Vorlage - VO/2024/13136  

Betreff: Antwort auf mündl. Anfrage des AM Alt: " Schulterschluss für die Innenstadt" im Wirtschaftsausschuss und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde" am 12.02.2024
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Pia Steinrücke
Federführend:2.020 - Fachbereichs-Controlling Bearbeiter/-in: Kuschmierz, Ralf
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Wirtschaftsausschuss und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde (KBT)" zur Kenntnisnahme
13.05.2024 
6. Sitzung des Wirtschaftsausschusses und Ausschuss für den "Kurbetrieb Travemünde (KBT)" zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Beschlussvorschlag

ndliche Anfrage des AM Alt: „Schulterschluss für die Innenstadt“ im Wirtschaftsausschuss und Ausschuss für den „Kurbetrieb Travemünde“ am 12.02.2024.

 

 


Herr Alt formuliert folgende Anfrage an den Bürgermeister zu Protokoll:

 

Folgt Lübeck dem vom Handelsverbands-Präsidenten unlängst an alle Städte gerichteten Appell, wonach im Hinblick auf das um sich greifende Ladensterben es jetzt dringend zu einem „Schulterschluss von kommunaler Politik, Handwerk, Kultur und Gastronomie für jede einzelne Innenstadt“ kommen muss? Und wenn nein, warum nicht?

 

 

Begründung:

 

Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Thema in Lübeck bereits mit hohem Nachdruck

systematisch und wie gefordert umfassend bearbeitet wird; daher meine Anfrage.

 

Gem. einer unlängst veröffentlichten Prognose des Handelsverbands werden in 2024 in

Deutschland 9.000 Geschäfte aufgeben.

 

Die Gründe hierfür sind häufig sinkende Kaufkraft der Menschen sowie steigende Kosten.

 

In dem Zeitraum 2015 bis 2024 ist deutschlandweit die Zahl der Geschäfte um 62.000

geschrumpft (von 373.000 auf 311.000).

 

 

 

 

 

 

Die USA, die bekanntlich in vielen Bereichen in ihrer Entwicklung Deutschland voraus sind,

zeigen uns, wozu das führen kann (wie z. B. in San Francisco, Los Angeles, etc. gesehen):

Zuerst stirbt in den Innenstädten der Einzelhandel, dann breiten sich immer mehr

Obdachlose und Drogenabhängige dort aus, was dann auf Grund der steigenden

Kriminalität und Verwahrlosung zu einem schrittweisen Rückzug der noch verbliebenen

Wirtschaft aus den Innenstädten führt.

 

Frau Senatorin sagt eine Weiterleitung der Anfrage innerhalb der Verwaltung zu.

 


 


Begründung

Die Wirtschaftsförderung nimmt in Abstimmung mit der LTM wie folgt zur Anfrage Stellung:

 

Vorbemerkung:

Der „Appell für einen Schulterschluss“ ist für Lübeck insofern irrelevant, als dass ein Schulterschluss in Form enger, vertrauensvoller und effektiver Zusammenarbeit der relevanten Akteur:innen darunter LTM, Wirtschaftsförderung, Verwaltung, Lübeck Management, sowie Wirtschafts- und Kulturschaffenden bereits stattgefunden hat und in konkreten Projekten und Aktivitäten mit Leben gefüllt wird.

 

