Vorlage - VO/2023/11852  

Betreff: Weiterbetrieb einer SeniorInnenEinrichtung (SIE) im Heiligen-Geist-Hospital (HGH)
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Pia Steinrücke
Federführend:2.000 - Fachbereichsleitung Bearbeiter/-in: Kuschmierz, Ralf
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Ausschuss für Soziales zur Kenntnisnahme
14.02.2023 
Sondersitzung des Ausschuss für Soziales zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Hauptausschuss zur Kenntnisnahme
21.02.2023 
76. Sitzung des Hauptausschusses zur Kenntnis genommen / ohne Votum   
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnisnahme
23.02.2023 
38. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
HH_Pläne_HGH_2020-2023
Investitionen_HL2023ff

Beschlussvorschlag


 


Begründung

 

Einleitung

 

Im Zusammenhang mit der Diskussion und Entscheidung zur strategischen Neuausrichtung der SIE (VO/2022/11544) wurde die Thematik Heiligen-Geist-Hospital abgegrenzt. Sowohl in der Sondersitzung des Ausschusses für Soziales am 17.11.2022 als auch in den Runden Tischen zum Thema HGH am 19.12.2022 und 24.01.2023 hat die Verwaltung zur zeitlichen Abfolge der Entwicklung, zu den getroffenen Maßnahmen, der weiteren Planung und den erforderlichen baulichen Maßnahmen sowie den Abhängigkeiten von Brandschutz, Gebäude, Stiftungsrecht und Betrieb einer Einrichtung der Altenpflege berichtet, unter welchen Umständen ein Weiterbetrieb des APH im HGH möglich ist. In beiden Runden Tischen wurden sowohl die Situationsbeschreibung wie auch der Ausblick der Verwaltung zur weiteren Entwicklung sehr kontrovers diskutiert.

Berichtet wurde ausführlich und schlüssig, warum aus rechtlichen Erwägungen der Gefahrenabwehr ein Weiterbetrieb des bestehenden Pflegebetriebes am 30.09.2023 enden muss. Es wurde weiterhin aufgezeigt, dass Maßnahmen zur Abwendung der vorliegenden, konkreten Gefahren eine vollständige Umsetzung der Maßnahmen nach genehmigtem Brandschutzkonzept erforderlich machen. Diese lösen einen notwendigen, erheblichen Eingriff in das Gebäude mit umfangreichen bau- und anlagentechnischen Sanierungen aus. Zusätzlich wurde erläutert, dass eine Sanierung im laufenden Betrieb weder für Bewohnende oder Mitarbeitende zumutbar noch möglich ist, weil eine Verlängerung der Betriebszeit bis zum Beginn der Gesamtsanierung nicht möglich ist.

Dabei sind die verschiedenen Aspekte und Rollen der Stiftung als Eigentümerin des Gebäudes, die Anforderungen des öffentlichen Rechtes (Brandschutz und Bauordnung) sowie die Aspekte des derzeitigen Nutzers in Übereinstimmung zu bringen.

Die folgenden Ausführungen zu den dafür erforderlichen baulichen, (stiftungs-)rechtlichen, finanziellen und betrieblichen Voraussetzungen sind nicht als abschließend zu betrachten. Die baulichen Rahmenbedingungen, aber insbesondere auch die finanziellen Auswirkungen, können lediglich auf Basis heutiger Erkenntnisse beantwortet werden.

 

Die VO/2022/11730-01 zur chronologischen Abfolge im Fall Brandschutz Heiligen-Geist-Hospital des Bereiches Stadtplanung und Bauordnung berichtet zusammenfassend über die Entwicklung des Themas bis zur heutigen Situation. Im Wesentlichen können folgende Kernaussagen wiederholt werden:

 

- Die Brandverhütungsschau der Feuerwehr im April 2019 endete mit so gravierenden Mängeln, dass die Bauordnung am 30.04.2019 ein Verwaltungsverfahren nach §§ 74 LVWG SH eröffnete und die Stiftungsverwaltung als beteiligte Person (§ 78 LVWG S-H) zur Anhörung (§ 87 LWVG S-H) aufgefordert wurde. Diese öffentlich-rechtliche Maßnahme erfolgt in der Regel, um nicht sofort einen Verwaltungsakt, der in Rechte Dritter eingreift, zu erlassen. In der Regel wird eine solche Anhörung mit Maßnahmen verbunden, die sofort zu erbringen sind. Das war auch hier der Fall, weshalb kurzfristig u.a. nächtliche Brandwachen eingesetzt wurden, die Sicherheitsbeleuchtung ausgetauscht wurde, Mitarbeitende des APH zu Schulungen aufgefordert wurden, eine Ertüchtigung der Brandmeldeanlage stattgefunden hat. Schon damals war von konkreter Gefahr für Leib und Leben die Rede.

