eingesetzt, die Mieten waren bei Weitem nicht kostendeckend. Es handelt sich um:

 

  • 1979 bis 2013 nutzte die Caritas federführend für mehrere Sozialverbände in Haus IV eine Fläche von 587 für Senioren-Stadtranderholung des Bereichs 2.500/Soziale Sicherung.

1984 bezog das Magazin der Stadtbibliothek den baulich separaten größeren Hausteil.

 

  • Seit den 1970er Jahren nutzte die Lebenshilfe e.V. (Vermietung durch Grundstücksgesellschaft Trave mbH) ca. 1.210 m² im Erdgeschoss des Hauses V, anschließend diente die Fläche dem Bereich 2.640/Wohnen/Migrantenangelegenheiten als Aussiedlerheim. 2006 wurde das Aussiedlerheim aufgegeben, seitdem Leerstand.

Die Stadtbibliothek nutzt das darüberliegende baulich separate Obergeschoss seit 1984.

 

Beide Flächen können seitens der Bibliothek sofort abgegeben und aus der Kalkulation für die Bibliothek entfernt werden. Von den Angaben des städtischen Gebäudemanagements GMHL ausgehend, handelt es sich bei den genannten Flächen in der Größe von 1.797 m² hochgerechnet um 17,8 T€ Miete und 19,1 T€ Nebenkosten, die der Bibliothek zugeordnet werden[13].

 

 


5.7.            Fahrtkosten

 

Im Zusammenhang mit dem Bibliotheks-Magazin stehen Aufwendungen für den Transport, um von dort Medien, die in der Innenstadt verlangt werden, zu holen bzw. zurückzubringen. Die Fahrten werden organisatorisch durch entsprechende Einsatzplanungen mit denjenigen zu allen anderen Bibliotheken (einschl. Stadtteilbibliotheken, Universitätsbibliothek, Nachbarbibliotheken usw.) verbunden, um Dauer und Kosten gering zu halten.

Wird das Projekt Wissens-Speicher umgesetzt und ein Magazin in größerer Innenstadtnähe bezogen, so würden auch die mit dem Standort Priwall verbundenen Fahrtkosten eingespart.

 

Eine Einsparung von Sachkosten in Höhe von 1 T€ jährlich ist  je nach Lage und Entfernung bzw. Erreichbarkeit des Wissens-Speichers erzielbar.

 

 

5.8.            Interne Leistungsabrechnungen (ILA)

 

Im Rahmen der Internen Leistungsabrechnung werden der Stadtbibliothek wie auch allen anderen Bereichen Kosten derjenigen städtischen Bereiche zugeordnet, die verwaltungsinterne Leistungen erbringen wie z.B. Personalarbeit, IT, Gebäudeverwaltung und viele andere Leistungen. Eine echte Steuerungsmöglichkeit für diese Kosten besteht für die Stadtbibliothek dabei in aller Regel nicht.

 

Aufgrund der städtischen Regelungen zur Internen Leistungsabrechnung gibt es einen Abnahmezwang bei den internen Dienstleistern, so dass die grundsätzliche Bereitschaft der Stadtbibliothek, einige Aufgaben in Eigenregie bei eigener Mittelverwaltung wirtschaftlicher zu erbringen, nicht realisierbar wäre.

 

Aus gesamtstädtischer Sicht mag der Abnahmezwang bei den internen Dienstleistern nachvollziehbar sein, da auch bei wirtschaftlicherer Erledigung von Teilaufgaben in einem der abnehmenden Bereiche selbst, sich im Gesamthaushalt der Stadt keine Einsparung ergäbe (die Verrechnungen findet auf Vollkostenbasis statt, die nicht insgesamt eingespart werden können).

 

Gleichwohl muss bei jeder Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Stadtbibliothek darauf hingewiesen werden, dass von den Gesamtaufwendungen der Stadtbibliothek über 25 % auf interne Leistungsabrechnungen[14] zurückzuführen sind, die nicht bzw. weitgehend nicht gesteuert werden können.

