Vorlage - VO/2023/12212-01  

Betreff: AM Detlev Stolzenberg (Die Unabhängigen): Durchführung eines Symposiums zum immateriellen Schutzgut der Nutzung des Heiligen-Geist-Hospitals
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Monika FrankBezüglich:
VO/2023/12212
Federführend:4.491 - Archäologie und Denkmalpflege Beteiligt:4.415 - Archiv
Bearbeiter/-in:Dr. Rieger, Dirk   
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege zur Kenntnisnahme
09.09.2024 
12. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Denkmalpflege zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
HGH Infoblatt

Beschlussvorschlag

Antrag: Aufgrund der öffentlichen Diskussion zur Schutzwürdigkeit der über Jahrhunderte anhaltenden Nutzung des Heiligen-Geist-Hospitals als Altenpflegeeinrichtung wird die Kulturverwaltung beauftragt, ein Symposium unter Einbindung von Expert:innen aus den Bereichen UNESCO, Denkmalschutz, Architektur und Stadtgeschichte sowie von Vertreter:innen der Wissenschaft, Interessenverbänden und Behörden sowie der interessierten Öffentlichkeit durchzuführen. Das Symposium soll im Herbst 2023 stattfinden.

 

Begründung: Das Heiligen-Geist-Hospital ist Teil des als Weltkulturerbe anerkannten Stadtgebiets. Für viele ist die über Jahrhunderte ausgeübte Nutzung als Altenpflegeeinrichtung Teil des immateriellen Kulturerbes. Das Symposium soll der Frage nachgehen, ob eine Anerkennung der Nutzung als Schutzziel im öffentlichen Interesse liegt und wie die Rechtssituation eingeschätzt wird.


 


Begründung

 

Das Heiligen-Geist-Hospital in Lübeck (HGH) und die Tradition der Alten- und Krankenpflege

 

Bericht zum Antrag auf Durchführung eines Symposiums als Vorbereitung für eine Antragstellung zur Aufnahme in die Liste des Immateriellen Kulturguts Einschätzung der Verwaltung zum Beschluss der Bürgerschaft vom 29.06.2023 (VO 12266-01, Nr. 5)

 

Zum Antrag aus dem Kulturausschuss [1] auf „Durchführung eines Symposiums zum immateriellen Schutzgut der Nutzung des Heiligen-Geist-Hospitals und zur Klärung der Fragen, ob eine „Anerkennung der Nutzung als Schutzziel im öffentlichen Interesse liegt und wie die Rechtssituation eingeschätzt wird“, wird wie folgt berichtet. Dieser Bericht der Verwaltung gibt zugleich eine Einschätzung  zum Beschluss der Bürgerschaft vom 29.06.2023 (VO 12266-01, Nr. 5): „Der Bürgermeister wird beauftragt (…), r die über 700jährige Tradition der Alten- und Krankenpflege im Heiligen-Geist-Hospital Lübeck unverzüglich die Aufnahme als immaterielles UNESCO Weltkulturerbe zu beantragen.“[2]

 

Die (Bürger-)Initiativen „Rettet Lübeck e.V. (BIRL)“ und „Rettet das Heiligen-Geist-Hospital“ sowie der „Bewohnerinnen- und Bewohnerbeirat des Heiligen-Geist-Hospitals“ haben parallel zu diesen politischen Initiativen in der zweiten Jahreshälfte 2023 eine Anfrage an das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein gestellt, ob das Heiligen-Geist-Hospital in Lübeck als Form stadtbürgerlichen Engagements für die Pflege alter und bedürftiger Menschen im Hanseraum“ anerkannt und in die Liste eingetragen werden kann. Der Hansestadt Lübeck ist der Inhalt dieser Anfrage nicht bekannt, sie wurde vom Ministerium lediglich im Zuge einer Anfrage zur Klärung der Rahmenbedingungen für die Aufnahme in das Verzeichnis immateriellen Kulturerbes darüber in Kenntnis gesetzt. Das Ministerium kam zudem dem Wunsch nach, die HL über den Ausgang der Prüfungen zu informieren. Hierzu hat das Ministerium am 26.3.2024 der Fachbereichsleitung 4 mitgeteilt, dass bezüglich der o.g. Bewerbung um Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis Immaterielles Kulturerbes (IKE) der schleswig-holsteinische IKE-Beirat keine Weiterleitung an die Kultusministerkonferenz empfohlen hat, „da der Antrag die Konventionen der UNESCO für das Immaterielle Kulturerbe aus formalen Gründen nicht erfüllt. Die Antragstellenden sind nicht diejenigen, die diese Kulturform formal tragen, sondern in/als Bürgerinitiativen im Umfeld des Hospitals aktiv sind.“ Das Ministerium hat sich dem Votum seines Beirates angeschlossen, dass vor diesem Hintergrund keine Aussicht auf eine Aufnahme besteht.

