Vorlage - VO/2024/13174  

Betreff: Vorprojekt zur Ablösung der MACH-Software: Vorbereitung der Beschaffung einer Softwarelösung wegen Kündigung der aktuellen Finanzsoftware durch die MACH AG zum Jahresende 2026
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Bürgermeister Jan Lindenau
Federführend:1.103 - Digitalisierung, Organisation und Strategie Bearbeiter/-in: Schroeder, Regina
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Hauptausschuss zur Vorberatung
28.05.2024 
15. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Entscheidung
30.05.2024 
8. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck in der Wahlperiode 2023 - 2028 unverändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

  1. Es wird ein ergebnisoffenes Vorprojekt zur Machbarkeit, Marktanalyse und Vorbereitung der Beschaffung einer neuen Softwarelösung für die zu ersetzende MACH-Software unter Federführung des Bereichs (Digitalisierung, Organisation und Strategie (DOS) (1.103) mit Begleitung durch ein externes Beratungsunternehmen durchgeführt.
  2. Der Bürgermeister wird beauftragt, der Bürgerschaft im 4. Quartal 2024 zu den Ergebnissen des Vorprojektes zu berichten. Für die Haushaltsaufstellung 2025 ist vorab ein erster Zwischenbericht zur Haushaltsberatung vorzustellen, da die Beschaffung einer neuen Softwarelösung zwingend noch in 2025 erfolgen muss und hierfür Ressourcen bereit zu stellen sind. Die Verwendung steht unter dem Vorbehalt einer Beschlussfassung nach Abschluss des Vorprojektes.
  3. Basierend auf den Erfahrungen der MACH-Einführung werden für die Vergabe, Einführung und Implementierung der neuen Softwarelösung zusätzliche personelle Ressourcen erforderlich sein. Um dem großen Handlungs- und Zeitdruck gerecht werden zu können, wird die entsprechende Stellenbesetzung für mindestens 7 zusätzliche Stellen im Bereich Digitalisierung, Organisation und Strategie (DOS) und 4 Stellen im Bereich Informationstechnik (IT) erforderlich sein. Die Stellen sind haushaltsmäßig zu ordnen. Für weitere Personalbedarfe in den Bereichen werden zweckgebunden für dieses Projekt im Stellenpool zusätzlich 6 Planstellen geordnet.
  4. Zur Unterbringung der personellen Ressourcen insbesondere zur Aufgabenbündelung sind zusätzliche Arbeitsplätze bzw. Büroflächen bereitzustellen, ggf. auch anzumieten.

 

 

 

 

 

 


Verfahren

 

Bereiche/Projektgruppen

Ergebnis

1.101 Bürgermeisterkanzlei

Zustimmung

1.102 Zentrale Verwaltungsdienste, Statistik und Wahlen

Zustimmung

1.105 Informationstechnik

Zustimmung

1.110 Personal

Zustimmung

1.140 Rechnungsprüfungsamt

Zur Kenntnis genommen

1.201 Haushalt und Steuerung

Zustimmung

1.210 Buchhaltung und Finanzen

Zustimmung

1.300 Recht

Keine rechtlichen Bedenken

5.651 Gebäudemanagement

Zustimmung

 

 

 

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

x

Nein- Begründung:

Die Belange von Kindern und Jugendliche sind von der Vorlage nicht betroffen.

 

 

 

 

 

 

 

Die Maßnahme ist:

 

neu

 

 

freiwillig

 

x

vorgeschrieben durch: 

 

 

§ 33 Abs. 7 GemHVO und  § 36 Abs. 2 Ziffer 4 GemHVO

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

x

Ja (Anlage 1)

 

 

Nein

 

Auswirkung auf den Klimaschutz:

 

Nein

 

x

Ja Begründung:

 

 

Mit dem Projekt wird die papierarme Bearbeitung in der Verwaltung erhalten und kann auf weitere Verwaltungsprozesse ausgedehnt werden. Damit werden entsprechend erheblich Ressourcen eingespart. Ohne die Softwarelösung müssten alle relevanten aktuell bereits digital umgesetzten Prozesse in Papierform abgewickelt werden mit entsprechendem hohen Ressourcenverbrauch.

