Die Lübecker Archäologie ist seit Jahrzehnten berühmt für ihre Holzkeller. Keine andere Stadt in Europa kann so viele, so alte, so große und so gut erhaltene Holzkeller vorweisen. Selbstverständlich hat die Lübecker Archäologie schon mehrfach versucht, einen Holzkeller zu konservieren und anschließend auszustellen. Diese Versuche sind aber immer wieder gescheitert. Die Hölzer können an Ort und Stelle nicht konserviert werden, sondern müssen geborgen und in einem aufwendigen, sehr teuren und langen Konservierungs-Prozess behandelt werden. Das ist bislang nur sehr selten gelungen, etwa bei der Bremer Kogge.
Insofern ist es ein Glücksfall, dass dieser Lübecker Holzkeller das Pilotobjekt eines Forschungsprojekts werden soll, an dem das Deutsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven, das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen und das Brandenburgische Landesamt für Archäologie beteiligt sind. Seit Montag dieser Woche werden die tonnenschweren Hölzer mit Unterstützung durch das Technische Hilfswerk (THW) geborgen. Sie sollen in der nächsten Woche in zwei 11 Meter lange, speziell für dieses Projekt entwickelte „Klima-Container“ gebracht werden, die seit Dienstag in der Fischstraße neben dem Grabungszelt stehen.
Lübecks Kultursenatorin Annette Borns bezeichnete die Grabungen als anschauliches Beispiel für praktische Forschung vor Ort und Grundlagenforschung: „Hier wird Wissenschaft gelebt.“ Auch für ihre Mitarbeiter des Bereiches Archäologie seien die Arbeiten eine spannende Herausforderung.
Professor Manfred Gläser erklärte, dass das Forschungsprojekt auch vor dem Hintergrund des Baus von Offshore-Windkraft-Anlagen in Nord- und Ostsee von großer wissenschaftlicher Bedeutung sei. Denn, so der Leiter des Bereichs Archäologie der Hansestadt Lübeck, beim Bau der Windmühlen stießen die Arbeiter immer wieder auf uralte Wracks. Neue Methoden, wie diese hölzernen Schiffe konserviert und gerettet werden können, ließen sich wahrscheinlich durch das Lübecker Forschungsprojekt entwickeln. Er hoffe, dass es in einigen Jahren Verfahren gebe, die es erlaubten, mehrere jahrhunderte alte Hölzer zu konservieren. Denn ein Anstreichen der Bohlen und Balken mit „Bondex“, eine vor Jahrzehnten gängige, aber giftige Praxis, sei heute nicht mehr möglich.
Wo und ob die geborgenen Bohlen, Balken und Bretter in näherer Zukunft einmal der Öffentlichkeit gezeigt werden können, sei derzeit nicht zu sagen, so Gläser. Sein Wunsch wäre es aber, könnten sie im Bereich der heutigen Grabung ausgestellt werden.
Die Konservierung der Hölzer kostet rund 600.000 Euro. Geld, das Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-Institut, aber auch private Sponsoren wie die dänische Maersk Container Industry (eine Tochter der „Maersk Line”, der größten Containerschiff-Firma der Welt) beisteuern.
Kulturgüter zu erhalten ist die Basis jeder gesellschaftlichen Werteordnung – unter diesem Motto haben sich mehrere Forschungsinstitute zum Projekt „ARCHe“ zusammengeschlossen. Die Abkürzung steht für „Adroit Rescue Container for Cultural Heritage“, und damit für die denkmalgerechte Bergung, den Transport, Zwischenlagerung, Versorgung und Konservierung von uralten Hölzern. Eben wie beim Pilot-Einsatz im Gründungsviertel für den Holzkeller und den hölzernen Brunnen. +++