 

Es ist daher zu klären, inwieweit das angeregte Symposium, das laut Antrag „unter Einbindung von Expert:innen aus den Bereichen Unesco, Denkmalschutz, Architektur und Stadtgeschichte sowie von Vertreter:innen der Wissenschaft, Interessenverbänden und Behörden sowie der interessierten Öffentlichkeit“ durchgeführt werden soll, dazu beitragen kann, eine Antragstellung zu ermöglichen oder zu befördern. Auch werden Informationen zu verfahrenstechnischen, inhaltlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen einer Antragstellung gegeben sowie der Aufwand für eine Antragstellung angegeben.

 

Das UNESCO Programm Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes

 

Das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes[3] wurde 2003 beschlossen und ist 2006 in Kraft getreten. Es bezieht sich auf lebendige Ausdrucksformen kulturellen Erbes. Das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes[4] Im Bundesweiten Verzeichnis IKE zeigt exemplarisch, welche lebendigen kulturellen Traditionen und Ausdrucksformen in Deutschland praktiziert und weitergegeben werden. Einige Bundesländer führen darüber hinaus Länderverzeichnisse des Immateriellen Kulturerbes oder haben Beratungsstellen für Interessierte, Bewerberinnen und Bewerber und Trägerinnen und Träger Immateriellen Kulturerbes eingerichtet (nicht Schleswig-Holstein). Die Länder gestalten das Auswahlverfahren in der ersten Stufe des innerstaatlichen Verfahrens zur Erstellung des Bundesweiten Verzeichnisses selbst. Ansprechpartner in SH ist das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein.

 

 

 

 

Definition Immaterielles Kulturerbe, Möglichkeiten und Formen der Antragsstellung

 

Unter der Überschrift „Was ist Immaterielles Kulturerbe?“ heißt es unter unter anderem:[5]Wissen. Können. Weitergeben.“: Immaterielles Kulturerbe sind kulturelle Ausdrucksformen, die von menschlichem Wissen und Können getragen und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Gemeinschaften prägen diese lebendigen Traditionen und entwickeln sie kreativ weiter.

 

-          Zum Immateriellen Kulturerbe zählen nach dem 2003 verabschiedeten und von 181 Staaten unterzeichneten UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes:

-          mündliche überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen,

-          darstellende Künste,

-          gesellschaftliche Bräuche, Rituale, Feste (auch Formen gesellschaftlicher Selbstorganisation),

-          Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum

-          und traditionelle Handwerkstechniken.

 

Immaterielles Kulturerbe im Sinne des UNESCO-Übereinkommens ist zugleich traditionell, zeitgenössisch und zukunftsgerichtet. Menschen spielen hierbei die Schlüsselrolle. Die oft nur mündlich tradierten Praktiken wirken identitätsstiftend und gemeinschaftsfördernd. Gerade im Zuge der Globalisierung gewinnen regionale Traditionen und lokales Wissen wieder an Bedeutung.

 

Es geht um die praktizierte Ausdrucksform und ihre Bedeutung für die jeweiligen Gemeinschaften und Gruppen. Für das Immaterielle Kulturerbe entscheidend sind Wissen und Können die Produkte der kulturellen Ausdrucksform (wie etwa Aufführungen, Erzählungen, Handwerksprodukte etc.) oder Objekte/Artefakte sind von nachrangiger Bedeutung.

 

Als Immaterielles Kulturerbe gelten lebendige kulturelle Ausdrucksformen. Für die Anerkennung einer Kulturform als Immaterielles Kulturerbe im nationalen wie auch im internationalen Rahmen spielen Teilhabe,Vielfalt, Kreativität und Weiterentwicklung eine herausragende Rolle.