 

 

 

Begründung der Nichtöffentlichkeit

gem. § 35 GO:

 

 

 

 


Begründung

 

 

 

 

 

1.   Ausgangssituation und dringender Handlungsbedarf

 

Aktuell wird in der Hansestadt Lübeck (HL) eine zentrale Finanzsoftware mit ca. 1.000 Be-nutzer:innen eingesetzt. Über diese Software erfolgt die Planung und Bewirtschaftung und Jahresabschluss des gesamten Haushalts der Kernverwaltung nebst Zahlungsverkehr mit ca. 2,8 Mio. Buchungsvorgängen pro Jahr in rd. 21.000 Konten und ist an weitere Softwarelösungen angebunden, z.B. an die Vollstreckungssoftware AVVISO. Zusätzlich wird die Software als Fachverfahren für die Veranlagung der Real- und der kommunalen Aufwands- und Verbrauchssteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer, Hundesteuer, etc.) sowie der Straßenreinigungsgebühr eingesetzt. Hierüber werden jährlich 110.000 Veranlagungsobjekte abgewickelt. Der Anbieter MACH AG hat den Vertrag mit der Hansestadt Lübeck aus unternehmensstrategischen Gründen nunmehr einseitig zum Ablauf des Jahres 2026 gekündigt. Der Servicevertrag endet somit zum 31.12.2026. Dieser Vorgang macht eine umgehende Ablösung der MACH-Software zwingend notwendig.

 

a.    Konsequenzen der Kündigung der MACH AG

 

Der Servicevertrag ist zwingend für den Betrieb der Finanzsoftware MACH in der Verwaltung der Hansestadt Lübeck erforderlich. Da die MACH im kommunalen Umfeld eher eine Spezialsoftware denn eine Standardsoftware ist, können und dürfen die Serviceleistungen nur von der MACH AG und nicht von anderen Dienstleistern bezogen werden. Dadurch entsteht ein erheblicher Handlungsdruck für die Verwaltung der Hansestadt Lübeck, denn es droht ein Stau der Auszahlung von kommunalen Leistungen wie z.B. Wohngeld und damit entstehen direkte Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger, aber auch auf Unternehmen, die Zahlungsverkehre mit der Hansestadt Lübeck abwickeln. Sollte es nicht möglich sein, rechtzeitig eine alternative Lösung einzuführen könnte es bedeuten, dass interne und externe Zahlungsverkehre mit ca. 2,8 Mio. Buchungsvorgängen pro Jahr künftig manuell abgewickelt werden müssten. Dies kann von den Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung so nicht geleistet werden. Um diese kritischen Leistungen überhaupt weiter abwickeln zu können, müssten die entsprechenden personellen Ressourcen massiv aus anderen Bereichen umgesteuert werden. Dies hat auch direkten Einfluss auf die Bearbeitungsdauer von anderen Verwaltungsleistungen (z.B. Zahlung von Sozialleistungen oder Baugenehmigungen und Gehaltszahlungen).

Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus dem Ende der Vertragslaufzeit (31.12.2026): Wenn diese Frist bestehen bleibt, sollte bereits der Haushalt 2026 mit einem alternativen System geplant, bewirtschaftet und abgeschlossen werden, da anderenfalls erheblicher Zusatzaufwand für die Datenmigration mit entsprechendem Risiko entsteht. Deshalb verhandelt die Verwaltung zurzeit mit der MACH AG über eine befristete Verlängerungs- und Übergangsoption, um eine angemessene Zeit für die Auswahl von alternativen Lösungen und dessen Einführung zu erreichen. Voraussichtlich wird es aber allenfalls zu einer kurzzeitigen Verlängerung nur für wenige Softwaremodule kommen, da in dem Kündigungsschreiben der MACH AG das Datum 31.12.2026 konkret genannt wurde.

