Die Instanbul-Konvention ist seit dem 1. Februar 2018 geltendes Recht in Deutschland und gilt seit Februar 2023 uneingeschränkt.
Mit Unterzeichnung der Konvention hat sich Deutschland verpflichtet, offensiv gegen alle Formen von Gewalt vorzugehen, wobei geschlechtsspezifische Gewalt im Fokus steht. „Darunter wird jede Form von Gewalt verstanden, die sich entweder gegen Frauen richtet oder Frauen unverhältnismäßig stark trifft. (…) Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf häuslicher Gewalt. Deshalb können die Vertragsstaaten Opfer (häuslicher Gewalt) jeglichen Geschlechts in den Schutzbereich der Konvention mit einbeziehen.“ (www.un-women.de) Somit ist Deutschland verpflichtet, alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt zu bekämpfen und den Schutz und die Unterstützung für alle Betroffenen von häuslicher Gewalt sicherzustellen.
Eine Reduzierung des Schutzes vor häuslicher Gewalt nur auf Frauen würde eine unzulässige, geschlechtsbezogene Diskriminierung von queeren und männlichen Opfern häuslicher Gewalt darstellen. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die große Mehrzahl der Opfer häuslicher Gewalt Frauen sind, denn jedes Opfer häuslicher Gewalt hat – egal, ob es einer Minderheit oder einer Mehrheit angehört – das Recht auf Schutz und Hilfe und das unabhängig von seinem Geschlecht.
Die Herausforderungen hinsichtlich des Schutzes von Menschen vor häuslicher Gewalt sind vielfältig und erfordern die Entwicklung eines Aktionsplanes zur Umsetzung der Istanbul Konvention. Dabei handelt es sich allerdings um eine langfristige Aufgabe. Kurzfristig sind aber ebenfalls Maßnahmen erforderlich, da die Zahlen der Opfer partnerschaftlicher Gewalt in Lübeck erneut erheblich gestiegen sind und die Frauenhäuser keine Kapazitäten mehr haben. Im Jahr 2021 wurden 672 Fälle partnerschaftlicher Gewalt erfasst. Im Jahr 2022 ist die Zahl auf 791 Fälle angestiegen. Tendenz steigend. Gleichzeitig liegt die Auslastung der Frauenhäuser bei knapp 100% (empfohlen wird eine Belegungsrate von 75%), sodass in 2023 insgesamt 885 Frauen und Kinder bei den beiden Lübecker Frauenhäusern abgewiesen werden mussten. Hierbei kann - so der Bericht der Verwaltung VO/2024/12876-01 - nicht ausgeschlossen werden, dass diese Frauen und Kinder in die Obdachlosigkeit und/oder zu dem gewalttätigen Menschen zurückkehren mussten, weil sie keinen Schutz vor der häuslichen Gewalt aufgrund fehlender Kapazitäten erhalten konnten. Auch die Situation queerer und männlicher Opfer häuslicher Gewalt und ihrer Kinder ist in Lübeck unzureichend, wie die Auskunft von Lambda::Nord sowie Verwaltungsantworten auf die Anfragen von Juleka Schulte-Ostermann, GAL (Hauptausschuss 26.03.2024, VO/2024/12878-01) belegen. Es wird in beiden Fällen von einer großen Dunkelziffer ausgegangen, spezifische Schutzwohnungen existieren nicht in Lübeck. Die Verwaltung teilte im Hauptausschuss am 26.03.2024 mit (VO/2024/12878-01), dass Fachberatungen in Lübeck zwar vorgehalten würden, jedoch Schnittstellen fehlen würden, die für die umfassende Beratung der von häuslicher Gewalt betroffener Männer notwendig wären.
Um Inhalte und Ziele der Istanbul-Konventionen in Lübeck mit Blick auf alle Opfer häuslicher Gewalt unabhängig vom Geschlecht umzusetzen, ist es notwendig, zu analysieren, welche (weiteren) Maßnahmen erfolgen müssen, um die Ziele der Istanbul-Konvention zu erreichen. Mit diesem Sachantrag soll ein Arbeitskreis gebildet werden, der den Austausch zwischen Fachleuten und Vertreter*innen aller demokratischen Fraktionen fördert und notwendige Beschlüsse, die in der Bürgerschaft getroffen werden müssen, fachlich vorbereitet. Erste Maßnahmen sollen bis zur Haushaltssitzung im September 2024 identifiziert werden, um die nötigen finanziellen Mittel in 2025 zur Verfügung stellen zu können.