 

 

5.9.            Digitalisierung historischer Medien

 

Die Stadtbibliothek Lübeck verfügt über rund 150.000 Medien aus der Zeit des 12. Jahrhunderts bis 1850. Diese Medien werden durch wissenschaftlich tätige Forscher und die Bürgerinnen und Bürger Lübecks intensiv genutzt, sie sind und bleiben von dauerhaftem – sogar tendenziell zunehmendem – Wert. Selbstverständlich werden solche wertvollen Bestände nicht an Kundinnen und Kunden ausgeliehen und von ihnen nach Hause mitgenommen, die Nutzung ist aufgrund der materiellen und kulturellen Substanz im Lesesaal unter Aufsicht und fachlicher Hilfe möglich. Dazu reisen jährlich Interessenten aus allen Kontinenten nach Lübeck, um hier im Laufe von einigen Tagen oder Wochen zu wohnen und zu arbeiten.

 

Könnten alle diese historischen Medien digitalisiert werden, entfiele für einige der genannten Kundinnen und Kunden die Notwendigkeit der Lesesaalnutzung, wenn die Medien vollständig im Internet recherchierbar wären. Moderne Scannertechnologie, fachliche Zuordnung und Katalogisierung der Digitalisate, Aufbereitung der graphischen Komponenten und der zugehörigen Datenbanken, Sicherung auf Festplatten, Erstellung eines virtuellen Zugangsportals usw. sind zwar grundsätzlich nur mit befristet angestelltem zusätzlichen Fachpersonal möglich. Bisher fehlten Ressourcen, um ein solches Großprojekt von internationaler Bedeutung exakt auszuarbeiten. Es würde jedoch weit über Lübeck hinaus Bekanntheit erlangen und zweifellos Medienwissenschaftler, EDV-Spezialisten und Bibliothekswissenschaftler auf die Hansestadt schauen lassen. Rund 75 Mio. Seiten à 15 Sekunden, 150.000 Bände à 15 Min. für Katalogisierung und Datenbankarbeiten, 150.000 Bände à 1 Min. Transport,  Prüfung 150.000 Bände mit anschließender Restaurierung für geschätzt 20.000 Bände, EDV-Technik einschl. Wartung und Betriebsleistung, Scannertechnologie und verwaltende Tätigkeiten werden ein Kostenvolumen von mindestens 15 Personenjahren zzgl. Sachkosten, insgesamt mehr als 3.300 T€ erzeugen. Möglicherweise kann ein kleinerer Teil dieser Sachkosten über Stiftungsförderungen usw. eingeworben werden.

 

Eine Einsparung einer Lesesaal-Aufsicht kann nach erfolgter Umsetzung des Projekts langfristig erzielt werden, es handelt sich um 21,1 T€. Zweifellos ist dies auf den ersten Blick kein rechnerisch überzeugendes Ergebnis, doch die Aufmerksamkeit, die Lübeck damit erzeugen könnte, würde sich in Medienberichterstattung niederschlagen und somit einen nicht unerheblichen Mehrwert erzeugen.

 

 

5.10.        Reduzierung Stellenplan

 

Durch systematische und regelmäßige Überprüfung der bereichsinternen Betriebsabläufe und möglicher Organisationsänderungen ist es der Stadtbibliothek in den vergangenen Jahren gelungen, steigende Kosten für Rohstoffe, Materialien, Dienstleistungen, EDV usw. durch interne Einsparungen zu decken. Alle Arbeitsbereiche wurden wiederholt optimiert (vgl. Punkt 5.1.: Reduzierung um 24 Personalstellen). Trotz der damit erforderlichen teilweisen Einschränkungen von Angeboten für die Kundinnen und Kunden (z.B. Öffnungszeiten) ist zugleich immer darauf geachtet worden, das Angebot nicht „kaputt zu sparen“ und  Potentiale für ein zukunftsfähiges und bedarfsorientiertes Bibliotheksangebot weiterhin zu eröffnen und sicherzustellen.

 

Zuletzt wurde am 31.12.2013 eine weitere Stelle (100 %, SHBesG A6, Personalkostendurchschnittswert 43,2 T€) von der Stadtbibliothek eingespart und im Stellenplan 2014 ebenda gestrichen[15].

 

 

  1. Unmittelbare Herausforderungen für die Stadtbibliothek

 

Personal:

Ein Bibliotheksbetrieb benötigt Fachpersonal, dabei sind insbesondere von Hochschulen ausgebildete Bibliothekarinnen/Bibliothekare mit Bachelor- und Master-Abschluss und der spezifische Ausbildungsberuf der/des Bibliotheksfachangestellten zu nennen.