Mit dieser unerwarteten Kündigung der Finanzsoftwarelösung würde ohne rechtzeitige Alternative jedoch nicht nur die Haushaltsplanung 2026 gefährdet. Mit ihr direkt oder indirekt verbunden sind zahlreiche weitere Prozesse der Kernverwaltung z.B. diverse Forderungs-, Zahlungs-, Buchungs- und Haushaltsplanungsvorgänge. Sie ist quasi ein Dreh- und Angelpunkt für viele angeschlossene Prozesse der Kernverwaltung. Wird hier eine neue Lösung implementiert, hat dies unmittelbare Auswirkungen auf andere Bereiche der zentralen Steuerung und mittelbar auf alle Bereiche der Kernverwaltung. Die Anforderungen an eine neue Lösung müssen daher auch unter Einbeziehung weiterer Bereiche definiert werden. Neue wie bereits bestehende Fachsoftware muss mit der alternativen Lösung kompatibel sein bzw. entsprechende Schnittstellen bieten, um aufwändige Datenübermittlungsprozesse und Medienbrüche zu vermeiden.

Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, die mögliche Beschaffung einer ganzheitlichen Steuerungssoftware (im Sinne eines sog. ERP, Enterprise Ressource Planning) als Alternative zur MACH-Software zu prüfen. In einer solchen Lösung können neben der Haushalts- und Buchhaltungsfunktionen auch weitere Funktionalitäten wie z.B. Personalmanagement, Liegenschaftsverwaltung, Beschaffung und Logistik auf einer gemeinsamen Softwaregrundlage implementiert werden. Vorteil einer ganzheitlichen ERP-Lösung wäre u.a. die herstellerseitige Kompatibilität der Module untereinander. Im Gegensatz dazu sind andere Lösungen immer auf komplexere Schnittstellenlösungen zwischen unterschiedlichen Herstellern angewiesen was i.d.R. häufiger zu Problemen führt und erheblich wartungs- und koordinierungsintensiver ist. Zusätzlich ist mit einem ganzheitlichen ERP-System die langfristige Konsolidierung und Ablösung von älteren Fachverfahren innerhalb der HL möglich und ersetzt ggf. notwendige Neubeschaffungen. Damit einher ginge direkt die Reduzierung von Pflege- und Wartungsaufwand. Die Reduzierung notwendiger Schnittstellen entlastet die dezentralen Bereiche wie auch den Bereich Informationstechnik. Ein gemeinsames System bringt zudem erhebliche Verbesserungen in Bezug auf Zugriffsrechte und erhöht somit die Datensicherheit. Es können anwenderbedingte Fehlerquellen durch Automatisierung von Prozessen eliminiert und dem Fachkräftemangel begegnet werden. Von einer gemeinsamen Datenbasis profitieren auch das Controlling wie auch das Berichtswesen, da im System einheitliche Datenquellen zur Verfügung gestellt werden. Dieses kann perspektivisch auch für konzernweite Produkte wie den Kommunalen Gesamtabschluss oder die Quartalsberichterstattungen der städtischen Gesellschaften und Betriebe von Vorteil sein. Zahlreiche vergleichbare Kommunen, wie z.B. Wuppertal, Münster, Bonn, Wiesbaden, Bochum, Aachen, Karlsruhe und Hagen setzen aktuell bereits ein ERP-System ein.

 

Das Steuerveranlagungsmodul der MACH-Software ermöglicht das automatisierte Erheben von Steuern und Gebühren, die an die Hansestadt Lübeck abgeführt werden müssen. Bedauerlicherweise wurde dieses Steuerveranlagungsmodul ebenfalls gekündigt, ohne die Option einer Verlängerung über 2026 hinaus. Analog zum Finanzmodul kann ein Weiterbetrieb und die notwendige Anpassung an steuerliche Veränderungen ausschließlich von Entwicklern der MACH AG durchgeführt werden. Auch hierfür ist daher im Weiteren zu prüfen, wie diese Funktionalität zukünftig abgebildet werden kann.

