Vorlage - VO/2024/13203  

Betreff: Frauenförderung in den Gesellschaften der Hansestadt Lübeck und Ergänzung des Lübecker Public Corporate Governance Kodexes
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Jan Lindenau
Federführend:1.160 - Frauenbüro Beteiligt:1.201 - Haushalt und Steuerung
Bearbeiter/-in: Sasse, Elke   
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Hauptausschuss zur Vorberatung
28.05.2024 
15. Sitzung des Hauptausschusses unverändert beschlossen   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
30.05.2024 
8. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck in der Wahlperiode 2023 - 2028 unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Anlage 1 PCGK
Anlage 2 Eckpunkte
Anlage 3 Synopse Eckpunkte
Anlage 4 VSt4-4-23_Papenfuß_Frauen im Top-Management

Beschlussvorschlag

Beschluss des Hauptausschusses vorbehaltlich des Beschlusses der Bürgerschaft gemäß Beschlusspunkt 3:

  1. Die Muster-Geschäftsordnung für Aufsichtsräte städtischer Gesellschaften erhält in Ziffer 4.11 folgende ergänze Fassung (Ergänzung kursiv):

 

4.11 Der Aufsichtsrat kann zur Beratung einzelner Tagesordnungspunkte Sachverständige und Auskunftspersonen hinzuziehen. Bei Personalentscheidungen und Gleichstellungsangelegenheiten soll die Gleichstellungsbeauftragte als Sachverständige gehört werden.

Beschlüsse der Bürgerschaft:

  1. Der Lübecker Public Corporate Governance Kodex (PCGK) wird gemäß Anlage 1 ergänzt.

 

  1. Die „Eckpunkte zur Frauenförderung in den städtischen Gesellschaften“ werden als „Eckpunkte zur Geschlechtergerechtigkeit und Frauenförderung in den städtischen Gesellschaften“ gemäß Anlage 2 neu gefasst.

 

  1. Der Bürgermeister wird beauftragt, die Anwendung der Eckpunkte in den städtischen Gesellschaften zu veranlassen.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Verfahren

 

Bereiche/Projektgruppen

Ergebnis

1.300

Keine rechtlichen Bedenken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

x

Nein- Begründung:

Keine Auswirkungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Maßnahme ist:

 

neu

 

x

freiwillig

 

 

vorgeschrieben durch: 

 

 

 

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

Ja (Anlage 1)

 

x

Nein

 

Auswirkung auf den Klimaschutz:

x

Nein

 

 

Ja Begründung:

 

 

 

 

 

 

Begründung der Nichtöffentlichkeit

gem. § 35 GO:

 

 

 

 


Begründung

Am 28.06.2001 hat die Bürgerschaft die Eckpunkte zur Frauenförderung in den städtischen Gesellschaften der Hansestadt Lübeck beschlossen.

Hintergrund war ein am 26.11.1998 durch die Bürgerschaft erteilter Auftrag:

Der Bürgermeister wird gebeten, ein Konzept zu erarbeiten, das in Anlehnung an die Eckpunkte der Frauenförderung der Lübecker Theater GmbH Vorschläge zur Frauenförderung in den städtischen Gesellschaften vorsieht.“

