- Ausgangslage
Die Hansestadt Lübeck fördert an 18 Standorten Familienzentren im gesamten Stadtgebiet gemäß der Richtlinie zur Förderung von Familienzentren des Landes Schleswig-Holstein. Im Rahmen der finanziellen Förderung werden jährlich 1,08 Mio. Euro durch die Hansestadt ausgezahlt. Die Standorte wurden auf Grundlage von Daten zur sozialen Lage in den Stadtteilen sowie Abstimmung mit den Trägern der freien Jugendhilfe seit 2010 sukzessive auf den heutigen Stand ausgebaut.
Die Familienzentren werden gezielt an Kindertagesstätten angesiedelt, um vorhandene Einrichtung zu nutzen und zu stärken. Die Arbeit erfordert geeignete Räume, die nicht überall ausreichend vorhanden sind. Kitaräume können teilweise doppelt genutzt werden. Die Angebote laufen aber auch zeitgleich zum Kitabetrieb. In einigen Häusern wird für das Familienzentrum um- oder ausgebaut. Teilweise werden benachbarte Räume zusätzlich angemietet. Diese Kosten werden zukünftig mit einer entsprechenden Pauschale im Budget berücksichtigt.
Für die Arbeit des Familienzentrums steht den Einrichtungen ein festes Budget zur Verfügung. Die an den Bedürfnissen der Familien orientierten Beratungszeiten, Elterntrainings, Kursangebote wie z. B. zu Gesundheit und Ernährung, Sprachkurse, Eltern-Kind-Gruppen u. ä. werden im Rahmen der finanziellen und räumlichen Ressourcen geplant. Elterncafés, Eltern-Kind-Gruppen, Sport- und Kreativangebote bieten einen niedrigschwelligen Zugang für Familien, die noch keinen Kontakt zur Kita haben. Sprachkurse, Elterntrainings oder „die Kur ohne Koffer“ setzen eine verbindliche Teilnahme voraus. Einzelberatungen, auch in Zusammenarbeit mit der Erziehungsberatungsstelle, finden zu festen Sprechzeiten oder an vereinbarten Terminen statt. Durch die Kooperation mit anderen Beratungsstellen und Institutionen im Stadtteil und stadtweit wird das Angebot für die Familien vor Ort ergänzt.
Abb. 1: Standorte der Familienzentren 2023 (n=18) nach Stadtteilen (n=10) und Stadtbezirken (n=35)
- Problemstellung
Die katholische Pfarrei „Zu den Lübecker Märtyrern“ hat den Betrieb des Familienzentrums St. Franziskus in Moisling eingestellt. Hintergrund waren anhaltenden Personalprobleme sowie die Planung die Kita St. Franziskus zu schließen. Die Pfarrei teilte mit, dass nicht alle Kirchenstandorte erhalten werden können. An diesem Standort lässt sich das Gebäude in St. Franziskus nicht allein durch die Kita tragen. Moisling ist mit zwei weiteren Familienzentren (Brüder-Grimm-Ring, Familienkiste) und weiteren Ausbaumaßnahmen im Rahmen des „Sozialen Zusammenhaltes Moisling“ vergleichsweise gut versorgt. Die Hansestadt Lübeck ist bestrebt, die Anzahl sowie Fördersumme der Standorte der Familienzentren zu erhalten und bedarfsgerecht die frei gewordenen Ressourcen umzusteuern.
- Lösung
Die Jugendhilfeplanung hat zentrale Indikatoren zu Lebenslagen von jungen Menschen und ihren Familien ausgewertet, um die frei gewordenen Ressourcen bedarfsgerecht zu verteilen. Vier Indikatoren wurden kleinräumig aus vorhandenen Datenquellen erstellt: Anzahl der jungen Menschen unter 6 Jahren, Anteil der unter 6-Jährigen in alleinerziehenden Haushalten, Anteil der unter 6-Jährigen ohne Deutsch als erste Staatsangehörigkeit sowie Minderjährige[1] in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II (Bürgergeld). Diese vier Indikatoren bilden zuverlässig die Bedarfe aufgrund von Sprache und Integration, aufgrund von Armut und herausfordernden Familienformen ab. Aus ihnen wurde ein gewichteter Gesamtindex erstellt, der die Grundlage für die Berechnung von IST- und Erwartungswerten für die finanzielle Förderung der Familienzentren war (s. Anlage 1).
