Gemäß Beschluss des Hauptausschusses vom 20.04.2021 (Vorlage Nr. VO/2021/09923) wurde der Bürgermeister ermächtigt, mit der Maßnahme „Lübeck-Travemünde, Skandinavienkai, Umbau Anleger 5PLUS - bedarfsgerechte Entwicklung der Anlegersituation“ zu beginnen. Neben dem Umbau des Anlegers 5 für die neuen größeren Schiffsgenerationen sollte mit der Maßnahme gleichzeitig der Anleger 7 für die angekündigten längeren Schiffe mit einem Zusatzpoller angepasst sowie an Anleger 4 eine Übergangslösung realisiert werden, sodass die größeren Schiffe bereits vor Fertigstellung des Anlegers 5 am Skandinavienkai abgefertigt werden konnten. Diesem Vorgehen wurde mit dem o. g. Beschluss zugestimmt.
Es wurden folgende Haushaltsmittel geordnet:
552001 543.7852000 – Skandinavienkai / Anleger 5 (2020 bis 2022) 19,5 Mio. EUR
552001 509.7852000 – Skandinavienkai / Dalbensteg Anleger 5a (2021) 2,5 Mio. EUR
552001 510.7852000 – Skandinavienkai / Dalbensteg Anleger 7 (2021) 2,5 Mio. EUR
Gesamt „Anleger 5PLUS“ 24,5 Mio. EUR
Förderung
Für die Maßnahme konnten im Zuge der Förderung aus dem Landesprogramm Wirtschaft (2014-2020) mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) Fördergelder in einer gedeckelten Summe von 13.310.022,00 EUR vom Land Schleswig-Holstein akquiriert werden.
Innovationspartnerschaft - Vergütungsregelung
Die Planung zur Ausführung sowie die spätere Baurealisierung des neuen Anlegers wurden im Zuge einer Innovationspartnerschaft zwischen der Hansestadt Lübeck, Bereich Lübeck Port Authority (LPA) und der Arbeitsgemeinschaft Skandinavienkai, bestehend aus Firma Ed. Züblin AG und der Firma Depenbrock Ingenieurwasserbau (Arbeitsgemeinschaft Skandinavienkai) durchgeführt. Das partnerschaftliche Modell war erstmals Ausdruck einer seitens der LPA geförderten neuen Kultur am Bau. Ziel von Auftraggeber:in und -nehmer:in war eine alternative Beschaffungsvariante, die eine kooperative, effiziente, transparente und ausgewogene Zusammenarbeit aller Partner:innen über den gesamten Zeitraum des Projektes ermöglichen sollte. Mit Ausschreibung der Leistung im Dezember 2020 wurden durch die LPA die Zielkosten für die Maßnahme festgelegt und allen Bietenden kommuniziert.
Mit Abschluss des Vergabeverfahrens im April 2021 konnte der Auftrag für die Planung zur Ausführung (Partneringphase) an die Arbeitsgemeinschaft Skandinavienkai erteilt werden. Der Generalübernehmervertrag über Projektentwicklungs-, Planungs- und Bauleistungen (Partnering), im Folgenden Partnering-Vertrag genannt, sah dabei vor, dass es am Ende der Partneringphase (September 2021) automatisch zu einer Baurealisierung kommt, sollten die Zielkosten erreicht werden. Sollte dies jedoch nicht geschafft werden, so hatte die LPA noch einmal die Möglichkeit von der Baurealisierung zurückzutreten oder die Wirtschaftlichkeit des Angebotes neu zu bewerten und den Zuschlag zu erteilen. Dies war beim Projekt „Lübeck-Travemünde, Skandinavienkai, Umbau Anleger 5PLUS - bedarfsgerechte Entwicklung der Anlegersituation“ der Fall, da die Zielkosten am Ende der Partneringphase aufgrund von allgemeinen Preissteigerungen im Bauwesen trotz aller Optimierungen nicht erreicht werden konnten. Die finale Angebotssumme wurde abschließend auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft und lag im Rahmen der freigegebenen Baukosten für die Maßnahme, sodass der Zuschlag erteilt wurde und die Umsetzung im Oktober 2021 beginnen konnte.
