Anlass
Mit der Vorlage VO/2022/11418 vom 31.08.2022 „Altstadtbrückenbericht und Bauprogramm bis 2037“ informierte der Bereich Stadtgrün und Verkehr die politischen Gremien über die geplanten Brückenbaumaßnahmen, insbesondere über die kurzfristig anstehenden Maßnahmen.
Neben den gesamtstädtisch verkehrlich relevanten Bauwerken sind im Arbeitsprogramm auch exemplarisch kleinere Geh- und Radwegbrücken aufgeführt, die für den lokalen Geh- und Radverkehr wichtige Verbindungen sind. Eine solche Brücke ist das BW 280 Geh- und Radwegbrücke Orkneypark.
Bauwerkszustand und geplante Maßnahme
Die vorhandene Geh- und Radwegbrücke überführt einen Wanderweg über einen Graben im Orkneypark in Travemünde. Der überführte Wanderweg ist von Ost nach West ausgerichtet. Er stellt in dem vorliegenden Streckenabschnitt, im Orkneypark in Travemünde, eine gern genutzte Abkürzung von und zu den nahegelegenen Einkaufsmöglichkeiten dar.
Abb. 1: Lage Gehwegbrücke Orkneypark (Quelle: Geoportal HL)
Abb.2: Seitenansicht Gehwegbrücke Orkneypark (Quelle: HL, 5.660)
Brückensystem
Bei dem Bauwerk handelt es sich um eine zweistegige Vierfeld-Brücke. Das Bauwerk ist komplett aus Eichenholz hergestellt. Die Betonwiderlager sind flachgegründet. Zudem stehen die Holzstützen auf Betonfundamenten, die ebenfalls flachgegründet sind.
Das Brückenbauwerk wurde vom Lübecker Bauverein geplant und gebaut und im Jahr 2000 dem Verkehr zur Nutzung und dem Bereich Stadtgrün und Verkehr als Straßenbaulast übergeben. Es wird seitdem durch regelmäßige Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 überwacht.
Die Orkneypark-Brücke weist diverse Schäden in Bezug auf Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit auf, welche sich in der Zustandsnote von 2,9 ausreichender Bauwerkszustand bei der letzten Einfachprüfung 2020 widerspiegeln (Zustandsnoten von 1 = sehr guter Bauwerkszustand bis 4 = ungenügender Bauwerkszustand). Aufgrund der Schadenserweiterungen wird für die Hauptprüfung 2023 eine signifikante Verschlechterung der Bauwerksnote erwartet.
Die Eichenlängsträger und der Holzbohlenbelag sind stark ausgeprägt mit Pilz befallen. Zudem sind die Endquerträger des Fachwerkes verfault und weisen einen Querschnittsverlust auf. Die Holzgeländer zeigen insbesondere an den Brückenköpfen starke Schäden auf, die bereits mehrfach versucht wurden, instand zu setzen. Durch die ungünstige Konstruktion, bei der die Sprossen im Untergurt eingezapft sind (siehe auch Abb. 3), läuft das Wasser in den Untergurt und verursacht Fäulnisschäden, die wiederum zu einer Abrottung des Untergurts führen. Nach den heute gültigen Regeln würde das Geländer in dieser Form nicht mehr ausgeführt werden.
Abb. 3: Schadensbild Geländer (Quelle: HL, 5.660)
Eine Instandsetzung des nunmehr 23 Jahre alten Bauwerks (theoretische Nutzungsdauer von Holzbrücken dieser Bauart: 30 Jahre) ist auf Grund der vollständigen Schädigung der Endquerträger und Längsträger sowie der Stützen technisch nicht mehr möglich. Ein Ersatzneubau der Brücke ist erforderlich.
Der Querschnitt der neuen Brücke wird als Geh- und Radwegüberführung, mit einer Fahrbahnbreite zwischen den Geländern von 2,50 m ausgebildet. Der Ersatzneubau der Orkneypark-Brücke wird wieder als zweistegige Vierfeld-Brücke aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) hergestellt.
Abb. 4: Beispiel einer GFK-Brücke (BGL Ing.-Bau GmbH)
Diese Bauweise hat im Vergleich zur klassischen Brückenkonstruktion aus Holz den Vorteil, dass sie dauerhafter und auch unterhaltungsärmer ist. So wird es z.B. keine Pilzbildung oder Verrotten einzelner Bauteile geben.
Die von der Industrie angegebene Lebensdauer für GFK-Bauteile beträgt zwischen 40 und 50 Jahren. Im Vergleich dazu haben die Konstruktionsbauteile aus Holz eine Lebensdauer von ca. 30 Jahren und erfahrungsgemäß muss der Holzbohlenbelag nach maximal 15 Jahren ausgetauscht werden.
Gerade im Waldbereich führen Holzbeläge bei Nutzer:innen zu Schwierigkeiten, da diese durch die Feuchtigkeit oft rutschig sind. Dies erhöht die Unfallgefahr. GFK-Beläge werden mit der Höchstnorm der Rutschhemmklasse R13 eingestuft.
Die Konstruktionen sind geschraubt, so das im Falle einer Beschädigung durch Dritte jederzeit eine schnelle und kostengünstige Reparatur oder der Austausch von Einzelkomponenten möglich ist.