 

Durch die Abkündigung der Finanzsoftware der MACH AG steht der Hansestadt Lübeck nun ein komplexer Planungs-, Beschaffungs- Einführungs- und Implementierungsprozess bevor, der nur bei Bereitstellung der entsprechenden Ressourcen und mit der entsprechenden vollen Unterstützung der politischen Entscheider:innen, der Verwaltungsspitze, und aller betroffenen Bereiche gelingen kann. Die nicht planbare anbieterseitige Kündigung macht eine schnelle Entscheidungsfindung dazu leider unumgänglich. Das Projekt bedeutet in jedem Fall einen immensen Veränderungsprozess für die Mitarbeiter:innen der Kernverwaltung, insbesondere für die rund 1.000 Kolleginnen und Kollegen, die aktuell mit der MACH-Software arbeiten. Diese müssen intensiv geschult und befähigt werden mit der neuen Software und den damit verbundenen neuen standardisierten Prozessen umzugehen.

Die bedeutendste Softwarebeschaffung der nächsten Jahre in der Hansestadt Lübeck muss nun unter großem Zeitdruck umgesetzt werden. Um die Handlungs- und Zahlungsfähigkeit der Hansestadt Lübeck nach Ablauf der Kündigungsfrist zu erhalten, erfordert die Umsetzung dieses Projektes daher die allerhöchste Priorisierung. Zudem ist es von enormer Bedeutung, dass eine Alternative gefunden wird, bei der sich die Hansestadt Lübeck nicht von dem Hersteller von einem Nischenprodukt abhängig macht, sondern auf einen etablierten Standardsoftwarehersteller vertraut, der über große Community von Entwicklern und Beratern verfügt und Erfahrung im kommunalen Umfeld besitzt. Damit wäre die Verwaltung der Hansestadt Lübeck für die nächsten Jahrzehnte zukunftssicher, modern aufgestellt und könnte den künftigen Herausforderungen begegnen.

 

b.    Erfahrungen aus der MACH Einführung 2006 – 2009

 

Die MACH-Software wurde implementiert im Zuge der Umstellung des Lübecker Rechnungswesens von der Kameralistik auf die Doppik. Dieser Prozess begann Mitte des Jahres 2005 und die Einführung einer Finanzsoftware war hierbei ein Teilprojekt von insgesamt 6 Teilprojekten. Die Umsetzung der verschiedenen Teilprojekte erfolgte im Zeitraum von 2006 bis 2013 parallel, so dass Ergebnisse aus anderen Teilprojekten (z.B. Prozess- und Organisationsanalysen) direkt ins Teilprojekt 2 (Finanzsoftware) einfließen konnten.  

Abbildung 1 Projektstruktur Projekt NFK/Doppik, Quelle: Abschlussbericht Mai 2013 (Nr. VO/2013/00695)

Betrachtet man mit Blick auf die jetzt anstehenden Herausforderungen allein das Teilprojekt „Finanzsoftware/Veranlagung“, so wird der akute Zeit- und Handlungsdruck deutlich: Die Erarbeitung eines Pflichtenheftes mit den entsprechenden Anforderungen an die Softwarelösung nahm damals mehr als 1 Jahr (06/2006 bis 07/2007) in Anspruch. Die anschließende Ausschreibung und Vergabe bis hin zum Vertragsabschluss war nach weiteren 7 Monaten im Januar 2008 abgeschlossen, so dass etwa 1,5 Jahre nach dem Projektstart die Einführung und technische Umsetzung beginnen konnte. Diese erfolgte in einem Zeitraum von 2 Jahren und umfasste einerseits die technische Realisierung und die Einrichtung von Schnittstellen sowie die Datenmigration. Die zusätzliche Entwicklung der Veranlagungssoftware war zum Zeitpunkt des Projektabschlussberichtes Ende 2013 noch nicht abgeschlossen und für 2014 anvisiert. Tatsächlich wurde die Umsetzung innerhalb dieses Zeitraums nur möglich, weil Ergebnisse der anderen Teilprojekte direkt mit einfließen konnten. Im damaligen TP 1 (Organisation des Rechnungswesens) wurden zum Beispiel die Prozesse des Rechnungswesens beschrieben. Das damalige Teilprojekt 6 beschäftigte sich mit der Qualifizierung und dem Change-Management.