Der Partnering-Vertrag sah vor, dass die technische Lösung im Zuge der Partneringphase in einen Pauschalvertrag mündet, der alle bekannten und für die Umsetzung erforderlichen Leistungen berücksichtigt. Im Zuge der Baumaßnahme kam es dann zu zusätzlichen und geänderten Leistungen (Nachträge), die gem. Partnering-Vertrag § 6 zusätzlich zu vergüten waren. 14 der insgesamt 18 Nachträge bei diesem Projekt konnten dabei noch über die geordneten Haushaltsmittel in Höhe von 24,5 Mio. EUR abgedeckt werden, da diese kein großes Volumen hatten und hier ein Puffer nach Abzug aller bisher beauftragen Leistungen vorhanden war.
Da der Bau der neuen Liege- und Heckwand des Anleger 5 bereits abgeschlossen war, es nur noch um den Rückbau des davorliegenden Altbestandes ging, alle Hauptleistungen beauftragt waren und die Nachtragsleistungen dem Grunde nach anzuerkennen waren, wurde die Baustelle weiter vorangetrieben und abgeschlossen. Ein Anlegen der neuen Schiffe konnte somit ohne weitere Verzögerung gewährleistet werden.
Erst nach Abschluss der Baumaßnahme konnte die Arbeitsgemeinschaft Skandinavienkai die Kosten für aufwändigere zusätzliche Arbeiten wie z. B. Leistungen im Zusammenhang mit den Rückbauarbeiten ermitteln und überreichen. Die Prüfungen der Nachträge war sehr zeitintensiv und es fanden hierzu viele Gespräche miteinander statt. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch nicht abgesehen werden, ob es zu einer Überschreitung der Kosten kommt. Erst nach Abschluss der Nachtragsprüfungen konnte festgestellt werden, dass die Steigerung über 175.000 EUR liegt. Im Abgleich mit dem Gesamtvolumen der Kosten handelt es sich prozentual um eine sehr geringe Überschreitung von 3,5 %.
Anlass für die Vorlage
Nach § 1 Nr. 1 der am 26.03.2015 von der Bürgerschaft beschlossenen Fassung der Zuständigkeitsordnung ist eine erneute Entscheidung des Hauptausschusses zur Fortführung des beschlossenen Vorhabens herbeizuführen, wenn das Gesamtvolumen um mehr als 20 % oder um 175.000 EUR netto überschritten wird. Diese Entscheidung ist erforderlich, da die freigegebenen Gesamtkosten von 24,5 Mio. EUR um knapp 3,5 % bzw. 841.705,39 EUR überschritten werden.
Begründung der Höhe von Mehrkosten
Die nachfolgend aufgeführten Leistungen beschreiben die zusätzlichen Arbeiten, die während der Bauausführung erforderlich wurden und zu einer finalen Überschreitung des Budgets geführt haben:
Preissteigerungen im Zuge des Krieges in der Ukraine
Die Baustelle Anleger 5 PLUS wurde mitten in der Ausführung von den Turbulenzen in Folge des Ukrainekrieges getroffen. In fast allen Bereichen der Materialbeschaffung und der Energiekosten kam es ab Februar 2022 zu erheblichen Kostensteigerungen während der Ausführung des Projektes. Im Zuge dessen wurden Stoffpreisgleitklauseln auf die relevanten Baumaterialien und Betriebsstoffe festgelegt und im weiteren Bau berücksichtigt.