Denn die Regelungen des Gleichstellungsgesetzes für den öffentlichen Dienst griffen und greifen bei den städtischen Gesellschaften nicht automatisch, obschon die städtischen Beteiligungsgesellschaften in der Regel nicht nur betriebswirtschaftlichen Zielen verpflichtet waren und sind, sondern auch Stellung nehmen müssen zum Grad der öffentlichen Aufgabenerfüllung. Die als kommunale Aufgabe im § 2 Abs. 3 Gemeindeordnung (GO) verankerte Verpflichtung zur „Verwirklichung des Grundrechts der Gleichberechtigung von Mann und Frau“ wurde von der Bürgerschaft zu Recht als öffentliche Aufgabe verstanden, die gleichermaßen wie andere Aufgaben städtischer Gesellschaften betrieben und fortgeschrieben werden sollten.
Durch Rechtsformwechsel mehrerer Organisationseinheiten der Stadtverwaltung in neue Gesellschaftsformen standen bis dahin gültige Standards zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Frage.
Bei der Überführung des Lübecker Theaters (1997) sowie der Stadtwerke (2000) in Gesellschaften mit beschränkter Haftung hatte die Bürgerschaft durch entsprechende Beschlüsse deutlich gemacht, dass der kommunale Gleichstellungsauftrag nicht nur in der Stadtverwaltung und den Eigenbetrieben, sondern auch in den neu gegründeten Gesellschaften gelten soll.
Als konsequente Weiterführung dieses Ansatzes war Zielsetzung, generell für die bereits bestehenden städtischen Gesellschaften entsprechende Standards aufzustellen sowie für künftig zu gründende Gesellschaften.
Die Wahrnehmung der Frauenförderung in analoger Anwendung des Gesetzes zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst und der Eckpunkte zur Frauenförderung in den städtischen Gesellschaften ist inzwischen in allen städtischen Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung und auch in den meisten Minderheitsbeteiligungen der Hansestadt Lübeck im Gesellschaftsvertrag verankert und damit für die Gesellschaftsorgane verbindlich gemacht worden.

Die entsprechende Regelung ist auch Bestandteil des Musterdokuments für Gesellschaftsverträge ist, das gemäß Hauptausschussbeschluss vom 24.01.2023r zukünftige Beteiligungen zugrunde gelegt wird:

Die Gesellschaft nimmt die Frauenförderung in analoger Anwendung des Gesetzes zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst und der Eckpunkte der Hansestadt Lübeck zur Frauenförderung in den städtischen Gesellschaften wahr.“[1]

Mit der Änderung der Gemeindeordnung (GO) durch das Gesetz zur Stärkung der Kommunalwirtschaft wurde 2016 der neue § 1 Abs. 1a GO eingefügt, der die Städte und Gemeinden nochmals konkreter in die Pflicht nimmt, Gleichstellung in ihren Beteiligungsgesellschaften zu befördern:

Gehören einer Gemeinde Anteile an einer Gesellschaft (§ 102), soll sie darauf hinwirken, dass die Gesellschaft Maßnahmen ergreift, die der Verwirklichung des Grundrechtes der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dienen. Die Maßnahmen sollen darauf ausgerichtet sein, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die für beide Geschlechter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, Nachteile zu kompensieren, die vor allem Frauen als Folge der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung erfahren, Entgeltgleichheit zwischen beiden Geschlechtern zu erreichen und eine paritätische Gremienbesetzung zu erzielen; über diese Maßnahmen und deren Wirksamkeit ist der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde alle vier Jahre unter Einbindung der zuständigen Gleichstellungsbeauftragten zu berichten.“[2]

Der erste Bericht[3] wurde im Jahr 2020 vorgelegt, der Folgebericht ist für den Herbst 2024 vorgesehen.
Der erste Bericht 2020 machte aufgrund der gründlichen Analyse deutlich, wo die städtischen Gesellschaften erfolgreich im Sinne des gesetzlichen Auftrages agieren, aber auch, wo noch Handlungsbedarf besteht. Deutlich wurde aber auch, so die Stellungnahme der Gleichstellungsbeauftragten dazu, dass die in den Eckpunkten vorgesehenen Frauenförderpläne (mit Personaldaten und Zielen) bis dato nur bei den Stadtwerken und der LHG vorhanden sind auch lediglich dort gab und gibt es, entsprechend den Eckpunkten, Gleichstellungsbeauftragte.

Die in den Eckpunkten vorgesehenen „Ansprechpartnerinnen für Frauenbelange / Gleichstellungsbeauftragten“r alle städtischen Gesellschaften existieren bis auf die beiden o. g. Gesellschaften bis heute nicht.