- In den folgenden Monaten wurde im Auftrag der Stiftungsverwaltung, unter enger Mitwirkung der Feuerwehr und der Bauordnung, ein Brandschutzkonzept durch Assmann-Schmidt Brandschutzingenieure erarbeitet.

- Auf Grundlage dieses Brandschutzkonzeptes erteilte die Bauordnung am 04.03.2021 eine Baugenehmigung zur Brandschutztechnischen Sanierung HGH-SIE. Diese Baugenehmigung ist 3 Jahre gültig. Die von der Stiftungsverwaltung bereits 2019 beauftragten Planer (Architekt, Planer für Heizung, Lüftung, Sanitär und Elektrotechnik, Brandschutzplaner) vertieften anschließend die Aufnahme und Bewertung des baulichen und anlagentechnischen Bestandes, um eine Kostenschätzung für die Umsetzung der Brandschutzmaßnahmen sowie für die sonstigen Instandsetzungen und Mängelbeseitigungen (u. a. Lüftungsanlage, Trinkwasseranlage) zu erzielen.

 

Anfang November 2021 konkretisierte sich der Umfang der Sanierungskosten. Gegenüber der Stiftungsverwaltung wurde als grobe Schätzung eine Höhe von 25 - 28 Mio. € Investitionskosten kommuniziert.

 

Bauordnung und Feuerwehr sahen nach Vorlage der weiteren Aufnahmen der Schadensumfänge die erhebliche Gefahr für die Bewohner:innen als bestätigt an. Bedenken bestanden vor allen Dingen wegen der eingeschränkten Evakuierungssituation und der nicht anforderungsgemäß baulich ausgebildeten Trennung in Bauabschnitte. Aufgrund der Vielzahl der Gebäude und der daraus resultierenden komplexen Fluchtwegführung sowie der in vielen Fällen nicht gegebenen Möglichkeit der Selbstrettung der Bewohner:innen wurde ein bestehender, sicherer Betrieb durch die Berufsfeuerwehr in Frage gestellt. Es erging ein Aufnahmestopp im APH. Der Betreiber des Gebäudes sah diesen Schritt als alternativlos an, um nicht zusätzlich neue Bewohner:innen dem Risiko für Leib und Leben auszusetzen und um das Gebäude für die Sanierung freiziehen zu können. Für die Durchführung der Baumaßnahme wurde ein Zeitraum von etwa drei Jahren veranschlagt. Eine Sanierung im laufenden Betrieb würde die Bauzeit verlängern, die Kosten anwachsen lassen, den Pflegebetrieb erheblich erschweren und Bewohner:innen und Mitarbeitende erheblich belasten. Betreiber SIE und das GMHL haben sich daher gegen eine derartige Maßnahme entschieden und den Freizug als einzig mögliche Alternative gewählt.

 

Ein Übergangsbetrieb sollte mittels eines abgestimmten Interimskonzeptes sichergestellt werden. Die Inhalte dieses Interimskonzept wurden in einer Besprechung am 05.09.2022 zwischen GMHL, Bauordnung, Feuerwehr und dem Bereichsleiter der SIE erörtert. Dieses Konzept ermöglicht zumindest den Weiterbetrieb bis zum 30.09.2023 und hat die sofortige Schließung abgewendet.

 

Die Stiftung HGH hat bis 31.12.2022 730.000 €r Brandschutzmaßnahmen zuzüglich 303.000 € Planungshonorare ausgegeben, weitere Planungsmittel werden zum Ablauf der Leistungsphase 2 erforderlich. Insgesamt belaufen sich die Kostenr die Stiftung HGH bislang auf rund 1.032.000 €, die zur Aufrechterhaltung des APH Betriebs seit 2019 eingesetzt worden sind.