 

Kulturformen im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes können als „Immaterielles Kulturerbe“, solche auf der internationalen Repräsentativen Liste der UNESCO als „Immaterielles Kulturerbe der Menschheit" bezeichnet werden.

 

Aufnahmeverfahren für das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes

 

Die Erstellung des Bundesweiten Verzeichnisses des Immateriellen Kulturerbes ist mit einem mehrstufigen Verfahren verbunden, an dem die Länder und die Kulturministerkonferenz, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Deutsche UNESCO-Kommission beteiligt sind.

 

Zivilgesellschaftliche Gruppen die praktizierenden „Trägergemeinschaften“ nnen Vorschläge zur Aufnahme in das Verzeichnis machen, wahlweise eine Kulturform für das Bundesweite Verzeichnis oder ein Modellprogramm für das Register Guter Praxisbeispiele der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes. Das Register ist Teil des Bundesweiten Verzeichnisses.

Alle zwei Jahre findet eine Bewerbungsrunde statt. Für alle Fragen rund um die Bewerbung gibt es ein Merkblatt.[6]

 

Die Kulturformen und Modellprogramme müssen im Sinne des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes sein und die Kriterien zur Aufnahme erfüllen. Bewerbungsdossiers können während einer Bewerbungsrunde im entsprechenden Bundesland eingereicht werden. Bewerbungen, die nicht einem Bundesland zugeordnet werden können, werden im jeweiligen Sitzland der Trägergemeinschaft(en) eingereicht.

 

Jedes Bundesland trifft eine Vorauswahl und kann bis zu vier Bewerbungen an das Sekretariat der Kultusministerkonferenz weiterleiten. Die bundesweite Vorschlagsliste wird an das unabhängige Fachkomitee Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission weitergeleitet. Das Komitee prüft und bewertet die Bewerbungsdossiers nach den Kriterien für das Immaterielle Kulturerbe und empfiehlt Kulturformen oder Modellprogramme zur Aufnahme in das Verzeichnis. Die Kulturministerkonferenz der Länder und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien bestätigen abschließend die Auswahlempfehlungen des Fachkomitees.

 

Die im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes geführten Kulturformen sind für eine UNESCO-Nominierung auswählbar. Das unabhängige Fachkomitee Immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission trifft eine Nominierungsempfehlung, die von der Kulturministerkonferenz der Länder und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bestätigt werden muss.

 

Einsctzung zu den Zeitabläufen und Erfolgsaussichten

 

Vorab ist anzumerken, dass eine Antragstellung nicht wie im Beschluss formuliert bezogen auf das immaterielle UNESCO-Weltkulturerbe erfolgen kann, sondern lediglich wie in den oben stehenden Informationen dargelegt auf Aufnahme in das Bundesweites Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes, mit dem keinerlei Schutzstatur und zunächst keinerlei Anerkennung durch die UNESCO verbunden ist.

 

Ein an die zuständige Landesbehörde zu richtender Antrag auf Anerkennung als immaterielles Kulturerbe muss bis zum Stichtag abgegeben werden; das nächste Verfahren wird im März 2025 eröffnet und läuft bis Oktober 2025.

 

Eine den Vorgaben der deutschen UNESCO-Kommission entsprechende Antragstellung müsste vorab folgende Fragen klären:

 

a)      Antragsteller müssen Träger der Tradition sein. Den auf der Seite der UNESCO veröffentlichten Regularien zufolge können nur solche Träger der Tradition Anträge auf Anerkennung als immaterielles Kulturerbe stellen. Die HL als Gebietskörperschaft wäre nur antragsberechtigt, wenn sie in ihrer Gesamtheit … als Trägerin einer Kulturform i.S. der UNESCO-Konvention zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes (IKE) eingeschätzt wird. Zwar ist eine Stadt als Trägerin einer Kulturform i.S. der UNESCO-Konvention grundsätzlich antragsberechtigt. Im Bundesweiten Verzeichnis IKE sind bereits Kulturformen enthalten, die von Städten und Gemeinden eingebracht wurden (z.B. Augsburger Hohes Friedensfest, Bad Dürrenberger Brunnenfest, Fürther Michaeliskirchweih). Allerdings muss die Stadt dann im weiteren Sinne mlich quasi in Vertretung ihrer Bürger/-innenschaft, wie dies etwa bei Stadtfesten als gegeben angenommen werden kann Trägerin der Tradition sein. Damit ist nicht eine rein wirtschaftliche Verantwortung für eine das Brauchtum ausübende Institution gemeint, sondern eine Kommune kann nur stellvertretend für ihre Bürgerinnen und Bürger als Organisationseinheit der Träger/-innenschaft auftreten, wenn diese wie in den eben genannten Beispielen in ihrer Gesamtheit als Ausübende und Pflegende der lebendigen Tradition gelten können. Es dürften auch nachweislich vorrangig keine kommerziellen Interessen mit der Traditionspflege verfolgt werden.