Auf Basis der zentralen Planwerke Rahmenplan Innenstadt, TEK und Masterplan wird gemeinsam, kreativ und intensiv nach zeitgemäßen und passenden Lösungen für die Zukunft gearbeitet. Diese Zusammenarbeit ist für die Gewinnung von Fördermitteln des Bundes (ZiZ/Übergangsweise) und des Landes (Sofortprogramm Innenstadt) sehr nutzbringend gewesen, da in beiden Fällen die Höchstsummen beantragt und auch bewilligt wurden. Sowohl Stadtverwaltung, als auch die Tochtergesellschaften sind seit Jahren bundesweit vernetzt und bringen ihre jeweiligen Erkenntnisse und Erfahrungen in den gemeinsamen innerstädtischen Arbeitsprozess ein. Der Einzelhandel spielt darin eine wichtige Rolle, andere für die Innenstadt wichtige Branchen und Wirtschaftssektoren samt der relevanten Akteur:innen werden aber im Sinne ganzheitlicher und tragfähiger Lösungen ebenso einbezogen. Eine Reihe von Ergebnissen sind bereits sichtbar wie z.B. Rückgang des Einzelhandels-Leerstands, Aktivierung von Leerstandsflächen, Attraktivierung öffentlicher Räume wie Übergangsgärten Koberg und Schrangen, Neugestaltung Breite Straße Mitte und Beckergrube.

 

 

Zur Anfrage:
Amerikanische Verhältnisse sind auf deutsche Mittel- und Großstädte nicht übertragbar. Die dortigen Zustände, vor allem in Ballungsräumen wie den ostamerikanischen Millionenstädten, sind durch völlig andere gesellschaftliche und politische Strukturen geprägt. Hier dagegen schätzen Reisende aus der ganzen Welt Norddeutschland als Kultur,- Reise- und Erholungsregion. Die Hansestadt Lübeck gehört zu den Top-Destinationen im Deutschlandtourismus, dies zeigen immer wieder Buchungszahlen und empirische Befragungen von Besucher:innen. Dabei wird der Altstadtbummel inklusive „Shopping nach wie vor als eine Hauptmotivation für einen Innenstadt-Besuch angegeben, neben dem Besuch von gastronomischen Einrichtungen und weiteren Erlebnissen (Kultur, Events, Museen usw.). Laut Wirtschaftsfaktor Tourismus - der regelmäßig durch die LTM erhoben wird generiert der Tages- und Übernachtungstourismus fast 900 Millionen Euro Umsatz jährlich (dwif 2022). Die vom Tourismus am stärksten profitierende Branche ist neben dem Gastgewerbe der Einzelhandel. Die Tourismuszahlen bewegen sich insgesamt auf akzeptablen Niveau, lassen aber noch gezielte Steigerungen zu (s. hier auch das Touristische Entwicklungskonzepte 2030) bisher konnten im Stadtgebiet die Werte vor Corona noch nicht wieder erreicht werden (Übernachtungen 2023 im vgl. zu 2019  -5,7%).

 

 

 

 Wirtschaftliche Situation des Einzelhandels/Appell des EzH-Verbandes Nord

Die grundsätzlichen Probleme des stationären Einzelhandels sind seit vielen Jahren bekannt. Zunehmender Online-Handel, Faktoren wie Inflation und steigende Energiekosten sowie Fachkräftemangel reduzieren die Umsätze und Leistungsfähigkeit der Branche. Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsdienstleisters CRIF (4.3.2024) vermeldete, dass im vergangenen Jahr in Deutschland 17.847 Unternehmen eine Insolvenz angemeldet haben. Damit stiegen die Firmenpleiten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22,4 Prozent (2022: 14.578 Firmeninsolvenzen). Trotz des Anstiegs könne - bezogen auf die bundesweiten Zahlen aber nicht von einer "Insolvenzwelle" gesprochen werden, auch wenn seit Juni 2023 durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten sind. Regional betrachtet, stiegen die Fallzahlen an wie zum Beispiel in Bremen (plus 53,9 Prozent) oder Schleswig-Holstein (plus 34,2 Prozent). CRIF verweist darauf, dass es sich in Deutschland aber eher um eine Rückkehr zur Normalität im Insolvenzgeschehen handeln würde, nachdem in den vergangenen Jahren umfangreiche Unterstützungsprogramme in Milliardenhöhe durchgeführt worden seien. Der aktuelle Wert sei daher auch im Vergleich zu den Vorjahren niedrig. Der Durchschnitt seit 1999 betrage knapp 26.200 Firmeninsolvenzen pro Jahr, wobei im bisherigen Rekordjahr 2003 die Zahl bei 39.320 läge. CRIF verweist mit Blick auf die verschiedenen Bereiche, dass insbesondere die folgenden Branchen in Bezug auf prozentuale Zuwächse von Insolvenzen betroffen waren: Pflegeeinrichtungen, Call-Center, Gastronomie, Fitnessstudios und private Sicherheitsdienste.