 

Bauliche Situation

Die derzeitige bauliche Situation lässt einen dauerhaften Betrieb eines APH aus o.g. Gründen eindeutig baurechtlich nicht mehr zu. Es ist daher zwingend notwendig, das Gebäude bau- und anlagentechnisch, inkl. Brandschutz, grundhaft zu sanieren. Die Raumaufteilung innerhalb des Gebäudes wird vollständig verändert werden müssen, um die Barrierefreiheit im gesamten Gebäude herzustellen. Der Einbau neuer Bäder ist erforderlich, um den Anforderungen nach Heimmindestbauverordnung, Barrierefreiheit sowie die Schottung der zwischen den Brandabschnitten verlaufenden Ver- und Entsorgungsleitungen gerecht zu werden.

 

Die Stiftung HGH hatte daher 2020 entsprechende Vorplanungen (bis zur HOAI-Leistungs­phase 3) beauftragt, diese werden voraussichtlich im Sommer 2023 vorliegen. Die Zielsetzung war es darzustellen, wie im Gebäude ein modernes APH mit möglichst vielen Heimplätzen realisiert werden könnte; die grundsätzliche Eignung des historischen Baukörpers für eine solche Nutzung stand nicht infrage. Gemäß dem Planungsauftrag wäre das Gebäude für die Dauer von 40 Jahren für die Nutzung durch ein APH ertüchtigt. Die Herrichtung nach den erforderlichen Standards der Heimmindestbauverordnung ist dabei zu beachten. Diese Mindeststandards entsprechen aber nicht den heutigen Nutzeranforderungen, den allgemeinen Maßstäben an nachhaltige und zukünftigen Projektentwicklungen, auch nicht den definierten Qualitätsanforderungen des heutigen Betreibers (SIE).

 

Über die Anzahl der entstehenden Heimplätze kann zu diesem Zeitpunkt keine Aussage getroffen werden, es werden nicht mehr als die bislang im Haus befindlichen 77 Plätze errichtet werden können.

Voraussetzung für die Realisierung des Umbaus ist die Fortführung der Planung, sowie die daran unmittelbar anschließende Umsetzung der baulichen Maßnahmen. Pflegefachlich ist ein zeitgemäßer Betrieb nach Sanierung nur schwer vorstellbar.

Selbst nach erfolgter kompletter Sanierung bleibt die bestehende Gebäudestruktur erhalten. Zwar erscheint die Erfüllung der Mindeststandards für eine Pflegeeinrichtung umsetzbar, die Anforderungen der SIE an künftige Neubauten (Zimmergröße, Belichtung, Wohngruppen, durchgehende Barrierefreiheit und Erleichterungen für den Pflegebetrieb) werden im alten Gebäude nicht umsetzbar sein.

 

Die ordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an die Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen u.a. in Wohnformen für pflegebedürftige Menschen waren in der Heimmindestbauverordnung und sind in bestimmten Ländergesetzen und Verordnungen normiert. Für Schleswig-Holstein sind dies: das Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG) und die Durchführungsverordnung (SbStG-DVO) in den jeweils gültigen Fassungen. Die fachlichen und qualitativen Anforderungen und Ansprüche an eine moderne und zeitgemäße vollstationäre Pflegeinrichtung gehen, teils weit, darüber hinaus. Dies aus zwei Gründen: Neubauten müssen auf Grund ihrer erwartbaren Nutzungsdauer zukünftige fachliche und gesellschaftliche Entwicklungen sowie Nutzer:innenerwartungen abbilden und ermöglichen können. Für die SIE der HL sind die Grundlagen die „Konzeption 2030“ in deren fachlicher Tiefe und der Bürgerschaftsbeschluss der Bürgerschaft der HL vom November 2022, der u.a. die Umsetzung der Konzeption 2030, beinhaltet.

Unter dem fachlichen Aspekt, dass ein seit Jahren und weiterhin steigender Anteil demenzieller Erkrankungen, in Verbindung mit gestiegener Pflegebedürftigkeit des von uns aufgenommenen Klientels zu beobachten und zu beschreiben ist, ist die derzeitige Gebäudestruktur des HGH, mit seinen langen Wegen auf unterschiedlichen Ebenen ohne Orientierungspunkte und Wiedererkennungseffekte, für eine/n demenziell erkrankte/n Bewohner:in ein nicht zu handhabendes Hindernis.

