Veröffentlicht am 08.09.2023

Sexarbeit: Weniger Vorurteile, mehr Schutz

Fachtag zum Prostituiertenschutzgesetz in Lübeck mit 110 Gästen

„Dass das Prostituiertenschutzgesetz vor sechs Jahren auf den Weg gebracht wurde, war richtig - gerade mit Blick auf den Gesundheitsschutz und die Altersvorsorge. Jetzt gilt es, an den richtigen Stellen nachzubessern. Dabei müssen wir vor allem die Anmeldepflicht in den Blick nehmen, die leider nicht ausreichend zum erhofften Schutz vor Ausbeutung und Gewalt beiträgt. Stattdessen werden viele Prostituierte in die Illegalität gedrängt, wo man sie nur schwer beraten und unterstützen kann“, erklärte Gleichstellungsministerin Aminata Touré am 6. September 2023 auf dem Fachtag zum Prostituiertenschutzgesetz in Lübeck.

„Leider haben wir bisher, trotz der Anmeldepflicht, keinen verlässlichen Überblick über die Arbeitssituation von Prostituierten. Die immer wiederkehrende Debatte, Sexarbeit komplett zu kriminalisieren, ist deshalb genau der falsche Ansatz. Das würde nur dazu führen, dass noch mehr Personen im Geheimen arbeiten und weniger sicher wären“, so die Ministerin weiter.

Touré erklärte, man müsse klar zwischen Sexarbeit und sexualisierter Ausbeutung unterscheiden und appellierte für mehr Sichtbarkeit von Prostituierten.

Auch Ruby Rebelde, selbst in der Sexarbeit tätig, forderte mehr Anerkennung für sich und ihre Kolleg:innen und appellierte an die Gäste, Vorurteilen vehement gegenüberzutreten. „Sexarbeitsfeindlichkeit abbauen, das geht nur gesamtgesellschaftlich. Der erste Schritt muss sein, Sexarbeitenden zuzuhören - was sie sich wünschen, fordern oder kritisieren."

„Obschon Sexarbeit oft Gegenstand öffentlicher Debatten ist, gibt es meist wenig Zugang zu fundierten Informationen. Mit der Veranstaltung wollten wir, anlässlich der aktuell laufenden Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes, einladen, aus verschiedenen Blickwinkeln auf das Thema zu schauen“, erklärt Elke Sasse, Gleichstellungsbeauftragte der Hansestadt Lübeck.

Neben dem fachlichen Austausch nahmen die Gäste von Gesundheits- und Gewerbeaufsichtsämtern, Beratungsstellen, Polizei, Kommunalpolitik und Gleichstellungsbeauftragte die geplante Überarbeitung des Prostituiertenschutzgesetzes 2025 in den Blick. Diskutiert wurde, wie sich das Gesetz aktuell auf die Arbeit der Sexworker auswirkt, wie gut sich Gesetzesvorgaben durch Gesundheits- oder Gewerbeaufsichtsamt umsetzen lassen oder ob es Verbesserungsbedarf gibt. Auch die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Beratungsstellen und ob das Gesetz tatsächlich Schutz für alle Sexarbeitende bietet, wurde thematisiert.

Claudia Rabe von der Fachberatungsstelle cara*SH, in Trägerschaft der Nordkirche (Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland), berichtet von Klientinnen, die besondere Unterstützung benötigen. „Einige Sexarbeitende sind gezwungen, illegal zu arbeiten, und erleben Diskriminierung. Die Gesetze und der darüber geführte öffentliche Diskurs sind weit von ihrer Lebensrealität entfernt. Es ist notwendig, auch ihre Anliegen sichtbar zu machen.“

Gemeinsam mit Kim Kairis von Cara*SH brachte Lena Schmidt von der Fachstelle für Sexarbeiterinnen in Schleswig-Holstein (Frauennetzwerk zur Arbeitssituation e.V.) Eindrücke aus dem Beratungsalltag ein. Sie betonte die Notwendigkeit guter Ausstattung der Beratungsstellen. „Menschen müssen die Möglichkeit haben, frei und selbstbestimmt ihren Beruf zu wählen und unter fairen Bedingungen auszuüben. Ein Ausbau von niedrigschwelligen Beratungsangeboten ermöglicht gute Beratung, schnelle Hilfe und Empowerment, auch im Fall von Gewalt und Arbeitsausbeutung.“

Eine weitere Erkenntnis des Fachtages war: Nutzer:innen von sexuellen Dienstleistungen werden bisher zu wenig adressiert. Hier seien Aufklärungskampagnen notwendig: vor allem zu den Themen Kondomnutzung, Fairness und respektvoller Umgang mit Sexarbeitenden. Bildung und Aufklärung zu sexueller Selbstbestimmung, Gesundheitsprävention und einem fairen Miteinander seien nicht nur Sexarbeits- sondern gesamtgesellschaftliche Themen, zu denen generationenübergreifend Bildung stattfinden müsse.

Veranstalterin Stefanie Kohlmorgen, vom Frauennetzwerk zur Arbeitssituation e.V., freute sich über das große Interesse an der Veranstaltung. „Uns war es wichtig, die Situation der möglichen Gesetzesänderungen von allen Seiten zu betrachten. In angeregten Diskussionen war es möglich, Argumente auszutauschen und wichtige Anregungen für die Evaluierung mitzunehmen.“

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Quelle: Frauenbüro