 

b)      Den o.g. Informationen und Beispielen zufolge wäre in rechtlicher Hinsicht zunächst zu klären, ob die HL im Sinn des Programms überhaupt Antragstellerin sein könnte, oder ob dies nicht vielmehr die das womögliche kulturelle Erbe begründende Stiftung Heiligen-Geist-Hospital als „zivilgesellschaftliche Gruppe“ sein müsste bzw. ob diese angesichts des heutigen Betriebs der Pflegeeinrichtung HGH durch die SIE der HL überhaupt als solche eingestuft würde. Es ist zweifelhaft, ob die Stiftung, welche heute von der HL nach den Vorschriften der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein verwaltet und durch den Bürgermeister der HL vertreten wird, eine antragsberechtigte Gruppe/Gemeinschaft darstellt, da Sie ja nicht mehr Trägerin der kulturellen Praxis „Pflege“ ist, sondern lediglich die Immobilie zur Verfügung stellt. Bewerbungen können nur von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen, die die Kulturform selbst ausüben, eingereicht werden oder allenfalls stellvertretend von Gebietskörperschaften für das Brauchtum ausübende zivilgesellschaftliche Gruppen.

 

c)       Die heutige Praxis der stationären Versorgung von Senior:innen im HGH ist nach Einschätzung der Verwaltung kein von Bürger:innen und/oder der Zivilgesellschaft ausgeübtes kulturelles Brauchtum. Die Pflege von Senior:innen ist in Deutschland sehr weitgehend sozialrechtlich durch Bundes- und Landesgesetze geregelt. Die in den Voraussetzungen für eine Antragstellung nachzuweisende möglichst weitreichende Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen, die dieses Kulturerbe pflegen, weitergeben und weiterentwickeln, ist damit nicht gegeben.

 

d)      Es ist durch ein historisch-wissenschaftliches Gutachten inhaltlich herauszuarbeiten, welche Alleinstellungsmerkmale (Ursprünglichkeit, Einzigartigkeit) die in das immaterielle Kulturerbe aufzunehmende Praxis im nationalen und internationalen Kontext auszeichnen die Stiftung stellt sich als bedeutendste nordeuropäische Stiftung mittelalterlicher Wohlfahrtspflege und eine der ältesten bestehenden Sozialeinrichtungen der Welt seit 1227 dar, dies ist jedoch bezogen auf den Antrag weitergehend historisch-wissenschaftlich aufzubereiten und zu belegen.[7] Krankenpflege- und Altenfürsorge durch Bürgerinnen und Bürger oder bürgerliche karitative Einrichtungen sind ein europaweites historisches Phänomen dieser Epoche. Außer in der christlichen Ethik nimmt die von Individuen oder Individuengemeinschaften getragene Fürsorge für Kranke und Arme auch in anderen Religionen, etwa im jüdischen Glauben, einen vergleichbar bedeutenden Platz ein. Es ist grundsätzlich zu klären, ob die Pflege und Beherbergung von „Betagten“ und Kranken in Lübeck im nationalen und internationalen Kontext tatsächlich die älteste Tradition ist bzw. mit welchen zeitlich parallelen Gründungen anderer noch heute bestehender Einrichtungen in Deutschland, im zweiten Schritt in Europa und weltweit ein gemeinsamer Antrag zu stellen wäre. Die Stiftung selbst äert hierzu, sie stände in der Tradition der Heilig-Geist-Spitäler nach dem Vorbild von Santo Spirito in Sassia in Rom; solche wurden an verschiedenen Orten im 13. Jahrhundert errichtet. Ein vor diesem Hintergrund überlokal/national/international abzustimmender Antrag würde nach den Erfahrungen, die bei der erfolgreichen Bewerbung der HL für die Eintragung von Hansedokumenten in das UNESCO-Register „Memory of the World“ (Weltdokumentenerbe) gesammelt wurden, mehrere Jahre intensiver Vorarbeit erfordert.