Demnach muss eine zeitgemäße Pflegeeinrichtung sehr klare Raum-, Wege- und Orientierungsstrukturen haben. Bei der baulichen Neufassung der stationären Pflegeangebote ist besonderes Augenmerk auf die Faktoren Immobilität und demenzielle Entwicklung bei den Bewohner:innen zu richten. In Hinsicht auf letzteres bedeutet dies eine Raumstruktur, die in einem „Rundlauf” r die Bewohner:innen mündet. „Jede Kreuzung“ innerhalb des Bereiches führt in Folge der räumlichen Orientierungslosigkeit potenziell zu Unruhe/Aggressivität/ Hilflosigkeit. Das Gebäude des HGH bietet dafür schlechte Umsetzungsmöglichkeiten.

 

 

Die Hansestadt Lübeck legt mit den SIE folgende Qualitätsstandards fest:

Die Wohnbereiche benötigen eigene Identitäten (Farbe/Themen). Dringend umzusetzen ist die durchgängige bauliche Errichtung von „Wohngemeinschaften/Wohngruppen“r ca. 10 Bewohner:innen, ebenso wie „Platz für Rückzugsorte“ und Gemeinschaftsflächen („großer Esstisch“ und vergleichbares). Idealerweise öffnen sich die Zimmer zu einem zentralen Gemeinschaftsraum, nicht jedoch zu einem „ngsflur“. Essentiell ist eine „Doppelhüftigkeit“ der Flurgestaltung, wenn sich ggf. nicht alle Zimmer als „Wohngemeinschaft“ darstellen lassen.

Ein modernes Haus muss angemessene Dienst- und Sozialräume für die Mitarbeiter:innen vorhalten, ebenso geeignete Rollstuhl-, Betten-, Wäsche- u.a. Lagermöglichkeiten sowie räumliche Therapie- und Betreuungsmöglichkeíten haben.

Nicht zuletzt im Sinne der Mitarbeiter:innen sind effektive Wegebeziehungen zu begründen. Eine ökonomische Flächenverteilung ist in Bezug auf die Gemeinschaftsflächen auch regelmäßig Forderung bei Pflegesatzverhandlungen. Das HGH kann diese Forderung nicht erfüllen.

Eine moderne Pflegeinrichtung muss die „Kund:innenerwartungen“ grundsätzlich antizipieren können. Dies sind u. a. ausreichende Verkehrsflächen für die An-/Abfahrt von immobilen Bewohner:innen, genauso wie eine ungehinderte Rettungsdienst- und Lieferantenanfahrt. Ebenso muss, im Sinne eines Quartier- und Teilhabebezuges eine den Bewohner:innen dienende Infrastrukur (Räumlichkeiten für Arztpraxen, Physiotherapie; Friseur etc. idealerweise im Haus) gegeben sein.

Beispiel: derzeit würden bundesweit, mit wenigen Ausnahmen, Einzelzimmergrößen von 14 qm zulässig sein, so auch in SchleswigHolstein (SH). Für Doppelzimmer variieren die Mindestgrößen zwischen 16 und 24 qm.

Mindestens 75% der Plätze müssen in SH Einzelzimmer sein.

Die langjährige Erfahrung und Beobachtung der einschlägigen Gesetzgebung muss davon ausgehen lassen, dass die Raummindestgrößen immer wieder angepasst, ergo vergrößert werden. . Im Rahmen der anstehenden Sanierung können zwar gesetzliche Mindestmaße erfüllt werden, keinesfalls aber Raumgrößen entstehen, die moderne Kriterien erfüllen.

 

Ein Einzelzimmer soll eine Größe von ca. 20 qm, ohne Bad, haben. Die Doppelzimmer sollten nicht wesentlich kleiner als 30 qm (ohne Bad) sein. Grundsätzlich sollten 3% der Bettenzahlen als Doppelzimmer geschaffen werden. Zudem ist je ca. 25 Bewohner:innen ein Wannenbad zu planen. Die Zimmer müssen hell und wohnlich sein. Die Raumstruktur hat durchgängig eine individuelle Möblierung zu ermöglichen.

Zimmertüren sind zweiflüglich zu planen. Einerseits wegen eines leichteren Bettentransfers, anderseits zeigt die Erfahrung, das auch zunehmend „überbreite“ Betten und Rollstühle beachtet werden müssen.

Erwartet wird eine Gebäudeausstattung mit Induktionsschleifen und Blindenleitsystemen.  Grundsätzlich ist auf eine möglichst autarke/nachhaltige Medienver- und Entsorgung abzustellen.

