Die Generaldirektion der UNESCO hat bekanntgegeben, dass bedeutende Dokumente aus der Hansezeit ins weltweite Register „Memory of the World“ aufgenommen werden. Insgesamt 17 Dokumente und Dokumentengruppen aus elf Archiven und Bibliotheken aus sechs nordeuropäischen Ländern gehören nun zum „Gedächtnis der Welt“. Eingereicht wurde der Antrag 2017 vom Archiv der Hansestadt Lübeck (AHL). Das Europäische Hansemuseum (EHM), das die Geschichte der Hanse museal ausstellt, vermittelt und erforscht, freut sich sehr darüber, dass sein Kernthema nun zum Welterbe gehört. Als ein wichtiges Phänomen der europäischen Wirtschaftsgeschichte hat die Hanse auch heute noch eine große Bedeutung. Ein Teil der ausgezeichneten Dokumente sind als Faksimiles im EHM ausgestellt.
Mit der Auszeichnung der UNESCO gehört die Hanse offiziell zum Weltgedächtnis. Neben den Archiven und Bibliotheken, die diese besonderen Schätze hüten, ist dies auch für das Europäische Hansemuseum in Lübeck – dem weltweit einzigen Themenmuseum zur Geschichte der Hanse – eine besondere Würdigung. Dr. Felicia Sternfeld, geschäftsführende Direktorin des EHM, ist hocherfreut über die Nachricht aus Paris: „Durch die Ernennung zum Weltdokumentenerbe wird noch einmal deutlich, wie bedeutsam die Hanse auch für heutige Gesellschaften ist. Die Hanse ist sozusagen ein sehr frühes Beispiel für Globalisierungsprozesse, aus dem wir aktuell wie in Zukunft noch viel mitnehmen können“.
Für die Wissenschaft birgt die UNESCO-Ernennung ebenfalls großes Potenzial. Dr. Angela Huang, Leiterin der Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums (FGHO), die dem EHM angegliedert ist, erhofft sich dadurch weitere Aufmerksamkeit seitens der Forschung und der breiten Öffentlichkeit: „Das betrifft für mich insbesondere das Versammlungswesen der Hansestädte und die zugehörigen sogenannten Rezesse. Mit diesen Verlaufs- und Beschlussprotokollen beschäftigen wir uns an der Forschungsstelle bereits seit einigen Jahren intensiver. Gerade solche spannenden und gleichzeitig schwer greifbaren Phänomene wie die Hansetage und Privilegien, die Beziehungen zwischen Regionen und Ländern schafften, können durch die Verleihung des Weltdokumentenerbe-Status in Zukunft noch stärker beleuchtet und gewürdigt werden.“
Die Dauerausstellung des EHM vermittelt die über 800-jährige Geschichte der Hanse. In atmosphärischen Rauminszenierungen tauchen Besucher:innen in die jahrhundertelange Geschichte ein, Kabinette mit wertvollen Originalobjekten und Dokumenten legen ein eindrucksvolles Zeugnis vom Leben, Arbeitenund Wirken der Hansekaufleute ab. Dort sind drei der nun zum Weltdokumentenerbe zählenden Urkunden als Faksimiles dauerhaft ausgestellt: die Prachturkunde eines Privilegs des Königs Eduard VI. von England (angefertigt 1547 für die Hanse; Original im AHL), ein Handelsvertrag mit dem Fürsten von Nowgorod (1191/1192; Original im Historischen Staatsarchiv Lettlands in Riga) sowie der Aufruf zum Flandernboykott von 1358 (Original im AHL). Letzteres Dokument ist besonders spannend für die Hansegeschichte, denn in diesem Schriftstück verwenden die Ratsherren der niederdeutschen Städte, die sich damals in Lübeck versammelten, zum ersten Mal den Begriff „Städte von der Deutschen Hanse“ (ndt.: stede van der dudeschen hense) als Selbstbezeichnung. Der Name „Hanse“ wird hier zum Kampfnamen, der eine gemeinsame Identität stiften sowie die niederdeutschen Kaufleute zu Geschlossenheit verpflichten soll.
Ein weiteres Dokument ist derzeit sogar als Original in der Sonderausstellung „Guter Stoff. Textile Welten von der Hansezeit bis heute“ im Europäischen Hansemuseum zu erleben. Es handelt sich um einen Brief inklusive Stoffproben des Kölner Kaufmanns Reinhard Noiltgin an den Kaufmann Hildebrand Veckinchusen und ist Bestandteil einer Dokumentengruppe aus dem Stadtarchiv Tallin. Diese außergewöhnliche Leihgabe kann noch bis 29. Oktober 2023 in Lübeck besichtigt werden, bevor sie zurück nach Hause reist. +++
Quelle: Europäisches Hansemuseum