Beide Berufsbilder sind (außer bei der Stadtbibliothek) innerhalb der Stadtverwaltung nicht anzutreffen.

Aufgrund natürlicher Fluktuation und altersbedingter Abgänge (jährlich 2 – 3 Personalstellen) verliert die Bibliothek seit Jahren Fachprofile. Innerhalb der Verwaltung ist bibliotheksfachlich qualifiziertes Personal nicht zu gewinnen. Bibliotheksspezialisten werden dringend benötigt, um Abgänge auszugleichen und das moderne Angebot aufrecht zu erhalten (externe Wiederbesetzungen). Die Vorstellung, Bibliothekspersonal stellt lediglich Bücher in Regale und dies könnten auch Ungelernte, entsprach niemals der Realität.

Entwicklung in die Zukunft ist nur mit qualifiziertem und motiviertem Personal möglich.

 


RFID:

Eine absehbare Herausforderung ist die Entwicklung der Bibliotheks-EDV-Technik, die den Bestand erschließt und die Verleihung ermöglicht.

In Lübeck werden täglich rund 8.000 Medien zur Ausleihe und Rückgabe gebucht. Darüber hinaus fallen jeden Tag mehrere tausend Leihfristverlängerungen, Medienvorbestellungen, Mahnfälle, Anmeldungen usw. an. 2013 wurde das seit 1995 in Betrieb befindliche Verbuchungssystem als eine Komponente des Gesamtsystems ersetzt, da die damals verwendeten technischen Komponenten nicht mehr hergestellt, gewartet und betriebsfähig gehalten werden konnten. Aufgrund der Haushaltssituation wurde 2013 auf ein Handscanner-System umgestellt, das unverändert den Barcode nutzt und günstig zu installieren war. Das Barcode-System wird bald zu ersetzen sein.

 

Rund 200 Städte in Deutschland stell(t)en ihre Stadtbibliotheken auf ein System unter Nutzung der Radiofrequenz-Identifikationstechnologie (RFID) um. Im Unterschied zum Handel, der Barcodes/RFID-Chips für die einmalige Aktion benötigt, werden in Bibliotheken verknüpfte Funktionen Katalogdatensatz-Exemplardatensatz-Ausleihvorgang-Mahnung-Rückgabe-Vorbestellung in Kombination mit Kundendaten notwendig. Insofern ist Bibliotheks-Medienverbuchung um ein Mehrfaches komplexer und aufwändiger als Warendistributions-Software.

 

Bibliotheks-RFID[16] wurde zunächst in Hamburg, München, Stuttgart, und Frankfurt am Main eingeführt. Inzwischen wird auch in Flensburg, Kiel, Wilhelmshaven, Bielefeld, Hannover, Halle/Saale, Hamm, Köln, Koblenz, Leipzig, Reutlingen, Bad Oldesloe u.v.m. (geplant in Oldenburg, Bremen und Neumünster) RFID-Technologie genutzt. Die Entwicklung beschleunigt sich. Es gibt keine Alternativen, bisherige technische Lösungen laufen aus.

 

Die Umstellung auf RFID bedeutet, das gesamte EDV-System umzurüsten. Als Basis ist in Lübeck die bisher verwendete Bibliothekssoftware vorhanden. Sie ist eine besonders fortschrittliche und auf RFID bereits ausgerichtete Software.

Insofern sind zwar Investitionen notwendig, verglichen mit anderen Großstadtbibliotheken sind die Größenordnungen niedriger. Das Leipziger Bibliothekssystem benötigte rund 1.400 T€, Kiel 600 T€, Hamburg über 6.400 T€. Für Lübeck wird der Aufwand rund 500 T€ betragen.

 

 

  1. Fazit

 

In den voran stehenden Abschnitten konnte eine Reihe von möglichen Organisationsänderungen aufgezeigt werden, in deren Folge deutliche Kosteneinsparungen erzielbar sind.