Die geplante Hauskapazität liegt zwischen 100 und 140 Betten. Dieser Korridor beschreibt die wirtschaftlich sinnvolle Größe einer Einrichtung. Kleinere Häuser geraten sehr schnell an die Grenzen der Wirtschaftlichkeit, größere Einheiten werden nutzerseitig abgelehnt und finden bei den Bewohnenden wenig Akzeptanz.

 

Unabhängig von den baulichen Maßnahmen im Zusammenhang mit den Sanierungsplänen für die Pflegeeinrichtung, sind weitere bauliche Gegebenheiten im Gebäude HGH zu berücksichtigen. Dazu gehört unter anderem der Kartoffelkeller, bei dem ein hoher Investitionsstau vorhanden ist. Hier sind Maßnahmen zur Stabilisierung des Fußbodens vorzunehmen. Darüber hinaus besteht Investitionsstau im Komplex HGH, ohne direkt die Pflegeeinrichtung zu betreffen. Diese Maßnahmen sind ebenfalls zu planen, auszuschreiben und über die Stiftung HGH abzuwickeln. Ebenso wie im Bereich des Pflegeheimes stellt sich hier auch die Frage, wie diese Investitionen zu refinanzieren sind.

Unabhängig von der Frage der Refinanzierung bedeutet die Investition in diese Maßnahmen eine zusätzliche Belastung des Stiftungshaushaltes, die aktuell nicht abgebildet und leistbar ist.

In der Gesamtschau aller durchzuführenden Maßnahmen wird deutlich, wie extrem angespannt die finanzielle Situation der Stiftung HGH ist.

 

 

Stiftungsrechtliche Voraussetzungen

Das Stiftungsvermögen der Stiftung darf nicht verbraucht werden, zudem muss die Gemeinnützigkeit der Stiftung HGH erhalten bleiben. Der Stiftungszweck muss entweder operativ oder durch Erträge, die aus dem Stiftungsvermögen erzielt werden, erfüllt werden.

 

Haushalt der Stiftung

Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stiftung HGH ist nicht ausreichend, um eine Sanierung des Gebäudes, unabhängig von seiner Nutzung, zu finanzieren. Selbst wenn die Stiftung eine andere Nutzung als die eines APH in dem historischen Gebäudeensemble umsetzen wollte, müsste eine technische, energetische und brandschutztechnische Sanierung erfolgen. Der Umfang der einzelnen Maßnahmen mag unterschiedlich sein, die Tatsache einer dringenden Sanierungsbedürftigkeit steht jedoch außer Frage. Da eine Alternativnutzung für das Gebäude stiftungsrechtlich nicht vorgesehen ist, war die Planung der Stiftung stets auf den Betrieb einer Alten- und Pflegeeinrichtung ausgerichtet.

 

Zu beachten ist, dass die Stiftung HGH nur von der Hansestadt Lübeck treuhänderisch verwaltet wird. Stiftungsmittel können für die Sanierung nicht problemlos durch Mittel der Hansestadt Lübeck ergänzt werden. Der Stiftungshaushalt ist nicht Bestandteil des Haushaltes der Hansestadt Lübeck.

 

Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stiftung ist seit Jahren gefährdet. Seit 2019 weisen die Beschlüsse der Bürgerschaft ohne Unterbrechung Fehlbeträge aus. Eine entsprechende Übersicht befindet sich in der Anlage.

 

 

Nachfolgend wird modellhaft dargestellt, wie sich die Höhe der zu erwirtschaftenden Miete errechnet:

 

Unter der Annahme eines Investitionsbedarfes von 30 Mio €, eines Eigenkapitalanteils der Stiftung von 6 Mio €, generierten Spenden/Zuschüssen von 6 Mio €, bestünde ein Kreditbedarf in Höhe von 18 Mio €. Bei einer angenommenen Kreditlaufzeit von 40 Jahren, einer Tilgung von 2%, einem Zinssatz von 4%, der jährlichen Abschreibung und zuzüglich der grundsätzlich zu erwirtschaftenden Mietbestandteile (Stand 2022: 271.000 €/p.a.) müsste eine jährliche Miete i.H.v. ca. 2 Mio € durch einen potenziellen Nutzer aufgebracht werden. Umgerechnet auf den m² Nutzfläche (ca. 4.500) ergäbe sich eine monatliche Kaltmiete/m² in Höhe von 36,68€. Für den aktuellen Betreiber ist dieser Betrag nicht refinanzierbar. Bereits jetzt bedeutet der Betrieb des HGH ein laufendes Defizit für die SIE. Eine Kaltmiete in einer Größenordnung von 37 /m² ist mit den Kostenträgern nicht verhandelbar und erhöht das laufende Defizit im erheblichen Ausmaß. Soweit eine Sanierung zu einer Verringerung der Platzanzahl führt, verschärft sich die Situation beträchtlich. Unabhängig vom derzeitigen Betreiber SIE ist eine Miete in diesem Umfang von keinem Betreiber zu refinanzieren.