 

 

Abbildung 2 Projektstrukturplan, Quelle: Abschlussbericht Projekt NFK/Doppik 2013 (Nr. VO/2013/00695)

Auch personell ist ein solcher Prozess als Mammutaufgabe zu sehen, der keinesfalls mit bestehenden personellen Ressourcen zu bewältigen ist: Allein im Teilprojekt 2 zur Einführung einer Finanzsoftware waren 10 Mitarbeitende mit der Projektumsetzung in der Kernverwaltung befasst, zzgl. der Projektleitung sowie der stellv. Projektleitung. Weitere 5 Mitarbeitende in der Verwaltung arbeiteten an der Entwicklung der Veranlagungslösung. Im Zuge der Verstetigung kamen weitere Stellen für die Fachadministration der Softwarelösung innerhalb der Verwaltung hinzu. Der Prozess wurde zudem extern begleitet, wobei die externe Beratung allein den Vergabeprozess für die Software (TP 2) sowie die Prozessanalysen und Organisationsplanung (TP 1) mit 7 Beschäftigten begleitete. Auf Seiten des Softwareunternehmens MACH waren 10 Beschäftigte mit der Einführung der Software in der HL betraut.

 

Nicht nur der zeitliche und personelle Aufwand machte die MACH-Einführung zu einem Mammutprojekt, auch die Kosten für eine solche Prozess- und Softwareeinführung sind hoch. Insgesamt entstanden im Projektzeitraum 2005 bis 2013 Kosten in Höhe von 12,26 Mio. Euro. Davon entfielen ca. 2,23 Mio. € auf die Finanzsoftware, sowie 3,66 Mio. Euro auf Personalkosten und weitere 3,70 Mio. € auf andere interne Bereiche, wie das Fortbildungszentrum und die IT.

 

Abbildung 3 Kostenüberblick, Quelle: Abschlussbericht NFK/Doppik (Nr. VO/2013/00695)

2.   Schlussfolgerungen für die Planung des Vorprojektes

 

Auch wenn das Gesamtprojekt NKF/Doppik nicht nur die Softwareeinführung im Fokus hatte, wird die nun kurzfristig notwendig gewordene Software-Beschaffung nur mit vergleichbarem Aufwand zu leisten sein. Mit der Einführung einer neuen Software muss auch dieses Mal für die bisherigen Prozesse ein neuer Standard übernommen werden. Die vorhandenen Prozesse müssen entsprechend angepasst oder neu erarbeitet werden. Dies ist nicht zu unterschätzen, da die Prozesse im Finanzbereich fixiert sein müssen. Diese Tätigkeiten werden zudem nachwirken, da nicht zum Umstellungszeitpunkt alle Prozesse beschrieben sein werden und in den ersten Betriebsmonaten weitere Anpassungen notwendig werden.

Zudem erstreckte sich die MACH-Einführung damals von der Ausschreibung bis zum Abschluss über einen Zeitraum von gut 3,5 Jahren. Für die nun erforderliche Neubeschaffung stehen aufgrund der gesetzten Kündigungsfrist der Mach AG nur 2 Jahre zur Verfügung. Es muss also mehr in kürzerer Zeit geleistet werden. Selbst unter Berücksichtigung der heute bestehenden Grundlagen, auf denen sicherlich aufgebaut werden kann, ist für die Beschaffung und Einführung der neuen Softwarelösung von einem entsprechend hohen zusätzlichen Personalbedarf auszugehen. Auch Schulungen der neuen Software und ein umfassendes Change-Management der neuen Prozesse werden erhebliche zusätzliche Ressourcen erfordern. Während damals einige Aufgaben noch in den bestehenden Strukturen mit übernommen werden konnten, ist die Aus- und Belastung der Kolleginnen und Kollegen in den Bereichen bereits heute als sehr hoch zu bewerten. In der Linienorganisation wird dieses Projekt in dem kurzen Zeitraum nicht zu stemmen sein.