Die Effektivität und Sinnhaftigkeit von Gleichstellungsbeauftragten zeigte sich in dem Bericht allerdings insbesondere bei den vielfältigen Gleichstellungsmaßnahmen der Stadtwerke Lübeck.

In ihrer Stellungnahme zum ersten Bericht mahnte die kommunale Gleichstellungsbeauftragte schon 2020 an:

        feste Ansprechparter:innen für das Thema Gleichstellung in jeder städtischen Gesellschaft zu etablieren;

        bei Stellenbesetzungen mit festem Personalgremium auf eine geschlechterquotierte Zusammensetzung des Gremiums zu achten;

        ein regelmäßiges Monitoring und Berichterstattung (mindestens jährlich, ggf. unterjährig für notwendige Gegensteuerung) für alle städtischen Gesellschaften zum Thema Gleichstellung zu etablieren, das auf jeden Fall auch die AT-Beschäftigten einschließt;

        die Geschäftsführungen der Gesellschaften auf konkrete, für ihre Gesellschaft passende, Gleichstellungsziele mittels Zielvereinbarungen zu verpflichten.

Auch auf Bundesebene hat es in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter in Gesellschaften rechtliche Weiterentwicklungen gegeben. Während die im Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionen-Gesetz PoG II) vorgesehene feste Frauenquote für Vorstände nur börsennotierte und gesetzlich paritätisch mitbestimmte Unternehmen trifft und somit auf keine der städtischen Beteiligungen anwendbar ist, gelten die im Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern verankerten Vorschriften über Zielquoten für den Frauenanteil auch für drittelmitbestimmte Gesellschaften und damit für einzelne städtische Beteiligungen.

Bei den Gesellschaften der Hansestadt Lübeck sind die Geschäftsführungen der Muttergesellschaften fast ausschließlich männlich. Geschäftsführerinnen gibt es derzeit bei der Lübecker Musik- und Kongresshallen GmbH und bei der Baltic Rail Gate GmbH.

Die Hansestadt Lübeck und ihre Gesellschaften sollen daher stärker in die Pflicht genommen werden, den gesetzlichen Auftrag[4] im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit und Frauenförderung umzusetzen.

Neben dem Bericht nach § 1 Abs. 1a Gemeindeordnung (GO), der für die städtischen Gesellschaften der Hansestadt Lübeck im Herbst 2024 zum zweiten Mal dem Hauptausschuss vorgelegt werden wird, braucht es nach Einschätzung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten der Hansestadt Lübeck ergänzende Maßnahmen für eine effektivere Umsetzung, die im Folgenden dargestellt werden.

Gleichzeitig bieten die Vorschläge für die kommunalen Lübecker Gesellschaften die Chance

        sich auch mit Blick auf den Fachkräftemangel von der Basis bis zur Führung diverser und damit moderner und attraktiver aufzustellen und

        nicht zuletzt erfolgreicher zu sein. Denn verschiedene Studien belegen, dass in Unternehmen mit einem hohen Anteil an Frauen im Vorstand die Wahrscheinlichkeit steigt, profitabler als der Branchendurchschnitt zu sein.

Beide Aspekte sollten auch für die städtischen Gesellschaften der Hansestadt Lübeck genutzt werden.

Es wird daher vorgeschlagen,

        den Public Corporate Governance Kodex der Hansestadt Lübeck an einigen Stellen zu erweitern bzw. zu verändern sowie die Muster-Geschäftsordnung für Aufsichtsräte städtischer Gesellschaften klarstellend zu ergänzen;

        die Eckpunkte zur Frauenförderung bei den städtischen Gesellschaften, die im Juni 2001 von der Lübecker Bürgerschaft beschlossen wurde, nach mehr als 20 Jahren zu aktualisieren und fortzuschreiben.

Inhalte der Ergänzung des PCGK sind:

        Das Nachhaltigkeitsziel Gleichstellung wird in die Präambel aufgenommen. Ergänzend zu den konkreten Festsetzungen des Kodexes wird an dieser Stelle auch an andere Stakeholder:innen appelliert, sich ebenfalls gleichstellungsfördernd zu verhalten.

