Die Ostsee hat sich zu einer europäischen Modellregion entwickelt. „Seit Fall des Eisernen Vorhangs hat sich in keiner anderen Region in Europa eine so enge Zusammenarbeit entwickelt. Hier gibt es viele funktionierende Pilotprojekte. Was hier läuft, lässt sich auf andere Regionen übertragen“, sagte Kurt Bodewig, Koordinator der EU-Kommission für Meeresautobahnen und ehemaliger Bundesverkehrsminister, auf dem Deutsch-Finnischen Hafentag in Lübeck. Damit deutsche und finnische Häfen weiterhin die Treiber in diesem Prozess bleiben, unterzeichneten fünf Häfen einen „Letter of Intent“ zur verstärkten Kooperation bei der Digitalisierung ihrer Prozesse.
Zum fünften Mal hatten die Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (LHG), die Hansestadt Lübeck und der Honorarkonsul der Republik Finnland in Lübeck, Bernd Jorkisch, Vertreter von Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu dem Netzwerktreffen eingeladen. Der Hafen mit den vielen dort ansässigen Betrieben sei ein Entwicklungsmotor für Stadt und Umgebung, betonte Bürgermeister Jan Lindenau. „Wir wollen unsere führende Position im Ostseeraum ausbauen, und dafür nutzen wir Kooperationen“, sagte er und kündigte an, nach den Beteiligungen in den Jahren 2017 und 2019 ständiger Partner der Veranstaltung werden zu wollen. Der Bürgermeister erwarte eine baldige Entspannung der Beziehungen zu Russland und eine Lockerung der Sanktionen, die zu mehr Güterumschlag im Lübecker Hafen führen würden.
Rund 300 Gäste waren der Einladung in die Lübecker Kongresshalle gefolgt, unter Ihnen Schleswig-Holsteins Landtagspräsident Klaus Schlie und die Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Sabine SütterlinWaack. „Unserem Land und der Landesregierung liegt viel an guten Beziehungen mit Finnland. Wir können in den Bereichen Klimaveränderung/CO2-Reduzierung oder Digitalisierung viel von Ihnen lernen“, sagt die Ministerin zu Finnlands Botschafterin in Deutschland, Anne Sipiläinen, und den Vertretern der finnischen Hafenwirtschaft. SütterlinWaack: „Ihr Land hat eine Vorreiterrolle dabei eingenommen, wie sich eine Gesellschaft bei der Digitalisierung mitnehmen lässt.“ Smarte Lösungen – nicht nur im IT-Bereich – sind ein prägendes Merkmal des modernen Finnland. Wir allesamt im Ostseeraum können mit solchen intelligenten Lösungen noch enger zusammenwirken.“
Die Botschafterin stellte heraus, dass ihr Land den Klimawandel sehr ernst nehme und daher das „ehrgeizige Ziel“ verfolge, bis 2035 klimaneutral bei der Erzeugung und beim Verbrauch von Energie zu werden. Eine bedeutende Rolle komme dabei der maritimen Wirtschaft mit ihrem großen Potenzial für innovative Projekte zu. „Der Aufbau eines ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Europa liegt in unser aller Interesse. Es ist unser Anliegen, den Ostseeraum zu einer prosperierenden Region zu entwickeln“, sagte sie. Eine wichtige Partnerin sei die Hansestadt Lübeck, über deren Hafen Finnland einen großen Teil seines Außenhandels abwickle. „Und die Ostsee ist für uns ein Schicksalsmeer als Handelsweg und auch strategisch. Es ist uns gelungen, aus ihr ein völkerverbindendes Element zu machen“, so Botschafterin Sipiläinen.
