Hansestadt Lübeck führt kaufmännische Buchführung ein

Veröffentlicht am 19.05.2005

Hansestadt Lübeck führt kaufmännische Buchführung ein

Hansestadt Lübeck führt kaufmännische Buchführung ein

050394R 2005-05-19

Die Hansestadt Lübeck beabsichtigt die Umstellung ihres Haushalts- und Rechnungswesens auf die kaufmännische Buchführung. Bis 2009 soll die bisherige kameralistische Buchführung durch die Doppelte Buchführung in Konten (Doppik) ersetzt werden und zum 1. Januar 2009 die Eröffnungsbilanz vorliegen. Das hat heute Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe während einer Pressekonferenz im Rathaus mitgeteilt: „Dieses Projekt ist so etwas wie eine Revolution für die Stadtverwaltung Lübeck. Da Revolutionen üblicherweise etwas länger dauern, gehen wir von vier bis fünf Jahren aus, bis die Doppik richtig greift.“

„Mit der Einführung der Doppik setzen wir konsequent die Verwaltungsstrukturreform fort. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Haushalt wird lesbarer und führt so zu mehr Transparenz für die Bürger; die Mittel werden ressourcenorientiert eingesetzt und zum ersten Mal wird es eine Gesamtdarstellung des „Konzerns Hansestadt Lübeck“ geben, in der die tatsächliche Vermögens- , Ertrags- und Finanzlage der Stadt abgebildet wird, die auch die städtischen Betriebe und Beteiligungen einbezieht“, erklärte Saxe.

Welche bedeutende Neuerung die Einführung der kaufmännischen Buchführung für die städtische Verwaltung ist, zeigt ein Blick in die Gegenwart und die Vergangenheit: Seit Jahrhunderten gilt für die Öffentliche Verwaltung die Kameralistik. Ein Rechnungsstil, der den Blick nur auf Zahlungsströme richtet. Großer Nachteil der Kameralistik ist, daß der Wert des städtischen Vermögens und beispielsweise Pensionsrückstellungen unberücksichtigt bleiben, sowie die Darstellung des Ressourcenverbrauchs und die periodengerechte Zuordnung nicht möglich ist. Am Beispiel der Pensionen für Beamte wird der Systemwechsel besonders deutlich: Die Ausgaben für die pensionierten Beamten werden derzeit aus den laufenden Verwaltungsausgaben getragen. Zukünftig wird die Hansestadt Lübeck für ihre rund 900 Beamten Pensionsrückstellungen bilden.

Wirtschaftsbetriebe dagegen nutzen fast ebenso lange die aus dem Italienischen stammende doppelte Buchführung beziehungsweise die kaufmännische Buchführung, die Aufwendungen und Erträge gegenüberstellt (Gewinn- und Verlustrechnung, kurz GuV) und in der die Bilanz Auskunft gibt über die Herkunft und die Verwendung des Kapitals eines Unternehmens.

Die Doppik verbessere nach Ansicht von Saxe die Grundlage für Entscheidungsprozesse, sei es zur Haushaltskonsolidierung oder zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit von Investitionsvorhaben und der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen. „Die Verwaltung erhält einen Überblick, wieviel die Erfüllung bestimmter kommunaler Dienstleistungen konkret kostet, wie etwa das Ausstellen eines Führerscheins oder die Erstellung von Bescheiden für Bauanträge. Damit besitzen wir auch ein Instrument, um seriös vergleichen zu können, ob die städtischen Aufgaben durch die öffentliche Hand oder durch Private wirtschaftlicher erledigt werden könnten,“ erläuterte der Bürgermeister.

Die Doppik ist Teil eines „Neuen Kommunalen Finanzmanagements” (NKF). Das ist der Oberbegriff für die Reform des Gemeindehaushaltsrechts von einem zahlungsorientierten zu einem ressourcenorientierten Haushalts- und Rechnungswesen auf der Ebene der Kommunen und der Länder. Von den zwei Ausprägungen des neuen Rechnungsstils – erweiterte Kameralistik und Doppik – wird sich am Ende die Doppik durchsetzen, meinen Experten.