 

e)      In einem Antrag zu bewerten und zu beschreiben sein wird weiterhin, welche Tradition die heutige Praxis der Altenpflege im Gebäude des HGH bewahrt, inwieweit sie mit dem Ursprung verbunden ist und wie diese Tradition bewahrt werden soll.

 

f)        Zudem ist zu klären, welcher der von der deutschen UNESCO-Kommission definierten Ausdrucksformen Immateriellen Kulturerbes die Praxis im HGH zuzuordnen ist, da bisher keine vergleichbaren Beispiele aufgenommen wurden.

 

g)       Daneben sieht das Antragsformular vor, dass die heutige Praxis; die Weitergabe von Wissen und Können; Entstehung, Wandel und Weiterentwicklung; Reflexion der Geschichte und Entwicklung; Wirkung und Nachhaltigkeit etc. bewertet und beschrieben werden.

 

Diese Anforderungen verdeutlichen, dass eine Antragstellung mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre, zumal in der Verwaltung der HL bisher keinerlei Erfahrung mit und personelle Zuständigkeit für Bewerbungen zur Aufnahme in die Bundesweite Liste Immateriellen Kulturerbes vorhanden sind. Dem kann seitens der Verwaltung nur durch Auftragsvergabe oder eine Projektstelle entsprochen werden, wenn zumindest die Antragsfrist 2025 erreicht werden soll. Auch diese ist schon knapp bemessen, denn wenn die Vorlaufzeiten zur tatsächlichen Verfügbarkeit von Personal oder zur Vergabe von Aufträgen berücksichtigt werden, wird frühestens Anfang 2025 die Forschungsarbeit dazu beginnen können.

Aus Sicht der Verwaltung (nach oben dargelegten Prüfung der Bedingungen und unter Berücksichtigung von Auskünften der zuständigen Stelle beim Land Schleswig-Holstein) hätte ein solcher Antrag jedoch kaum Erfolgsaussichten:

 

  • Bei der heutigen Praxis der Pflege handelt es sich um eine gesetzliche Pflichtleistung, nicht um seit über 700 Jahren fortgesetztes zivilgesellschaftliches Brauchtum bzw. caritativ von Bürger:innen der HL getragene Fürsorge;
  • die Stiftung selbst agiert nicht mehr als Träger der kulturellen Praxis, sondern ist lediglich Eigentümerin der Immobilie;
  • die kulturelle Praxis ist weder einzigartig, noch nachweislich in Lübeck ursprünglich;

 

eine Weitergabe von Wissen zum erhaltenswerten Brauchtum findet nicht statt und wäre auch nicht zielführend, weil Rechtsansprüche und Rahmenbedingungen für die Pflege bundesgesetzlich geregelt sind, also nicht mehr dem Ursprungsgedanken folgen, dass Bürger:innen sich für Bürger:innen einsetzen und rein caritativ engagieren. Ergänzend wird wie oben bereits dargelegt angeführt, dass die Aufnahme in das Verzeichnis immateriellen Kulturerbes der UNESCO selbst für eine anerkannte kulturelle Praxis mit keinerlei Schutzwirkung verbunden wäre. Rechtsgrundlagen für eine fortgesetzte Nutzung des Gebäudes als Pflegeeinrichtung am jetzigen Standort lassen sich auch aus dem Denkmalrecht nicht ableiten, welches auf den Erhalt des Gebäudes fokussiert, nicht auf die Nutzung. Generell ist anzumerken, dass der Ursprung des Brauchtums „Altenpflege durch die Stiftung HGH in Lübeck“ nicht am Koberg, sondern an der Parade liegt, und dass der heute genutzte Gebäudeteil überhaupt erst seit ca. 50 Jahren für die Pflege genutzt wird.

