Höhepunkt der internationalen Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag von Günter Grass war der Festakt, den die Hansestadt Lübeck zu Ehren des großen deutschen Schriftsteller und bildenden Künstlers am Sonnabend, 27. Oktober 2007, im vollbesetzten Theater zu Lübeck gab. Unter den Ehrengästen waren Bundespräsident Horst Köhler, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Harry Peter Carstensen.
Günter Grass hat seit vielen Jahren seinen Wohnsitz in der Hansestadt und versteht sich als Lübecker. In seiner Begrüßung gratulierte Bürgermeister Bernd Saxe „im Namen der ganzen Hansestadt“. Die Nähe und Ähnlichkeit Lübecks zum Geburtsort Danzig sowie die Liebe des Nobelpreisträgers von 1999 zu Thomas Mann und Willy Brandt hätten den Dichter angezogen.
Im Zentrum der Reden im vollbesetzten Großen Haus des Lübecker Jugendstil-Theaters stand die Laudatio von Bundespräsident Horst Köhler, die er unter das Motto „Patriotisch um Deutschland ringen“ stellte. Das Staatsoberhaupt ging auf die Künstlergeneration nach 1945 ein, die „einen Teil der kritischen Intelligenz“ gebildet und als „Gründungskinder der deutschen Nachkriegsliteratur“ die Beziehung zur Heimat formuliert habe. In seinen Werken und öffentlichen Einmischungen sei Günter Grass „auf Tuchfühlung“ mit seinem Land geblieben: „Gerade in Ihrem Ringen um Deutschland sehe ich auch Ihren Patriotismus.“ So habe er „mitgearbeitet und mitgeschrieben und mitgezeichnet am kulturellen Gesicht“ dieses Landes, das viele Narben und Verletzungen trage, aber auch freundlich sein und lachen könne: „Wegen dieser großen Verdienste Ihres nun achtzigjährigen Lebens war es mir als Bundespräsident eine Selbstverständlichkeit, heute hierher nach Lübeck zu kommen. Und eine Freude auch“, sagte Köhler.
Zwei Laudatoren aus der literarischen Welt schlossen sich an. Verleger Klaus Wagenbach sprach als humorvoll-bissiger Zeit- und Generationszeuge den gemeinsamen Einsatz für die Meinungsfreiheit an. Er habe erst vor wenigen Tagen seine Notizen für eine 1964 nicht zustande gekommene erste Biographie wieder entdeckt, in denen Günter Grass bereits Kunde von seiner „Zuteilung“ an die Waffen-SS in den letzten Kriegsmonaten des Jahres 1945 gegeben habe. Wagenbach sagte: „Günter Grass hat die Bundesrepublik ziviler, freier und demokratischer gemacht, kurz: bewohnbarer.“
Als eine frische Brise wurde die Laudatio der 1974 in Bonn geborenen Schriftstellerin Juli Zeh empfunden. Sie machte ironisch dem Zeitgeist von Jugendwahn und Körperkult die Rechnung auf: Die Gesellschaft entziehe sich ihrer Verantwortung und verspiele diese regelrecht. Grass hingegen habe immer gezeigt, „dass Denkfähigkeit und politisches Empfinden keine Frage des Alters sind – schon gar kein Generationen-Problem.“ Er habe bewiesen, dass es möglich sei, immer zu den eigenen Überzeugungen zu stehen: „Man muss nicht alle Ideen miteinander teilen, aber teilen muss man Wunsch und Willen, diese Welt als einen lebenswerten Ort zu gestalten.“
Günter Grass dankte den Rednern und dem Lübecker Schauspielensemble, das aus seinen Werken rezitierte und Szenen beisteuerte samt einem stilecht getanzten „Tango mortale“. Und er versprach, weiterhin als „rüstiger Alter ein Buch nach dem anderen“ zu liefern und den Mund aufzumachen.
Fotos vom Lübecker Grass-Festakt: http://www.luebeck.de/aktuelles/presse/fotoarchiv/index.php?view=categories&mode=show_category&id=10
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