Weitere wirtschaftliche und fachliche Profilierungen des Bereichs werden derzeit nur durch gezielte Investitionen gesehen. Die Möglichkeit eines weiteren Zurückfahrens der Leistungen beim Angebot für die Bürgerinnen und Bürger zugunsten von Einsparungen bzw. zur Deckung von Verwaltungskosten über das bisherige hinaus, wird derzeit nicht gesehen.    

 

Eine weitere Einschränkung der Angebote der Stadtbibliothek ist aus fachlicher Sicht auch vor dem bildungspolitischen Hintergrund und Anliegen der notwendigen und zu intensivierenden Bildungsbemühungen zu diskutieren – und erscheint dabei kontraproduktiv. Die Bibliothek der Hansestadt hat sich zu einem modernen Dienstleistungszentrum entwickelt. Neben den Schulen, hat sie die höchsten Nutzungszahlen aller städtischen Einrichtungen. Die Zukunft der Bibliotheken wird geprägt von wachsender Nutzung durch die Bevölkerung und einer laufenden Veränderung der Medientypen und der Technik.

 

Bildungspolitische Herausforderung bleibt: Ausbau und technische Modernisierung stufenweise voranzutreiben, um den Bürgerinnen und Bürgern in Lübeck die Möglichkeit des „selbst regulierten Lernens“ zu erhalten und den wachsenden Ansprüchen anzupassen.

 


[1] Die Humboldt-Universität Berlin spricht von einem „Bibliotheks-Boom“, s.a. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 16.03.2014 „Der irre Boom der Bibliotheken“

Zahlreiche ROI-Wirkungs-messungen für Bibliotheken sind erschienen, Beispiele:

http://www.emeraldinsight.com/journals.htm?articleid=1896399&;show=abstract

oder

http://www.wiso.hs-osnabrueck.de/fileadmin/users/451/upload/Arbeitspapiere/AP_18_Wirkungsmessung_fuer_Bibliotheken_Koop.pdf

 

 

[2] Barbara Lison: Die Zukunft der Bibliotheken. In: Kulturpolitische Mitteilungen, 2013, H. IV/143, S. 6/7

 

[3] 2013 Gebührenerhöhung um 20 % sowie 1 Stadtteilbibliothek wegen Bauschadens 5 Monate geschlossen

 

[4] Beispielsweise Digitalisierungszentren in Köln, Göttingen, Dresden oder München, die in Zusammenarbeit mit Bibliotheken und einer Personalstärke von bis zu 100 die Aufgaben übernehmen.

 

[5] Personalaufwendungen gem. Ergebnisplänen 2014, andere Daten gem. Deutscher Bibliotheksstatistik

 

[6] Sitzung der Bürgerschaft vom 28.02.2013, TOP 10.2, Drucksache VO/2012/00013

 

[7] KLR, Berechnung Haushalt und Steuerung, Stand: 14.01.2014

 

[8] http://stadtentwicklung.luebeck.de/stadtplanung/stadtteile/moisling/index.html

 

[9] Hans Stein, Fragen der Anwendung des Kölner Modells im Archivbau. In: Der Archivar, Jg. 45, 1992, H. 3, S. 409 ff.

 

[10] Sitzung der Bürgerschaft vom 25.06.2009, TOP 8.2, Drucksache 924

 

[11] KWL: Wissens-Speicher Lübeck, Vorstellung der Projektentwicklung, Stand: 18.06.2008

 

[12] GMHL: Tabelle zur Kalkulation der Miete und Nebenkosten 2014, Stand: 25.11.2013

 

[13] Berechnung auf Basis der in Fußnote 12 genannten Tabelle: 22 % Leerstand von Gesamtfläche = 22 % der Gesamtkosten von 167,8 T€. 22 % = 36,9 T€, davon 17,8 T€ Miete und 19,1 T€ NK.

 

[14] Ergebnisplan 2014, Produkt 272001, ILA: 1.145,5 T€

[15] Veränderungsliste für den Stellenplan 2014, S. 21 (Bibliothek, Stellenplannummer 3520.1.0090) bzw. S. 28 (Kindertageseinrichtungen, dort „Zuarbeiter/in Kinderpfleger/in“)

 

[16] Übersicht der Entwicklung von RFID: http://www.bibliotheksportal.de/fileadmin/user_upload/content/themen/rfid_voebb/9_veroeffentlichungen/sprengelRFIDgutachten.pdf

 

keine

Anlagen

keine