Ab Sonntag, 20. Oktober 2019, lädt das Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk im Rahmen einer neuen Sonderausstellung dazu ein, ein auf den ersten Blick alltägliches Phänomen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen: „Bügeleisen! Kulturtechnik als Leidenschaft“ lautet der Titel, der erahnen lässt, dass die vermeintlich ungeliebte Hausarbeit hier von allen Seiten beleuchtet wird. Bis 19. April 2020 wird die Ausstellung die BesucherInnen zum Staunen und Schmunzeln bringen. Sowohl anhand der Technikgeschichte des Geräts Bügeleisen als auch anhand der Tätigkeit des Bügelns wird schnell deutlich, wie interessant und facettenreich das Thema sein kann und in welchem Ausmaß es als kulturell prägendes Spiegelbild der jeweiligen Zeit und Gesellschaft zu werten ist.
Das Bügeleisen ist ein Paradebeispiel für Industriegeschichte und die Geschichte der Technisierung der Haushalte, da es das erste elektronische Kleingerät war, das sich fest etablierte und bis heute ein viele Millionen Euro schweres Geschäft ist. Die technische Bandbreite der Bügeleisen mit ihren Vor- und Nachteilen und Gefahren bzw. technischen Innovationen wird aufgezeigt – vom Kohlebügeleisen über das Satzbügeleisen, das Spiritusbügeleisen, das Gasbügeleisen bis hin zum elektrischen Bügeleisen. Auch Kinderbügeleisen als Spiel und Erziehungsinstrumente sind zu sehen, ebenso wie Kuriositäten, darunter beispielsweise ein ägyptisches Fußbügeleisen. Vom heutigen Bügeln als Meditationshilfe bis hin zu den Sportarten des „Extrembügelns“, wo auf Berggipfeln, auf Bäumen oder unter Wasser gebügelt wird, erzählt die Ausstellung.
Den Bügel-Liebhabern werden die Bügelverweigerer gegenübergestellt. Auch die Sammler von Bügeleisen sollen nicht zu kurz kommen; so stammen die meisten Ausstellungsstücke im Industriemuseum von dem Sammler-Ehepaar Bergbauer aus Lübeck. Dabei wird in diesem Zusammenhang auch der Frage nachgegangen, was Menschen dazu bringt, Bügeleisen zu sammeln und die im Ausstellungstitel aufgegriffene Leidenschaft dafür zu entwickeln. „Das Thema Bügeln polarisiert. Es gibt wenige Menschen, die dem Thema emotionslos oder gleichgültig gegenüber stehen“, so die Leiterin des Museums und gleichzeitig auch Kuratorin der Ausstellung, Dr. Bettina Braunmüller. Die Gesellschaft scheine sich schichtübergreifend klar in Bügelliebhaber und Bügelhasser aufteilen zu lassen. Und nicht selten habe das Thema in Paarbeziehungen zum Beispiel zu den ersten Ehekrisen geführt, wenn einer Kritik an der Bügelfähigkeit des anderen äußerte. „Aus kulturwissenschaftlicher Sicht hat das Thema Bügeln und Bügeleisen Auswüchse angenommen, die uns zum Staunen, Kopfschütteln und Schmunzeln bringen“, merkt die Museumsleiterin an. Die Ausstellung kann und soll durchaus auch zum Lachen anregen, fügt sie hinzu, was ganz besonders an der enormen Bandbreite und Absurditäten liegt, wie Bügeleisen und Bügeln heute grundsätzlich kulturell begegnet wird – vom nahezu dogmatischen Bügelvermeiden bis hin zu Sportarten wie dem Bügeleisenweitwurf oder Bügelweltmeisterschaften sei alles möglich, so Braunmüller.
Die Ausstellung folgt einem farbigen Leitsystem, das den BesucherInnen schnell die Tafeln mit technischem Inhalt von denen mit eher kulturwissenschaftlichem Inhalt unterscheiden lässt. Sie befasst sich in der Einleitung zunächst mit grundlegenden Fragen – wieso bügelt man überhaupt? Wer sammelt Bügeleisen und weshalb? – und führt dann weiter über eine Geschichte der technischen Entwicklung von der Handmangel bis hin zum Dampfbügeleisen anhand von Exponaten und Informationstafeln. Zwei Bügeleisen-produzierende Traditionsfirmen (Rowenta und Grossag) werden vorgestellt um aufzuzeigen, wie viel Profit tatsächlich mit dem Produkt zu machen war und auch um die Dimension der Industriegeschichte zu erfassen. Im Anschluss folgen Kuriositäten rund ums Bügeln anhand ausgewählter Exponate sowie eine Vielzahl an Kinderbügeleisen. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht wird thematisiert, wieso das Bügeln bedeutend für die Arbeiterfamilie war, wie viele Haushalte ein Bügeleisen besitzen, wie die Geräte heute designt werden, ob und vor allem wo auf der Welt kulturell gesehen Bügeln absolut nicht Frauenarbeit, sondern Männerarbeit ist und vieles mehr.
Die Ausstellung umfasst über hundert Exponate an Bügeleisen, Inszenierungen sowie umfangreiches Filmmaterial. Dank gilt der Possehl-Stiftung für die finanzielle Förderung.
Vernissage
Die Ausstellung wird am Sonntag, 20. Oktober 2019, um 11 Uhr eröffnet. Als Highlight dieser Veranstaltung gilt das „große Wettbügeln“, bei dem alle freiwilligen und unfreiwilligen HobbybüglerInnen aufgefordert sind, bei einem ultimativen Bügelwettbewerb ihr Können unter Beweis zu stellen. Neben handwerklichem Geschick ist natürlich auch Schnelligkeit gefragt. Auf die TeilnehmerInnen warten nicht nur jede Menge Bügelwäsche, sondern auch tolle Preise. Die Leistungen werden durch eine fachkundige Jury bewertet, bestehend aus freischaffenden und beruflichen Profibüglern. Um die Mitnahme des eigenen Bügeleisens und eine Anmeldung wird gebeten unter der Rufnummer (0451)122 4195 oder geschichtswerkstatt@luebeck.de. Der Bügelwettbewerb wird präsentiert von Radio Lübeck.
Begleitprogramm
Eröffnung, öffentliche Führungen und Familienführungen jeweils Sonntag um 11 Uhr: Erwachsene/Ermäßigte: 7 Euro/ 3 Euro, Kinder & Jugendliche 6 bis 15 Jahren /16 bis 18 Jahren: 2/5 Euro.
Erleben Sie Führungen direkt von den Sammlern und Leihgebern der Ausstellung. Öffentliche Führungen durch das Sammlerehepaar Bergbauer an jedem ersten Sonntag im Monat um 11 Uhr, Anmeldungen nicht erforderlich (3. November 2019/ 1. Dezember 2019/ 5. Januar 2020/2. Februar 2020/ 1. März 2020/5. April 2020). Führungen speziell für Familien mit Kindern durch das Sammlerehepaar Bergbauer am
17. November 2019 und dem 16. Februar 2020 (jeweils Sonntag), jeweils um 11 Uhr. Führungen für Gruppen, Kinder und Schulklassen nach Absprache. +++
Quelle: Die Lübecker Museen