Durch das partnerschaftliche Vertragsmodell konnten im Vorwege größere Kosten abgewendet werden, da noch am gleichen Tag des Vertragsabschlusses eine erhebliche Materialbestellung durch die Arge Skandinavienkai ausgelöst werden konnte. Hierdurch wurde ein Großteil der Stahlmaterialien für den Spundwandbau auf den zur Verfügung gestellten Flächen im Hafen noch im 4.Quartal 2021 geliefert.
Insbesondere die Lieferung von Bewehrungsstahl für den Betonholm und die Heckrampe sowie die Lieferung der neuen Poller und Fender für den Anleger konnten erst in der zweiten Jahreshälfte in 2022 getätigt werden. Hier wurde die Preisgleitklausel angewendet. Des Weiteren wurden die stark angestiegenen Kosten für Kraftstoffe während der Bauausführungsphase bewertet und berücksichtigt.
Die Gesamtkosten für die gestiegenen Preise in Folge der Ukrainekrise belaufen sich auf 190.631,36 EUR. Diese Kostensteigerungen waren in diesem Umfang im Rahmen der Planungsphase nicht vorherzusehen und sind zu vergüten.
Rückbau der Liege- und Heckwand
Beim Rückbau der Tiefgründung des alten Anlegers wurde festgestellt, dass sich der Bestand in der Örtlichkeit anders darstellt, als zuvor durch die bestehenden Unterlagen in der Planung angenommen. Beim Bau des Anlegers vor über 40 Jahren wurden beispielsweise in Teilbereichen der Liegewand deutlich längere Spundwandbohlen eingebaut, als in den Bestandsplänen eingetragen. Beim Rückbau der Tiefgründung im Bereich der ehemaligen Hauptdeckbrücke musste festgestellt werden, dass die tragende Konstruktion zusätzliche konstruktive Stahlverbindungen im Untergrund aufwies, was das geplante Ziehen der Träger unmöglich machte. Des Weiteren wurden im Bereich der alten Pfahlgründungen diverse Steinschüttungen gefunden, die sich über die Jahre zwischen den Einzelpfählen verkeilt hatten.
Alle genannten Umstände führten dazu, dass die geplanten Bauverfahren für den Rückbau der Bestandskonstruktionen in den betroffenen Bereichen immer wieder umgestellt werden mussten. Hierdurch entstanden deutliche höhere Aufwendungen beim Rückbau des alten Anleger 5. Es wurden beispielsweise zusätzliche Taucherkolonnen in der Baustelle eingesetzt, die die nicht ziehbaren Spundbohlen und zusätzlichen konstruktiven Verbindungen sukzessive abgebrannt haben, sodass ein Ausbau möglich wurde. Weiterhin wurde bestehendes Personal und Geräte über einen längeren Zeitraum auf der Baustelle vorgehalten. Für den Rückbau der Pfahlgründungen musste zusätzlich ein Bagger mit Stemmhammer auf die Baustelle gebracht werden, welcher ein Abbrechen der Steinschüttungen unter Wasser ermöglichte.
Die zusätzlichen Kosten für den Rückbau belaufen sich auf rd. 670.061,50 EUR, aufgeteilt in drei unterschiedliche Nachträge. Diese Mehrkosten waren im genannten Umfang im Rahmen der Planungsphase nicht vorherzusehen und sind zu vergüten. Bei der Ermittlung der einzelnen Nachtragssummen wurde zwischen beiden Partner:innen klar differenziert und abgestimmt, welche Abbrucharbeiten schlussendlich unvorhersehbar waren und damit zusätzlich durch die Hansestadt Lübeck zu vergüten sind und welche Arbeiten unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden mussten, was die Baufirmen durchaus im Zuge der Planungsphase hätten erkennen können. Diese Mehraufwendungen wurden vollständig durch die Arge Skandinavienkai getragen.