 

Angesichts der eher geringen Erfolgsaussichten und zugleich aufwändigen Vorarbeiten sowie der für den Weiterbetrieb der städtischen Senior:inneneinrichtung am Standort HGH rechtlich vollständig unerheblichen Auswirkung einer Anerkennung für die über 700jährige Tradition der Alten- und Krankenpflege im Gebäude Heiligen-Geist-Hospital Lübeck als immaterielles Kulturerbe der UNESCO empfiehlt die Verwaltung dem Ausschuss für Kultur- und Denkmalpflege, kein Symposium zum immateriellen Schutzgut der Nutzung des Heiligen-Geist-Hospitals durchzuführen sowie der Bürgerschaft, den Beschluss zur VO 12266-01 (Nr. 5) aufzuheben: „Der Bürgermeister wird beauftragt (…), für die über 700jährige Tradition der Alten- und Krankenpflege im Heiligen-Geist-Hospital Lübeck unverzüglich die Aufnahme als immaterielles UNESCO Weltkulturerbe zu beantragen.“

 

Dies erfolgt auch und gerade vor dem Hintergrund der zunehmend angespannteren Haushaltslage, denn eine solche Antragstellung könnte angesichts der Konsolidierungserfordernisse nur zulasten anderer vom Ausschuss oder der Bürgerschaft bereits priorisierter/noch zu bewertender Vorhaben realisiert werden.

 

Sofern dieser Argumentation gefolgt werden soll, empfiehlt die die Verwaltung dem Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege, den Antrag auf Durchführung eines Symposiums als Vorbereitung für eine Antragstellung zur Aufnahme in die Liste des Immateriellen Kulturguts (VO/2023/12212) abzulehnen. In diesem Fall sollte der Ausschuss der Bürgerschaft weiterhin naherlegen, ihren Beschluss zur VO 12266-01 (Nr. 5) aufzuheben: „Der Bürgermeister wird beauftragt (…), für die über 700jährige Tradition der Alten- und Krankenpflege im Heiligen-Geist-Hospital Lübeck unverzüglich die Aufnahme als immaterielles UNESCO Weltkulturerbe zu beantragen.“


 


[1] VO/2023/12212 (Kulturausschuss am 12.06.2023: Durchführung eines Symposiums zum immateriellen Schutzgut der Nutzung des Heiligen-Geist-Hospitals).

[2] Anmerkung: „Immaterielles Kulturerbe“ (IKE) ist nicht „Welterbe“. Als „Welterbe“ gelten ausschließlich Baudenkmäler, Stadtensembles sowie Kultur- und Naturlandschaften.

[7] Die Tradition der Alten- und Krankenpflege ist historisch gleichzusetzen mit dem sogenannten „Hospitalsgedanken“ bzw. der „Hospitalsgeschichte“.  Kurz gefasst lautet die Definition: „Das aus dem oströmischen Reich stammende Spitalwesen verbreitete sich seit dem 4. Jahrhundert auch in Westeuropa. Es war christlichen Grundsätzen verpflichtet und diente der Aufnahme von Alten, Armen, Kranken, Pilgern, Fremden, Waisen- und Findelkindern. Zunächst vor allem in kirchlicher und klösterlicher Hand, gründeten im Zeitalter der Kreuzzüge insbesondere die verschiedenen Ritterorden die Spitäler. Vom 14. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts gingen Spitalgründungen schließlich vor allem vom wohlhabenden Bürgertum aus.“ Die HGH-Gründung ist Teil der Gründungswelle von Hospitälern durch bürgerliche Initiative im 13. Jahrhundert, die ihrerseits mit dem Aufblühen der Städte und Märkte in Zusammenhang steht. Diesen bürgerlichen Gründungen gingen verschiedene ältere Hospitalfundierungen voraus, bei denen Klöster, Laienbruderschaften, Ritterorden und einzelne Adlige die Initiatoren waren (z.B. 1170/75 Heilig-Geist-Hospital in Montpellier/Südfrankreich; Spital „Santo Spirito in Sassia“ in Rom 1208, Heilig-Geist-Spital in München 1208).

 


Anlagen


 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich HGH Infoblatt (133 KB)    
Stammbaum:
VO/2023/12212   AM Detlev Stolzenberg (Die Unabhängigen): Durchführung eines Symposiums zum immateriellen Schutzgut der Nutzung des Heiligen-Geist-Hospitals   Geschäftsstelle der Fraktion Die Unabhängigen   Antrag eines Ausschussmitgliedes
VO/2023/12212-01   AM Detlev Stolzenberg (Die Unabhängigen): Durchführung eines Symposiums zum immateriellen Schutzgut der Nutzung des Heiligen-Geist-Hospitals   4.491 - Archäologie und Denkmalpflege   Bericht öffentlich