Ein prägnantes Beispiel für den Wandel eines finnischen Hafens zum Hightech-Standort schilderte Marko Mykkänen, Geschäftsführer des Port of Oulu, in der Hafenrede. „Oulu ist ein exzellenter Platz, der Unternehmen beste Möglichkeiten bietet.“ Die Stadt ist das Zentrum der finnischen IT-Wirtschaft, viele der Unternehmen haben sich im Hafen angesiedelt. Es gibt insgesamt 18.500 Hightech-Jobs bei 200.000 Einwohnern, die Stadt ist der Standort mit dem dritthöchsten Aufkommen an Beteiligungskapital Weltweit, auch viele deutsche Firmen investieren dort. Aktuell bereite der Hafen die Einführung des 5GMobilfunkstandards und seiner Anwendungen vor.
In einer von Werner Koopmann, Federführer International der IHK Schleswig-Holstein, moderierten Diskussion rief Frank Dreeke, Präsident Zentralverband deutscher Seehafenbetriebe und Honorarkonsul der Republik Finnland in Bremen, dazu auf, die im internationalen Maßstab führende Position der deutschen Häfen weiter auszubauen. „Deutschland ist Logistikweltmeister. Unsere Häfen sind in der Welt führend, weil wir das Zusammenspiel aller Kräfte gut hinbekommen.“ Wichtig sei es, im Hafen liegende Schiffe künftig mit Landstrom zu versorgen, um den CO2-Ausstoß zu minimieren. Da entsprechende Entwicklungen erfahrungsgemäß lange dauern, forderte er eine Beschleunigung der Planungsverfahren.
Bodewig griff das Thema Nachhaltigkeit auf: „Ich bin für eine Diskussion über Smart Ways, intelligente Wege. Wie kommen wir zu Nachhaltigkeit auf Schiffen? Selbst LNG ist eine Übergangstechnologie. Wasserstoff dagegen ist besser“, sagte er und verwies auf entsprechende Förderprogramme der EU. Auch für die zwischen den Häfen Lübeck, Helsinki, Oulo, Hanko und Kotka vereinbarte Zusammenarbeit bei der Digitalisierung sieht er Chancen, Mittel von der EU zu erhalten. Nach Angaben von LHG-Geschäftsführer Professor Dr. Sebastian Jürgens gehe es bei dem Projekt um Ideen für eine Weiterentwicklung des Informationsflusses beider der Transportketten und wie die Häfen und Hafenbetriebe welche Daten austauschen.
Jürgens zeigte sich erfreut darüber, dass der Hafentag kein Treffen zur Präsentation von Marketing-Konzepten mehr sei. „Über das Level sind wir hinaus. Es geht jetzt um die Weiterentwicklung der Plattform“, sagte er. Nunmehr würden die Partner das ganze Jahr über an gemeinsamen Projekten arbeiten, die sie auf dem Netzwerktreffen in Lübeck präsentieren. Aufgrund der positiven Erfahrungen in der deutsch-finnischen Zusammenarbeit plane die LHG für 2020 einen deutsch-lettischen Hafentag, der ebenfalls zur Verfestigung der Kooperation im Ostseeraum beitragen solle.
Auch Bernd Jorkisch stellte die großen Chancen für die Ostseeanrainer heraus. Schon jetzt sei die Ostsee das am meisten befahrene Meer. Ihre Infrastruktur sei bereits gut, müsse aber noch besser werden, um die Nase vorn zu behalten. „Investitionen in die Zukunftsfähigkeit eines Hafens sind gut angelegtes Geld“, sagte er. Er unterstütze daher die Politik der Republik Finnland, die sich während seiner EU-Ratspräsidentschaft darauf konzentriere, eine Wirtschaft des Wohlstandes und ein Europa der Nachhaltigkeit zu schaffen. Der Separatismus innerhalb der Europäischen Union gebe ihm zu denken, er habe aber die Hoffnung, dass bald alle Menschen erkennen, dass ein vereintes Europa eine Notwendigkeit für alle Europäer sein, betonte er unter dem Applaus der Teilnehmer.+++
Quelle: IHK zu LÜbeck