 

Unbestreitbar ist aber, dass hohe Energiekosten, Lieferkettenprobleme, geopolitische Unsicherheiten, gestiegene Kreditzinsen und die anhaltende Inflation zur Konsumzurückhaltung der Verbraucher:innen geführt hat, was sich wiederum negativ auf die Unternehmensumsätze auch im Einzelhandel auswirkt.

Die Wirtschaftsförderung Lübeck erhebt jährlich durch Begehungen Daten zum Einzelhandel und veröffentlicht sie im Einzelhandelsmonitor. Die aktuelle Begehung für das Jahr 2023 (Stichtag 23.12.2023) ist abgeschlossen, die Daten werden derzeit ausgewertet. Weder im Jahr 2022 noch im Jahr 2023 sind Belege für ein „Ladensterben“ zu finden. Die Lübecker Innenstadt hat zwar mit Insolvenzen vor allem im Bekleidungs- und Schuhsektor zu tun. Hier sind Geschäftsaufgaben zu verzeichnen gewesen (z.B. Görtz Schuhe, Gerry Weber), die allerdings z.T. nach kurzer Zeit durch Handels-Neubelegungen kompensiert werden konnten (Thalia Buchhandlung). Besondere Herausforderungen sind wie in vielen Städten - auch hier durch die Entwicklungen der großen Warenhäuser (Galeria Kaufhof Karstadt Insolvenz) zu bewältigen. Die aktuellen Zahlen zur Einzelhandelssituation wird die Wirtschaftsförderung wieder im Ausschuss für Wirtschaft und Kurbetrieb Travemünde vorstellen.

 

Stärkungsmaßnahmen für die Lübecker Innenstadt

Mit dem Rahmenplan Innenstadt und bereits ersten Umsetzungsprojekten (Umgestaltung Beckergrube) ist der Rahmen für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung gesetzt. Der Einzelhandel wird dabei nach wie vor einen passenden Stellenwert behalten und gestärkt. Mithilfe der Förderung aus dem Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ wurde das bereits angelaufene Projekt ÜBERGANGSWEISE gestartet. Durch einen Schulterschluss von Hansestadt, städtischen Gesellschaften, Verbänden, Politik und vielen wichtigen Innenstadt-Akteur:innen werden durch aktives Tun die Weichen für die Zukunft gestellt. Herausragend ist auch der Erwerb des ehemaligen Karstadt Hauses B durch die Hansestadt und den Umbau zu einem multifunktionalen öffentlichen Gebäude mit Erweiterungen für die vier Altstadt-Gymnasien zu nennen. Die Zwischennutzung der unteren Geschosse ist bereits angelaufen und wird intensiviert. Insofern folgt Lübeck bereits dem zitierten Appell des Handelsverbandes. Ziel der zahlreichen Maßnahmen ist, die Innenstadt auch in den nächsten Jahrzehnten als einen wichtigen Ort von Begegnung und sozialem Austausch zu erhalten. Konsummöglichkeiten in Einzelhandelsgeschäften und der Gastronomie sind dabei weiterhin wichtig und durch die Generierung von guten Passant:innenfrequenzen (die von der Wirtschaftsförderung 24/7 seit 2021 an 10 Punkten der Innenstadt gemessen werden, die Daten stehen kostenlos zur Verfügung, https://luebeck.org/passantenfrequenz.) hat der Einzelhandel eine gute Ausgangsbasis für Umsätze.

 

 

Den Fachausschüssen wird in Kürze der aktuelle Stand des Projektes ÜBERGANGSWEISE vorgestellt. Aktuelle Informationen finden sich auf https://www.luebeck-tourismus.de/uebergangsweise.


 


Anlagen

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