        Angelehnt an die gesetzliche Regelung, die nur für der Mitbestimmung unterliegende Gesellschaften gilt, wird für alle dem PCGK unterliegenden Gesellschaften aufgenommen, dass Zielgrößen für den Frauenanteil bei Leitungspositionen formuliert werden.

        Weiterhin wird eine geschlechterparitätische Besetzung von Personalauswahlgremien aufgenommen.

        Die Aufnahme von Gleichstellungzielen in die Zielvereinbarung für die Geschäftsführung wird angeregt.

Der Vorschlag orientiert sich dabei an Empfehlungen, die Herr Prof. Ulf Papenfuß (Zeppelin-Universität Friedrichshafen) in einer Veranstaltung auf Einladung der Gleichstellungsbeauftragten der Hansestadt Lübeck, der Lübecker Hafen-Gesellschaft und der Stadtwerke Lübeck am 03.04.2023 formuliert hat (s. Anlage 4).

In der Systematik des Kodexes sind Empfehlungen gekennzeichnet durch die Verwendung des Wortes „soll“ von besonderer Bedeutung: Wird ihnen nicht entsprochen, ist dies verpflichtend in der jährlichen PCGK-Entsprechenserklärung anzugeben und zu begründen. Die Entsprechenserklärung ist Bestandteil des jährlichen PCGK-Berichts und wird damit öffentlich gemacht.

Die Anpassung der Eckpunkte zur Frauenförderung (Geschlechtergerechtigkeit) beinhalten neben redaktionellen Inhalten noch

        die Aufnahme des im Jahr 2016 in der Gemeindeordnung ergänzten § 1 Abs. 1a (s. o.) sowie

        Neuregelungen zur Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten; insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen der mehr als 20 Jahre bestehenden Eckpunkte und der oben erwähnten bisher nur begrenzten Umsetzung; in der beigefügten Synopse werden die Neuerungen begründet.

Ziffer IV.5 der Eckpunkte sieht bereits vor, dass der Aufsichtsrat die Gleichstellungsbeauftragte als Sachverständige anhören kann. Die Muster-Geschäftsordnungr Aufsichtsräte städtischer Gesellschaften wird an geeigneter Stelle klarstellend ergänzt, indem die Gleichstellungsbeauftragte explizit erwähnt wird. (Bisher ist nur allgemein von Sachverständigen die Rede.) Dieser Beschlusspunkt fällt gemäß PCGK in die Zuständigkeit des Hauptausschusses.

Anlagen:

  1. Ergänzung des PCGK
  2. Neufassung der Eckpunkte
  3. Synopse Eckpunkte alt/neu
  4. Frauen ins Top-Management öffentlicher Unternehmen: Modernes Talentmanagement und gleichberechtigte Teilhabe“ (Folien von Herrn Dr. Ulf Papenfuß, Zeppelin-Universität Friedrichshafen, für die Veranstaltung der Gleichstellungsbeauftragten im Haus der Stadtwerke Lübeck am 04.04.2023)

 


 


[1] § 19 Gesellschaftsvertrag (Muster), abrufbar auf www.luebeck.de/beteiligungen .

[2] § 1 Abs. 1a Gemeindeordnung (GO).

[4] Landesverfassung SH:
Artikel 9 Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern Die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der anderen Träger der öffentlichen Verwaltung. Insbesondere ist darauf hinzuwirken, dass Frauen und Männer in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluss- und Beratungsorganen zu gleichen Anteilen vertreten sind. [Hervorhebung von Elke Sasse]

 


Anlagen


 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Anlage 1 PCGK (42 KB)    
Anlage 2 2 öffentlich Anlage 2 Eckpunkte (82 KB)    
Anlage 3 3 öffentlich Anlage 3 Synopse Eckpunkte (487 KB)    
Anlage 4 4 öffentlich Anlage 4 VSt4-4-23_Papenfuß_Frauen im Top-Management (1899 KB)