Veröffentlicht am 27.08.2019

“Gestern wird sein, was morgen gewesen ist“ die Welt des Barocks

Sonderausstellung 16. Februar 2020 im Günter Grass-Haus

Ist tatsächlich vergangen, was vor Jahrhunderten geschah? Berühren uns Themen, mit denen sich Künstler und Autoren vor langer Zeit beschäftigt haben, heute nicht mehr? Das Günter Grass-Haus lässt die Welt des Barocks aufleben und fragt, was die Probleme und Gedanken von damals aktuell für uns bedeuten können.

Die Ausstellung »Grass, Kehlmann und die Welt des Barocks« wagt einen Ritt durch die Jahrhunderte und führt die Besucher vom Dreißigjährigen Krieg über die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute – in die Zeit des syrischen Bürgerkriegs. Im Zentrum stehen die Erzählung »Das Treffen in Telgte« von Günter Grass und der Roman »Tyll« von Daniel Kehlmann. Beide Autoren blicken in ihren Werken zurück in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, als in Europa ein verheerender Kampf um Glaube und Macht geführt wird.

Günter Grass lässt Barockdichter wie Gryphius oder Grimmelshausen 1647 in einem kleinen Ort nahe Osnabrück zusammenkommen. Sie diskutieren, lesen, streiten, beklagen die Schrecken des Krieges – zugleich wird geschlemmt, gezecht und geliebt. Das fiktive Dichtertreffen spiegelt Themen und Mitglieder der Gruppe 47. Dieser Kreis von Schriftstellern, Kritikern und Verlegern, zu dem auch Günter Grass zählt, prägt das literarische Leben in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich. Die Autoren sehnen sich nach Frieden und kulturellem Aufbruch. In der Pflege der deutschen Sprache sehen sie ihre wichtigste Aufgabe ebenso wie darin, den kulturellen Austausch über territoriale und religiöse Grenzen hinweg zu fördern – 1947 wie schon 300 Jahre zuvor. »Der Krieg war bisher nicht zu uns gekommen.« (Daniel Kehlmann)

In Daniel Kehlmanns Roman »Tyll« zieht der bekannte Narr, Schausteller und Provokateur Tyll Ulenspiegel durch das vom Dreißigjährigen Krieg verwüstete Land. Er begegnet Figuren wie dem exilierten »Winterkönig« von Böhmen, dem melancholischen Henker Tilman oder dem sprechenden Esel Origenes. Kehlmann beschwört ein schrecklich-schönes Welttheater, in dem das Leben eine Bühne ist, auf der jeder nur seine Rolle spielt – und das unserer heutigen Welt nicht unähnlich ist.

Die Ausstellung ist in drei Zeitwelten 1647, 1947 und 2017 eingeteilt, in denen in Wort und Schrift symbolhaft die Zerstörung der für den jeweiligen Krieg bedeutenden Städte Magdeburg, Dresden und Aleppo im Mittelpunkt stehen. In diesen Bereichen sind unter anderem Originalmanuskripte von Günter Grass und Daniel Kehlmann zu sehen.

Highlight der Sonderausstellung ist eine in der Mitte arrangierte Barocktafel, ein Stilleben, das in all seiner opulenten Pracht das Vanitas-Motiv des 17. Jahrhunderts aufgreift, die Idylle mittels der darin eingebetteten Videokunst des israelischen Künstlers Ori Gersht, die eine in tausend Teile explodierende Blumenvase zeigt, jedoch gleich wieder zerstört und damit das im Barock stets präsente Thema der Vergänglichkeit auf eine zeitgenössische Weise verarbeitet. Anhand von Beispielen in den Werken von Grass und Kehlmann soll darüber hinaus der Frage nachgegangen werden, wie die Epoche des Barock in der Postmoderne rezipiert wurde.

Begleitet wird die Ausstellung von zahlreichen Lesungen und Workshops:

  • Sonntag, 25. August 2019, 18 Uhr Vorabführung für die Freundeskreismitglieder Mit Kuratorin Adeline Hentzschel und Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa Eintritt frei
  • Freitag, 6. September 2019, 14 Uhr und Donnerstag, 12. September 2019, 16 Uhr Lehrerfortbildung zur Sonderausstellung Für LehrerInnen kostenlos; Anmeldung unter www.formix.info/MUP0053
  • Dienstag, 10. September 2019, 18 Uhr Barock-Partie I Ein Streifzug durch die Lübecker Buchhandlungen Hugendubel, Prosa und maKULaTUR mit dem Schauspieler Andreas Hutzel. Start im Günter Grass-Haus 25 Euro inkl. Verköstigung und Führung durch die Sonderausstellung
  • Dienstag, 17. September 2019, 18 Uhr Barock-Partie II Ein Streifzug durch die Lübecker Buchhandlungen Langenkamp, Arno Adler und Belling mit dem Schauspieler Andreas Hutzel. Start im Günter Grass-Haus 25 Euro inkl. Verköstigung und Führung durch die Sonderausstellung
  • Dienstag, 19. November 2019, 19.30 Uhr „Peter Rühmkorfs Dichtertreffen“ Joachim Kersten und Stephan Opitz lesen Rühmkorfs VARIATIONEN und die Referenzgedichte dazu: Lyrik aus 400 Jahren. 9 Euro; ermäßigt 7 Euro
  • Mittwoch, 8. Januar 2020, 19.30 Uhr „Das Treffen in Telgte“ aus literaturwissenschaftlicher und historischer Sicht Mit Prof. Dr. Marina und Prof. Dr. Herfried Münkler 12 Euro; ermäßigt 9 Euro

Angebote für Kinder:

  • Samstag, 14. September 2019, 14 Uhr „Die Hand mit der Feder“ Handlettering-Workshop für Kinder ab 7 Jahren 9 Euro; Geschwisterkinder zahlen die Hälfte.
  • Samstag, 9. November 2019, 14 Uhr „Schattenspiele“ Leuchtbox-Workshop für Kinder ab 7 Jahren 9 Euro; Geschwisterkinder zahlen die Hälfte. +++

Quelle: Die Lübecker Museen