Auch durch eine Umpriorisierung von Aufgaben innerhalb der betroffenen Bereiche können für ein solches Mammutprojekt nicht genügend Ressourcen freigesetzt werden. Aus diesem Grund wird die kurzfristige Einrichtung einer Basis-Projektstruktur durch Schaffung neuer Planstellen im Bereich 1.103 und 1.105 vorgeschlagen. Diese nachfolgend dargestellte Struktur ist quasi als „Starter-Team“ zu sehen und beschreibt die personellen Ressourcen, die es kurzfristig mindestens braucht, um das Projekt überhaupt beginnen zu können.

 

Abbildung 4: Projektstruktur für das Vorprojekt und die Startphase des Hauptprojektes, Stand Mai 2024

In der Projektumsetzung bedarf es einer laufenden engen Abstimmung und eines regelmäßigen direkten Austausches der neu einzurichtenden Projektstellen mit der Verwaltungsspitze und den Bereichsleitern der federführenden Bereiche, dem CDO, mit den Kolleginnen und Kollegen der Abteilungen Prozesse und Organisation (1.103.1), E-Government (1.103.2), Prozesse und Projektmanagement und mit der IT (1.105) der Hansestadt Lübeck. Wesentlich für den Erfolg des Projektes ist, dass neue und bestehende Arbeitsplätze im Bereich 1.103 an einem Standort gebündelt werden, da die Aufgaben der Abteilungen unmittelbar mit dem Projekt zur Ablösung der MACH-Software verzahnt sind. In der aktuellen Bürosituation stehen nicht genug Arbeitsplätze für die 11 neu zu schaffenden Projektstellen zur Verfügung und auch die Möglichkeiten des DeskSharing werden aktuell bereits ausgeschöpft.

Da in der Hansestadt Lübeck Externe den gleichen Anspruch auf einen Arbeitsplatz haben wie Kolleginnen und Kollegen der Hansestadtbeck, summiert sich die Anzahl der Arbeitsplätze auf etwa  20. Voraussichtlich bedarf es daher der Anmietung von zusätzlichen Flächen, wobei die Anmietung als letztes Mittel geplant wird, sollte stadtintern keine sung gefunden werden können.

 

Die weiteren zu beteiligenden Bereiche wirken einerseits steuernd und beratend im Lenkungsausschuss mit. Der Lenkungsausschuss steuert das Projekt mit und erarbeitet Empfehlungen für den Bürgermeister. Das Rechnungsprüfungsamt hat im Lenkungsausschuss ausschließlich eine beratende Funktion, um die erforderliche Neutralität sicherstellen zu können. Die projektrelevanten Bereiche werden zudem anlassbezogen im Rahmen der Projektumsetzung als erweitertes Projektteam eingebunden. Die dafür freizustellenden Personalressourcen werden einvernehmlich innerhalb des Lenkungsausschusses beschlossen und im Projektauftrag für das Hauptprojekt benannt. Zusätzlich zum eigentlichen Projektteam wird Zuarbeit von Fachexpert:innen aus der Linie erforderlich sein, womit eine weitere Belastung der betroffenen Bereiche eintritt. Die entsprechend notwendigen weitergehenden organisatorischen Veränderungen in den Bereichen, über diese Basis-Projektstruktur hinausgehend, werden im Rahmen des Vorprojektes ermittelt. Sofern dies mit Personalmehrbedarf verbunden ist, wird dieses im Haushalt 2025 durch die zweckgebundenen Poolstellen abgedeckt und in der Haushaltsplanung 2026 angemeldet.