 

Eine marktübliche Miete würde sich an den seitens der Leistungsträger refinanzierbaren Kosten orientieren. Dies bedeutet, dass kein Betreiber Pflegeheime erstellt oder anmietet, bei denen bereits gebäudeseitig über die refinanzierten Investitionskosten oder Mieten keine Wirtschaftlichkeit besteht. Dies dann schon ohne Berücksichtigung des eigentlichen Pflegebetriebes.

Diese sind im langjährigen Mittel auf ca. 20 Euro je m², bei neuen und jüngeren Häusern, begrenzt. Dies entspräche einer Kaltmiete von ca. 518.000,00 Euro auf der Basis von 80 zur Verfügung stehenden Betten, dies war die Ausgangsgröße für den gültigen Mietvertrag.

Grundsätzlich bedeutet dies, dass eine marktübliche Miete immer unter den jeweils üblichen Bedingungen zur Refinanzierbarkeit ausgebildet wird. Die aktuell verhandelbaren 20 Euro je m² bestimmen das Geschehen am Immobilienmarkt für Pflegeheime.

 

Zum Zeitpunkt des Bürgerschaftsbeschlusses zur Mietanpassung lag der genehmigte Investitionskostensatz, wie derzeit auch, bei 13,39 € je Kalendertag.

Dies entspricht einer refinanzierten Miethöhe, bei 77 Betten, von ca. 314.000,00 €.

Daraus wird ersichtlich, dass schon die jetzige Miete für 77 Plätze über dem Marktdurchschnitt liegt. Eine Miete nach vorliegenden, ersten sehr groben Kostenschätzungen der Stiftung von 2 Mio. €, würde bei 77 Betten einen Investitionskostensatz von ca. 76,00 € bedingen.

 

Eine marktkonforme Miete für ein zeitgemäßes Haus, bei 77 Betten, wäre unter Zugrundelegung des bislang marktüblichen Investitionskostensatzes von 20,00 €, in Höhe von ca. 500.000,00 € anzusetzen. Mieten über diesem Betrag werden vermutlich vermieterseitig nicht am Markt durchsetzbar sein. Im Umkehrschluss sind alle Investitionsentscheidungen vor diesem Hintergrund zu treffen.

 

 

Gibt es Nutzungsalternativen zu einem vollstationären APH?

 

Voraussetzung für jedwede Nutzung des historischen Gebäudes ist die Einhaltung der Stiftungssatzung. Diese sieht gem. § 3 der Stiftungssatzung vor:

 

1. Errichtung eines Altenheims.

2. rderung der Betreuung alter, bedürftiger Menschen in Lübeck; Voraussetzung ist die Bedürftigkeit im Sinne der jeweils geltenden steuerlichen Bestimmungen sowie

3. rderung der Denkmalpflege und die Pflege von Kulturwerten, die sich im Vermögen der Stiftung "Heiligen-Geist-Hospital" befinden.

 

 

Bis heute ist das HGH eine selbstständige Institution geblieben; als öffentlich-rechtliche Stiftung von der Hansestadt Lübeck treuhänderisch verwaltet, wird ihr Vermögen getrennt vom städtischen Haushalt gehalten. Sämtliche Erträge aus diesem Vermögen werden ausschließlich zu den in der Stiftungssatzung festgelegten Zwecken eingesetzt.

 

Die Stiftung erfüllt die Aufgaben der Satzung wie folgt:

 

Nr. 1 und 2 der Stiftungssatzung:

Die Stiftung Heiligen-Geist-Hospital ist eine öffentlich-rechtliche Stiftung, die überwiegend operativ arbeitet, d.h. der Stiftungszweck wird nicht nur über Ausschüttung von Vermögenserträgen - also direkt fördernd - erfüllt, sondern hauptsächlich durch Einsatz der Vermögenssubstanz selbst sowie durch Dienstleistungen. Die Stiftung fördert die Betreuung alter bedürftiger Menschen in beck über eine fortlaufende subventionierte Miete für das im Gebäudekomplex der Stiftung befindliche Pflegeheim und r eine Altentagesstätte.

