"Hier wohnte...", so beginnt der Künstler die Prägung der kleinen Messingplatten der Stolpersteine. Es folgen der Name, das Geburtsjahr, das Jahr der Deportation oder Verhaftung, das Datum der Ermordung. Mit jedem der kleinen Gedenksteine wird so der Name eines Menschen vor der letzten selbst gewählten Wohnung sichtbar in der einstigen Nachbarschaft. Das Projekt gilt der Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Roma und Sinti, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas, an die Opfer der Euthanasie und an Deserteure während der Zeit des Nationalsozialismus
Die Gedenkfeier am heutigen Dienstag, den 24. Mai 2011, beginnt um 17 Uhr im Engelswisch. Im Häuschen Nr. 29 (heute ein größerer Neubau) wohnte Anfang der 1930er Jahre das junge Ehepaar Aron Adolf Emmering und Franziska Blumenthal mit ihrer kleinen Tochter Ingrid, 1931 in Lübeck geboren. Die Familie flüchtete nach Holland, wurde jedoch nach der Besetzung des Landes im Lager Westerbork interniert und von dort 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.
Auf dem Dachboden eines Hauses in Amsterdam wurde vor wenigen Jahren ein Umschlag mit Fotos und Dokumenten dieser Familie entdeckt. Über einen Sammler alter Fotos wurde der Kunsthistoriker und Autor Wim de Wagt aus Haarlem, Holland, auf diese Dokumente aufmerksam, und begab sich auf die Suche nach Spuren dieser Menschen. Im letzten Jahr nahm er Kontakt nach Lübeck zur Initiative Stolpersteine auf. Wim de Wagt wird am heutigen Dienstag an der Gedenkfeier teilnehmen. Ebenfalls anwesend ist auch Gabriele Hannsemann, die im Engelswisch wohnt und eine Patenschaft für die Gedenksteine des Ehepaares Emmering übernommen hat. Sie ist Vorsitzende des Vereins Yad Ruth und spricht ein Grußwort.
Im Engelswisch hatten außerdem drei mutige Männer ihr Zuhause, die Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime leisteten und dafür mit ihrem Leben bezahlten. Die Biografien von Hans Grube (Engelswisch Nr. 12), Karl Schwerin (Nr. 23) und Max Grimm (Torweg Nr.33, Haus 11) wird der Historiker Christian Rathmer vorstellen. Als Vertreter der Gewerkschaft Verdi, Fachbereich Postdienste, Spedition und Logistik, die zwei Patenschaften übernehmen, wird Mario Klepp ein Grußwort sprechen. Begleitet wird die Veranstaltung von Musik und der Lesung von Gedichten.
Im Anschluss wird um etwa 18.30 Uhr in der Fleischhauerstraße 52 an einen weiteren politisch verfolgten Menschen erinnert, an Karl-Heinz Ring. Dr. Wolfgang Muth informiert über sein Schicksal, und als Vertreterin der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) wird Lore Meimberg ein Grußwort sprechen.
Am morgigen Mittwoch, 25. Mai, beginnt die zweite Gedenkfeier vor dem Haus Schildstraße 5 ebenfalls um 17 Uhr. Hier war einst das Zuhause der Familien Lissauer, Emmering und Rosenstein. Sechs kleine Stolpersteine werden nun erinnern an Betty Emmering, geborene Lissauer, ihre Kinder Ferdinand, Alfons Aron und Rebekka, ihren Bruder Ernst Lissauer und ihren Neffen Hermann Rosenstein, die in verschiedenen Konzentrationslagern ermordet wurden. Heidemarie Kugler-Weiemann wird über diese Menschen und die Familie sprechen.
Auch zu dieser Verlegung haben sich Gäste aus Holland angesagt, Angehörige der heute 88jährigen Sonja Kiek-Cohen, die Hermann Rosenstein nach seiner Flucht nach Holland in Amsterdam kennengelernt hatte und während des Krieges in erster Ehe mit ihm verheiratet war. Sie hatte die Deportation nach Theresienstadt und Auschwitz überlebt und lange auf seine Rückkehr gehofft. Ihre Tochter Hetta van Coevorden wird die Worte ihrer Mutter vorlesen.
Die Stadtpräsidentin der Hansestadt Lübeck, Frau Gabriele Schopenhauer, und ein Vertreter der jüdischen Gemeinde werden Grußworte sprechen.
Anschließend werden alle Anwesenden die Schildstraße hinauf gehen zur Königstraße, wo im Haus Nr.116 Rosa Taschimowitz und ihr Sohn Rolf gelebt haben. Auch hier werden Musik und die Lesung eines Gedichtes das Gedenken an diese beiden Menschen umrahmen.
Insgesamt werden derzeit dreißig Stolpersteine von Gunter Demnig nach den Angaben der Initiative gefertigt und von Fachleuten in Absprache mit dem Bereich Verkehr der Hansestadt Lübeck in den Gehwegen verlegt. Nach den Sommerferien soll es weitere kleine Gedenkveranstaltungen vor Häusern in den Vorstädten St. Lorenz, St. Jürgen und St. Gertrud geben.
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