Die Doppik basiert auf drei Säulen: Finanzrechnung, Ergebnisrechnung und Bilanz. Die Finanzrechnung entspricht dem bisherigen kameralistischen Haushalt und ist annähernd vergleichbar mit der Liquiditätsplanung (Kapitalflußrechnung) eines Wirtschaftsbetriebes. Die Ergebnisrechnung entspricht der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). In der Bilanz werden diese Ergebnisse mit den Veränderungen des Vermögens und Fremdkapitals zusammengefaßt und bilden so die wirtschaftliche Situation einer Kommune ab.

In Schleswig-Holstein ist das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des NKF zwar noch nicht abgeschlossen - die Eckpunkte stehen jedoch fest, wobei mit einer Entscheidung noch in diesem Jahr gerechnet wird. Die Gemeindehaushaltsreform basiert auf einer bundesweiten Entwicklung (Beschluß der Innenministerkonferenz vom 21. November 2003). Andere Bundesländer sind schon bedeutend weiter – hier sind insbesondere Nordrhein-Westfalen und Hessen mit deren „Modellkommunen“ zu nennen. Neben Neumünster und Kiel ist Lübeck nun in die dritte kreisfreie Stadt in Schleswig–Holstein, die zielgerichtet die Einführung der Doppik anstrebt.

In Lübeck wurden bereits seit 1998 die damals umsetzbaren Elemente des NKF in Rahmen der Verwaltungsstrukturreform eingeführt und kontinuierlich weiterentwickelt. Hierzu zählen unter anderem der Produkthaushalt, die dezentrale Ressourcenverantwortung und die Budgetierung sowie das Berichtswesen.

„Die Einführung der Doppik ist mit gewaltigen Anstrengungen innerhalb der Verwaltung verbunden“, so Saxe. Daher werde ein eigenständiges Projektteam eingesetzt, das dem Bereich Finanzwirtschaft angegliedert wird. Die Projektvorbereitungen sind so weit gediehen, daß die Bürgerschaft im Juni 2005 grünes Licht für die Umsetzung der Doppik geben kann.

Wenn alles glatt geht, wird die Bürgerschaft in einem ersten Schritt erstmals für das Jahr 2009 einen „Doppik-Haushalt“ beschließen. In einem zweiten Schritt wird die erste konsolidierte Konzernbilanz für Lübeck im Jahr 2010 erstellt werden können. Darin werden die Ergebnisse der Verwaltung mit denen der Eigenbetriebe sowie Eigen- und Beteiligungsgesellschaften zusammengeführt und konsolidiert dargestellt.

Saxe: „Das ist ein ehrgeiziger Zeitplan. Angesichts der guten Vorarbeit bin ich überzeugt, daß wir das auch schaffen werden. Die Haushaltslage verdammt uns zum Erfolg!“

Uwe Albrecht, der das Projekt „Doppik“ gemeinsam mit Kollegen der Bereiche Finanzwirtschaft, Zentrales Controlling und Bürgermeisterkanzlei vorbereitet hat, faßte bei der Pressekonferenz die Ziele der Doppik noch einmal zusammen:

  • Intergenerative Gerechtigkeit: Die Hansestadt Lübeck hat Verpflichtungen gegenüber der jetzigen und nachwachsenden Generationen. Entscheidungen sind immer daran zu messen, ob in einer Periode der gesamte Aufwand durch die erwarteten Erträge finanziert werden kann und zukünftige Aufwendungen keine unverantwortbare Hypothek für künftige Generationen darstellen.
  • Transparenz über die tatsächliche Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Verwaltung und des Gesamtkonzerns Hansestadt Lübeck, um Entscheidungen vor diesem Hintergrund sachgerechter treffen und politisch vertreten zu können.
  • Langfristiger Beitrag zur Haushaltskonsolidierung durch verbesserte Entscheidungsgrundlagen, in denen der jeweilige Aufwand in zukünftigen Perioden dargestellt wird.

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