Die Hansestadt Lübeck, Bereich Lübeck Port Authority (HL), ist seit April 2011 Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Hafenbahn und damit gemäß § 4 Abs. 3 Allgemeines Eisenbahngesetz verpflichtet, ihre Eisenbahninfrastruktur sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten.
Zur Eisenbahninfrastruktur der Lübecker Hafenbahn gehört unter anderem die Eisenbahnüberführung (EÜ) über die B 75 Lübeck-Kücknitz. Über diese Brücke verläuft das Streckengleis der Lübecker Hafenbahn Richtung Terminal Skandinavienkai und KV-Terminal der Baltic Rail Gate GmbH sowie das Streckengleis der DB Netz AG Richtung Lübeck-Travemünde. Aufgrund der gemeinsamen Nutzung der EÜ durch die Hafenbahn und DB Netz wurde zum Zeitpunkt des Baus 1974 zwischen dem Bund und der Hansestadt Lübeck vereinbart, dass das Brückenbauwerk ideell hälftig eigentumsrechtlich geteilt ist, während der Gleisoberbau jeweils im Eigentum des Bundes bzw. der Hansestadt oder ihren Rechtsnachfolgern verbleibt.
Das Streckengleis Richtung Skandinavienkai bzw. Baltic Rail Gate stellt die einzige schienentechnische Erschließung des umschlagstärksten Lübecker Terminals dar und ist entscheidend für den kombinierten Ladungsverkehr von und nach Skandinavien sowie für den Umschlag von Kraftfahrzeugen, Maschinen, Stahl und sonstigen Waren. Die Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit dieser Anbindung hat unmittelbare Auswirkungen auf ein funktionierendes Umschlaggeschäft, die Zuverlässigkeit des Hafens als Eisenbahnhafen und trägt damit entscheidend zur Entlastung der Straßen von Lkw bei.
Zustand der EÜ über die B 75 Lübeck-Kücknitz vor der Instandsetzung
Bei der Brücke handelt es sich um eine Stahlstabbogenbrücke mit direkt auf dem Fahrbahnblech aufgeschweißten Schienenstützpunkten aus dem Jahr 1974. Insbesondere das Fahrbahnblech der Eisenbahnbrücke wies starke Abrostungen auf; die direkt auf dem Fahrbahnblech aufgeschweißten Schienenstützpunkte waren abgängig, die Entwässerung nur noch eingeschränkt funktionsfähig. Ersatzteile für die Schienenstützpunkte waren aufgrund des Alters und der Art der Konstruktion nicht mehr zu beschaffen. Die Brücke musste dringend instandgesetzt werden, um Einschränkungen für den Schienenverkehr wie Lasttonneneinschränkungen zu vermeiden. Der Zustand der Brücke hatte sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert, es traten vermehrt Probleme wie Schienenbrüche aufgrund der nicht mehr funktionstüchtigen Schienenstützpunkte auf.
Fachlicher Hintergrund zur Instandsetzung der EÜ über die B 75
Probleme mit dem Korrosionsschutz insbesondere im Bereich des Fahrbahnblechs traten bei der Brücke bereits einige Jahre nach der Inbetriebnahme auf, sodass nach anfänglichen Ausbesserungen die Beschichtung bereits Mitte der 80er Jahre komplett erneuert wurde. Das Problem der Neigung zu Rostbildung insbesondere am Fahrbahnblech konnte mit der neuen Beschichtung allerdings nicht behoben werden. Die Rostbildung setzte im Vergleich zu anderen ähnlich konstruierten Brücken sehr schnell wieder ein. Ursächlich hierfür war das zu weich ausgeführte Quertragsystem der Brücke einschließlich eines verhältnismäßig dünn ausgebildeten Fahrbahnbleches in Verbindung mit zu gering ausgebildeten Entwässerungsöffnungen. Das Fahrbahnblech beulte aufgrund der Konstruktion stärker aus, Wasser bleibt auf der Brücke stehen, der Korrosionsschutzanstrich löste sich aufgrund der größeren Bewegungen leichter vom Stahlblech und so kam es vermehrt zur Rostbildung. Die Entwicklung des Schadensbildes verstärkte sich in den letzten Jahren vor der Instandsetzung überproportional. Aufgrund der höheren Belastung des Hafenbahngleises durch schwere Güterzüge im Vergleich zur geringeren Belastung des DB Netz-Gleises mit leichten Personenzügen waren die Schäden auf der Hafenbahnseite stärker ausgebildet.
Darstellung des Mittelmehrbedarfs
Zum Zeitpunkt der Planung sowie im weiteren Bauverlauf sind die erforderlichen Unterhaltungsmittel jeweils im Rahmen der konsumtiven Haushaltsplanungen im Produkt Wasser und Hafen eingestellt worden.