Neben der internen Projektstruktur wird es eine parallele Struktur von erfahrenen Fachleuten eines externen Beratungsunternehmens geben müssen, die mit den gängigen Marktstandards und den Besonderheiten im öffentlichen Sektor vertraut sind und die Projektumsetzung fachlich und methodisch leiten und begleiten.

 

3.   Vorschlag zum Vorgehen

Aus diesen Vorbetrachtungen wurde in einem Abstimmungsprozess mit den Bereichen DOS (1.103), IT (1.105), Haushalt und Steuerung (1.201), Buchhaltung und Finanzen (1.210), Personal (1.110), sowie mit dem Gebäudemanagement (GMHL, 5.651) unter Einbeziehung der Bürgermeisterkanzlei (1.101) und des Rechnungsprüfungsamtes (1.140) sowie des Bereichs Recht (1.300) ein mögliches Vorgehen entwickelt, um die beschriebenen Herausforderungen zu bewältigen. Die zeitliche Planung ist dabei stark abhängig von der sofortigen Bereitstellung der benötigten Personalressourcen. Die nachfolgende Abbildung zeigt den Projektzeitplan im Überblick:

 

Abbildung 5 Roadmap des Vor-und Hauptprojektes zur MACH-Ablöse, Stand Mai 2024

a.    Vorprojekt: Strategiephase bis 10/2024

Die Strategiephase ist als Vorprojekt zu sehen, das die Weichen stellen wird für das eigentliche Hauptprojekt zur Beschaffung und Einführung der neuen Softwarelösung. Im Vorprojekt sollen die grundlegenden Anforderungen an die neue Softwarelösung in einem moderierten Beteiligungsprozess mit den betroffenen Bereichen der Kernverwaltung erarbeitet werden. Zudem erfolgt eine umfassende Marktanalyse der möglichen Softwarelösungen, von der reinen Finanzsoftware bis hin zum ERP. Auch die Frage nach der möglichen Integration einer Veranlagungssoftware ist in dieser Phase zu klären, da diese ansonsten zusätzlich beschafft werden müsste. Zudem ist ein Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen in dieser Phase vorgesehen. Letztlich soll eine klare Handlungsempfehlung abgeleitet werden auf der Grundlage einer Gegenüberstellung der Handlungsoptionen. Im Ergebnis soll ein Fahrplan für das weitere Vorgehen vorliegen und die Voraussetzungen zur Bildung der Projektstruktur mit neuen Planstellen geschaffen werden, um die nächsten Schritte im straffen Zeitplan umsetzen zu können. Das Vorprojekt soll unter der Federführung des Bereichs DOS (1.103) mit Begleitung durch eine externe Beratungsfirma durchgeführt werden. Die Finanzierung der externen Begleitung des Vorprojektes erfolgt im Rahmen der Haushaltsbewirtschaftung aus dem Produktsachkonto 111032.000.5431008, die Mittel stehen dort zur Verfügung. Die notwendigen Schritte zur Vergabe des Beratungsauftrags wurden aufgrund des Zeitdrucks bereits eingeleitet. Bei positiver Entscheidung der Bürgerschaft über diese Beschlussvorlage wird eine Entscheidung des Hauptausschusses über die Vergabe zeitnah angestrebt.

b.    Ausblick: Hauptprojekt zur Beschaffung und Einführung der neuen Softwarelösung

Für die im Vorprojekt ermittelte Lösung wird in der anschließenden Vergabe-Phase (bis ca. 06/2025) die konkrete Ausschreibung der Softwarelösung vorbereitet. Das detaillierte Lastenheft wird auf der Grundlage einer umfassenden Prozessaufnahme in den betroffenen Bereichen entwickelt. Der Projektauftrag für die Einführung der neuen Softwarelösung wird erarbeitet sowie entsprechende Vorlagen für die Gremien vorbereitet. Nach erfolgreicher Ausschreibung schließt diese Phase mit dem Vertragsabschluss des neuen Softwareanbietenden ab, inklusive der Ausgestaltung eines entsprechenden Pflichtenheftes. Auch der Vergabe- und Implementierungsprozess bedarf einer externen Begleitung durch ein fachkompetentes Beratungsunternehmen mit entsprechender Marktkenntnis und Projekterfahrung. Auch diese Leistung muss ausgeschrieben werden.