Durch das geringe Gesamtgewicht der GFK-Konstruktionen können die alten Widerlager sowie die alten Fundamente für die Stützen wiederverwendet werden.
Vorteile gegenüber anderen Werkstoffen sind: GFK ist korrosionsbeständig, leichter als Aluminium und bearbeitbar wie Holz. Zudem ist es UV-, wärme- und kältebeständig sowie schwer entflammbar und besitzt eine CE-Kennzeichnung. Zur vierjährigen Gewährleistung nach VOB gibt es eine Werksgarantie von insgesamt 10 Jahren auf die Bauwerke.
Im Vergleich zu anderen Baustoffen wie Beton, Aluminium und Stahl, wird für die Herstellung der GFK-Elemente vergleichsweise wenig Energie benötigt.
- Glasfaser spart 75 % der Produktionsenergie im Vergleich zu Stahl. Da der Aushärtungsprozess exotherm ist (d.h. er entwickelt seine eigene Wärme), ist der Energieverbrauch pro produzierter Einheit niedrig.
- Faserverbundkonstruktionen sind 75 % leichter als Stahl. Transport und Montage benötigen daher 50 % weniger Energie.
- Das CO2-Äquivalent von GFK beträgt nur die Hälfte einer Betonbrücke und etwa ein Drittel einer Stahlbrücke. Die CO2-Bilanz von GFK ist daher besonders niedrig.
- Bei der Produktion entstehen kaum schädliche Nebenprodukte.
- Die Herstellung von Grundharzen und Fasermatten hat nicht die negativen Auswirkungen auf die Umwelt wie die Metalle Stahl oder Aluminium.
- GFK-Abfall ist eine hochwertige Alternative für die Zementindustrie in Verarbeitungsanlagen, sowohl als Brennstoff als auch als mineralischer Rohstoff.
(Quelle: Forum Nachhaltig Wirtschaften; forum-csr.net)
Außerdem ist GFK gut recycelbar, so dass es wiederverwendet werden kann. Einige Anbieter nehmen GFK-Altkonstruktionen kostenfrei zurück, nur die Anlieferfracht geht zu Lasten des Abgebenden.
Vorgesehener Bauablauf
Im Rahmen des nun anstehenden Ersatzneubaus des Bauwerks sind folgende Leistungen vorgesehen:
- Technische Bearbeitung
- Abbruch des Bestandsbauwerkes
- Aufbereitung der weitergenutzten Bauteile des Bestandsbauwerkes
- Herstellung eines neuen GFK- Bauwerkes
Termine/Bauzeitliche Verkehrsführung
Die Durchführung ist für das I. und II. Quartal 2024 geplant und wird in fünf Bauphasen realisiert:
Bauphase 1: Abbruch des alten Bauwerkes
Bauphase 2: Betoninstandsetzungen an den Widerlagern und Fundamenten
Bauphase 3: Herstellen des neuen GFK-Bauwerkes
Bauphase 4: Einbau einer Böschungstreppe
Bauphase 5: Herstellen des Geh- und Radweges
Für die Dauer der Baumaßnahme muss die Brücke einschl. des Geh- und Radweges voll gesperrt werden. Eine Umleitung für Zufußgehende und Radfahrende wird eingerichtet.
Die Öffentlichkeit wird rechtzeitig über Pressemitteilungen etc. informiert.
Projektziel ist es, das Bauwerk zu erneuern, um die Geh- und Radwegverbindung in dem Orkneypark zu erhalten.
Kostenaufstellung/Finanzierung
Für den Ersatzneubau (Planungs- und Bauleistungen) wird mit einem Finanzbedarf von 490.000 EUR brutto gerechnet.
Aufgrund von zwei nicht besetzten Ingenieur:innen-Planstellen in der Abteilung Brückenbau wird für dieses Bauwerk die technische Bearbeitung und die Bauausführung in einem Auftrag vergeben. Als Vergabeverfahren wird die öffentliche Ausschreibung gewählt.
Da die Bestandspläne vorliegen und der Ersatzneubau baugleich zum Bestandsbauwerk hergestellt werden soll, ist eine gemeinsame Vergabe von Planung und Ausführung in diesem Einzelfall möglich.
Die benötigten Haushaltsmittel sind nicht projektbezogen im Haushalt 2023 bereitgestellt und sind außerplanmäßig zu bewilligen. Die Deckung wird aus dem Bereichsbudget zur Verfügung gestellt.
Die erforderlichen Mittel werden nach der außerplanmäßigen Bewilligung aus der Maßnahme PSK 542001.154.7852000 Sanierung Kronsforder Allee im Haushalt 2023 zur Verfügung gestellt. Die Sanierung der Kronsforder Allee wurde auch im Hinblick auf die anstehende Baumaßnahme Mühlentorbrücke/Kreisverkehr geschoben. Die Mittel stehen daher zur Verfügung.
Der Bereich Stadtgrün und Verkehr empfiehlt, die Projektfreigabe für den Ersatzneubau Gehwegbrücke Orkneypark mit einem Projektvolumen von 490.000 EUR (brutto) und die außerplanmäßige Bewilligung der notwendigen Haushaltsmittel für das Haushaltsjahr 2023 zu beschließen.