Zusammenfassung der Mehrkosten
Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die zuvor beschriebenen Mehrkosten, welche zu einer Überschreitung des Budgets geführt haben:
Stoffkosten Ukraine-Krise | rd. 190.631,36 EUR |
Erschwerter Rückbau Block 9 | rd. 203.856,04 EUR |
Erschwerter Rückbau Kolkschutz | rd. 173.115,88 EUR |
Erschwerter Rückbau Heckwand | rd. 293.089,58 EUR |
Gesamt Mehrkosten | rd. 860.692,86 EUR |
Von diesen Mehrkosten in Höhe von insgesamt 860.692,86 EUR konnten 18.987,47 EUR noch aus den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln in Höhe von 24,5 Mio. EUR finanziert werden. Demnach ergeben sich 841.705,39 EUR als Mehrkosten zur freigebenden Summe.
Die Refinanzierung der Kosten erfolgt über den Nutzungsvertrag mit der LHG.
Deckung der Mehrkosten
Die fehlenden 841.705,39 EUR konnten per Sollübertragungen aus anderen Maßnahmen der Lübeck Port Authority bereitgestellt werden, da diese zum Teil nicht im geplanten Umfang in 2023 umgesetzt werden konnten. Die dort zur Deckung herangezogenen Mittel werden im Rahmen der nächsten Investitionsplanung entsprechend den aktuellen zeitlichen Bedarfen wieder eingeplant.
Fazit zur Innovationspartnerschaft
Bereits im Zuge der Partneringphase hat sich gezeigt, dass ein gemeinsames Erarbeiten der bestmöglichen Umbauvariante mit der ausführenden Firma und dem vorherigen Planungsteam der richtige Weg für die Abwicklung von großen und komplizierten Bauvorhaben sein kann. Durch die partnerschaftlichen Abstimmungen und die gemeinsame Planung konnten vor Baubeginn viele Risiken im Bau ausgeschlossen werden. Durch das Know-How der Baufirmen konnten zusätzliche Ideen in die Planung einfließen, die einen wirtschaftlichen Vorteil sowie eine bessere Logistik auf der Baustelle nach sich zogen. Da die ausführende Firma sich in dieser Vertragsart deutlich länger und intensiver mit der Vorbereitung der Baustelle beschäftigen konnte, entstanden hierdurch wirtschaftliche Vorteile, die an den Bauherren weitergegeben wurden.
Zu Baubeginn konnte so ein Großteil der Materialbestellungen direkt ausgelöst werden, wodurch die Materialien kurze Zeit später auf der Baustelle waren. Dies war nur möglich, weil vor Baubeginn viel Zeit für Verhandlungen mit unterschiedlichen Lieferanten zur Verfügung stand. Auch die Zusammenarbeit im Verlauf der Bauausführung stellte sich deutlich partnerschaftlicher dar, als dies größtenteils in Bauvorhaben mit klassischer Vertragsform der Fall ist. Ausschlaggebend ist hier die gemeinsame Erarbeitung der Leistung sowie des Pauschalvertrages auf Basis aller vor Baubeginn bekannten Informationen. Nachträge, die durch mangelhafte oder zweideutige Ausschreibungstexte generiert werden, gibt es hier nicht. Ebenso wie Nachträge, die durch fehlende Leistungen im Leistungsverzeichnis entstehen. Hierdurch wird ein großes Diskussionspotenzial während der Bauausführung ausgeschlossen, da zusätzliche Leistungen nur gewertet werden, wenn Sie vorher nicht bekannt waren oder eine Änderung der geplanten Ausführung durch die Auftraggebenden gewünscht ist.
Die geschätzten Kosten für die Baumaßnahme konnten trotz zusätzlich angeordneter Leistungen aufgrund von geänderten Planungsrandbedingungen eingehalten werden. Erst durch den erschwerten Rückbau des Altbestandes, der maßgeblich durch Lücken in der Bestandsdokumentation des bestehenden Anlegers von vor über 40 Jahren begründet ist, sowie den Stoffkosten wurden die Projektkosten schlussendlich um rd. 3,5 Prozent überschritten.