Die jetzt erforderliche überplanmäßige Mittelübertragung ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Gründen:
- Mehrbedarf wegen Abrechnungsverzögerung seitens eines Auftragnehmers
Der Auftragnehmer, der von November 2020 bis Dezember 2021 umfangreiche Arbeiten zur Verstärkung des Brückenbauwerks, Instandsetzung des Korrosionsschutzes im Trogbereich und Gleisbauarbeiten auf der Brücke ausgeführt hat, rechnet seine erbrachten Leistungen nur mit großer zeitlicher Verzögerung ab und ist auch mit der Abarbeitung der Mängel noch nicht fertig.
Bislang wurden seitens des Auftragnehmers erst zwei Abschlagsrechnungen gestellt, die erste am 27.09.2021 und die zweite am 31.12.2022. Die 2. Abschlagsrechnung musste entgegen des ursprünglichen Ansatzes 2023 beglichen werden, war aber eigentlich für die Begleichung 2022 angesetzt.
Die durch diesen Auftragnehmer gestellten Nachträge konnten noch nicht beauftragt werden, da Nachfragen zu diesen Nachträgen aufgrund der schwierigen Terminfindung mit dem Auftragnehmer und der langfristigen Erkrankung des zuständigen von der LPA beauftragten Bauüberwachers nicht geklärt werden konnten. Die Beauftragung der berechtigten Nachträge und die Klärung der offenen Fragen sowie die Bezahlung der bereits vor zwei Jahren erbrachten Leistungen ist jetzt für November 2023 terminiert. Die Kosten waren allerdings bereits für 2022 eingeplant.
- Mehrbedarf aufgrund von Mehrleistungen
Für die Instandsetzung der Brücke sind nicht eingeplante und damit auch nicht kostenmäßig erfasste Mehrleistungen erforderlich geworden. Diese wurden zum einen durch eine unzureichende Planung der Einhausung und durch eine fehlerhafte Mengenermittlung (Flächenberechnung der zu beschichtenden Flächen sowie der zu brechenden Kanten deutlich zu gering) hervorgerufen und sind zum anderen auf zum Planungszeitpunkt nicht erkennbare zusätzliche Arbeiten wie das Abschleifen von der Herstellung herrührenden Schweißspritzern, die Ausbesserung von tieferen Rostnestern und den von außen nicht erkennbaren, schlechteren Zustand der Betonwiderlager zurückzuführen. Diese erheblichen Mehrleistungen haben zusätzlich zu einer Bauzeitverlängerung mit ebenfalls erhöhten Kosten für die Baustellensicherung geführt.
- Mehrbedarf aufgrund von Kostensteigerungen
Ein weiterer Grund für die gestiegenen Kosten und den Mittelmehrbedarf sind die seit 2020 erheblich gestiegenen Materialkosten und die deutlich gestiegenen Kosten für Bauleistungen. Auf die ausgeschriebenen Leistungen haben sich nur sehr wenige oder teilweise auch gar keine Firmen beworben. Die Preise sind wegen der guten Auslastung der Firmen gerade auch im Eisenbahnbaubereich deutlicher als abschätzbar war gestiegen.
- Mehrbedarf aufgrund von bereits geleisteten Zahlungen der DB Netz AG
Die DB Netz AG und die LPA teilen sich auf Grundlage einer Vereinbarung von 1973 und einer Durchführungsvereinbarung für die Instandsetzung der Brücke die Kosten. Die DB Netz AG konnte Ende 2022 einen höheren Anteil der von der LPA vorfinanzierten Leistungen begleichen als ursprünglich eingeplant. Diese Mittel stehen damit nicht mehr im Jahr 2023 zur Verfügung und beeinflussen den ursprünglich angesetzten Mittelbedarf der LPA für 2023 ebenfalls negativ.
Aufgrund der dargestellten Gründe ist die LPA in diesem Jahr nicht in der Lage, die ausstehenden Schlussrechnungen im Zusammenhang mit der Instandsetzung der EÜ über die B 75 sowie die weiteren damit verbundenen Leistungen anderer Lieferanten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu begleichen.
Eine Deckung aus dem Produktsachkonto 541001 000.5221105 – Gemeindestraßen, Er-satzbeschaffung Festwert Straßenbeleuchtung in Höhe von 1.500.000,00 EUR kann erfolgen, da der geplante Ansatz nicht vollumfänglich ausgeschöpft wird. Hintergrund hierfür sind Verzögerungen bei den Firmen, die den Breitbandausbau in Lübeck umsetzen. Im Zuge dieser Breitbandausbaumaßnahmen ist vorgesehen, u. a. auch die Straßenbeleuchtung in den entsprechenden Straßenzügen zu erneuern.
Das Produktsachkonto 611001 000.4013000 – Steuern, allgemeine Zuwendungen, allgemei-ne Umlagen, Gewerbesteuer kann aufgrund von Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer 1.500.000,00 EUR Deckung beisteuern.
Eine aktuelle Hochrechnung geht davon aus, dass im Budget der LPA 3.000.000,00 EUR fehlen, um die beauftragten und die zu verhandelnden Nachträge begleichen zu können.
Aus diesem Grund ist diese überplanmäßige Mittelübertragung erforderlich.