Auf Basis der Analyse wurden vier Stadtbezirke näherer Prüfung unterzogen: Marli/Brandenbaum, Holstentor-Nord, Hüxtertor und Dornbreite. Die Stadtbezirke Holstentor-Nord und Marli/Brandenbaum verfügen bereits über Standorte von Familienzentren und die Differenz zwischen IST- und Erwartungswert war nicht so auffällig, wie bei den beiden anderen Stadtbezirken (s. Anlage 1). Daher wurden kleinräumige Analysen für Dornbreite und Hüxtertor erstellt, die Verteilung der Kinderarmutsgefährdungsquote als zentralen Indikator verwendet (s. Anlage 2). In Stadtbezirk Hüxtertor ist das Quartier rund um den Mönkhofer Weg (begrenzt durch die B207, B75, Ratzeburger Allee und Bahntrasse) hinsichtlich der Sozialdaten auffällig. Das Quartier verfügt über vergleichsweise viele Einwohner:innen: 2023 lebten dort 1.418 junge Menschen unter 18 Jahre. Davon lebten 327 in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II, was 23,1 % entspricht. In der kleinräumigen Analyse im Stadtbezirk Dornbreite fällt der Blick auf das Quartier Krempelsdorf. Es wird eingegrenzt durch die A1 und die Friedhofsallee sowie die Stockelsdorfer Straße. Dort lebten insgesamt 606 Minderjährige, wovon dies 223 in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II taten. Das entspricht einer Kinderarmutsgefährdungsquote von 36,8 %.
Während mit einem Familienzentrum in Stadtbezirk Hüxtertor mit Fokus auf das Quartier um den Mönkhofer Weg aufgrund der Bevölkerungsgröße viele Familien erreicht werden könnten, ist die Kinderarmutsgefährdungsquote dort nur leicht über dem stadtweiten Durchschnitt mit Spitzen in einzelnen statistischen Sozialräumen. Das Quartier zeigt keine starken Segregationstendenzen auf und ist verkehrstechnisch vergleichsweise gut angebunden. Das einzige Familienzentrum in St. Jürgen Drachennest III (AWO e.V.) meldete eine hohe Auslastung und würde weitere Angebote im Stadtteil begrüßen. Das Quartier Krempelsdorf weist eine deutlich überdurchschnittliche Kinderarmutsgefährdungsquote auf – mehr als jedes dritte Kind lebt von Transferleistungen. Das Quartier ist durch Verkehrswege mit hoher Belastung eingegrenzt, die eine lebensweltliche Barriere bilden. Das Quartier ist durch Geschosswohnungsbau geprägt und der Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten wird dadurch eingeschränkt. Die städtische Kita im Quartier meldet hohe individuelle Bedarfe bei den Kindern und Familien. Auf Basis dieser Gegenüberstellung empfiehlt die Jugendhilfeplanung, die frei gewordenen Ressourcen für ein Familienzentrum im Quartier Krempelsdorf zu nutzen und an der dortigen Kita anzusiedeln.
- Ausblick
Durch die Analyse von Sozialstrukturdaten und in Gesprächen mit den Akteuren wurden Informationen und Perspektiven hinsichtlich der Bedarfe an Angeboten der Familienzentren gesammelt. Die Abwägung, wie die verfügbaren Ressourcen zielgerichtet eingesetzt werden können, fällt aus der Jugendhilfeplanung für das Quartier Krempelsdorf aus.
Die Kindertageseinrichtung möchte zeitnah Angebote des Familienzentrums im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten ergänzen. Dazu soll geprüft werden, welche Erweiterungsoptionen, z.B. durch Anmietung weiterer Räume, für neue Leistungen bestehen. Mittelfristig ist bereits ein Neubau der Einrichtung geplant, sodass das Familienzentrum entsprechend räumlich ausgestattet werden kann.