Der Einführungs- und Implementierungsprozess der neuen Softwarelösung muss dann nach aktuellem Stand spätestens bis Ende 2026 abgeschlossen sein. In dieser Zeit gilt es, die verschiedenen Leistungsmodule der neuen Lösung zu implementieren und Schnittstellen mindestens zu den aktuell angebundenen Fachverfahren zu entwickeln, sowie die neue Software einschl. Schnittstellen zu testen und für den Produktionsstart fertig eingerichtet zu haben. Die anschließende Datenmigration der Finanzsoftware und die Schulung der Kolleg:innen und Kollegen ist Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der neuen Softwarelösung.

 

4.   Risiken

Grundsätzlich besteht das Risiko des Scheiterns des Projektes aufgrund des sehr engen zeitlichen Rahmens, einer aufgrund Zeitmangels nicht genügend strukturierten Projektarbeit, oder aufgrund Personalmangels. Neues Personal für das Projekt muss gefunden, rekrutiert und ggf. eingearbeitet werden. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, kann es in der Endphase des Projektes zu einer Überlastung einzelner Organisationseinheiten kommen, indem zusätzliche Personalressourcen in das Projekt entsandt werden und damit in der Linie fehlen würden.

Der skizzierte Prozess ist im vorgegebenen Zeitrahmen nur zu leisten, wenn keine gravierenden zeitlichen Verzögerungen eintreten. Ein hohes Risiko bergen daher die notwendigen Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse. Durch die unverzügliche Bildung eines gemeinsamen Lenkungsausschusses aller beteiligten Bereiche soll diesem Risiko entgegengewirkt werden, indem eine breit abgestimmte Entscheidungsgrundlage für die politischen Entscheider:innen und die Verwaltungsspitze geschaffen wird.

Ein weiteres Risiko stellen die anstehenden Vergabeprozesse dar. Ohne die Begleitung eines erfahrenen Expertenteams für kommunale Softwarelösungen ist eine derart komplexe Softwarebeschaffung nicht leistbar. Um die Rechtssicherheit und die verzögerungsfreie Vergabe zu gewährleisten, erfolgt in der Vorbereitung der Vergabe eine enge Abstimmung mit dem Bereich Zentrale Verwaltungsdienste, Statistik und Wahlen, sowie mit dem Bereich Recht, dem Bereich Informationstechnik und mit Konsultation weiterer Expert:innen.

Entscheidend für die erfolgreiche Projektumsetzung wird die Bereitstellung ausreichender Personalressourcen sein, um die Vielzahl an Projektaufgaben parallel im zeitlich stark begrenzten Rahmen leisten zu können. Neben der Entscheidung zur Schaffung neuer Stellen wird auch die Stellenbesetzung angesichts des derzeit akuten Fachkräftemangels eine Herausforderung darstellen. Zudem werden die aktuellen Räumlichkeiten für die zusätzlich notwendigen Arbeitsplätze selbst unter Ausschöpfung von Telearbeit und Desksharing nicht mehr ausreichen. Die Suche nach neuen Räumen unter entsprechendem Zeitdruck bei wenigen geeigneten Flächen am Markt stellt einen weiteren Risikofaktor dar. Deshalb soll mit der Personal- und Raumsuche schnellstmöglich begonnen werden.

Angesichts der hohen zu erwartenden Kosten für die neue Softwarelösung dient das Vorprojekt selbst dazu, das erhebliche Kostenrisiko des nun notwendig gewordenen Beschaffungsprojektes zu senken, indem alle Lösungsalternativen sorgfältig geprüft und einer Aufwand-Nutzen-Abwägung unterzogen werden..


Anlagen