Die SIE zahlen auf Grund eines Bürgerschaftsbeschlusses aus September 2019 derzeit eine

Kostenmiete mit variablen Anteilen.

Sie ist im Markvergleich unüblich hoch, von den Leistungsträgern nicht vollständig gegenfinanziert und betrug 2022 ca. 666.000,00 € p.a.

 

Nr. 3. der Stiftungssatzung:

Die Stiftung stellt die Kirchenhalle als auch das Langhaus des Heiligen-Geist-Hospitals Besucher:innen für Besichtigung der Kulturwerte, welche sich im Eigentum der Stiftung befinden, zur Verfügung. Die Kunstgegenstände bestehen aus Altären, Einzelfiguren, sakralem Silber und Wandmalereien.

 

Eine Nutzungsänderung kann daher nur im Rahmen der Satzung erfolgen; die rechtliche Auslegung der Satzung muss in enger Abstimmung und mit Zustimmung der Stiftungsaufsicht des Innenministeriums des Landes SH sowie des Finanzamtes erfolgen.

Im Rahmen eines ersten Sondierungsgespräches mit der Stiftungsaufsicht des Landes, an der rgermeister Lindenau sowie die Fachbereichsleitung und die Stiftungsverwaltung des HGH am 19.01.2023 teilgenommen haben wurde deutlich, dass die Nutzung des Hauses zum Wohle alter (und bedürftiger) Menschen aufrechterhalten werden sollte. Dies erfordert nicht zwangsläufig den Betrieb einer vollstationären Pflegeinrichtung.

 

Die Errichtung und/oder der Umbau einzelner Gebäudeteile zu abgeschlossenen Seniorenwohnungen mit Serviceangeboten (insbesondere die Gebäudeteile Schrankhaus und Kammerhaus) wurden als mögliche satzungskonforme Nutzungsalternativen angesprochen. Eine formal-rechtliche Prüfung hierzu steht noch aus.

 

Festzuhalten bleibt, dass auch bei einer alternativen Nutzung die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stiftung HGH nicht ausreichen wird, um die dafür dann erforderlichen Sanierungsmaßnahmen durchzuführen.

 

 

Fazit:

 

Anträge zum Thema "Weiterbetrieb" des HGH, wie sie beispielsweise in der VO/2022/11626-01 vorliegen, wurden in der Sondersitzung des Ausschusses für Soziales am 17.11.2022 vertagt. Bereits in den Runden Tischen hat die Verwaltung erläutert, warum ein Weiterbetrieb der Altenpflege im HGH in der jetzigen Form nicht erfolgen kann. Bauordnungsrechtlich ist aus Gründen des Brandschutzes eine Schließung unausweichlich. Eine künftige Wiederaufnahme der Altenpflege im HGH kann nur nach einer Betriebsunterbrechung erfolgen. Ein "weiter so" im Sinne der jetzigen vollstationären Altenpflege ist nicht möglich. Die Betriebsunterbrechung von mehreren Jahren ist aus Gründen der Gefahrenabwehr ebenso wie zur Durchführung der baulichen Maßnahmen erforderlich. Den Bewohnenden wurde das Angebot unterbreitet, in andere Häuser der SIE umzuziehen, entsprechende Kapazitäten werden dort freigehalten.

 

Wenn es gelingt, dass HGH brandschutztechnisch und baulich zu ertüchtigen, ist ein Weiterbetrieb eines Alten- und Pflegeheimes aus Sicht der Verwaltung -wenn überhaupt - nur unter deutlich verminderten Qualitätsstandards in Bezug auf die oben genannten Kriterien denkbar. Dies allerdings bei geringerer Belegung und unverhältnismäßig hohen laufenden Kosten, die eine Wirtschaftlichkeit der Maßnahme für die Stiftung und einen möglichen Betreiber der Pflegeeinrichtung ausschließen. Dabei wird die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stiftung HGH ohne eine plausible Refinanzierungsmöglichkeit bei der angenommenen Miete überschritten. Eine Wiederaufnahme des vollstationären Pflegebetriebes im HGH nach einer möglichen Sanierung ist aus Sicht der SIE nicht beabsichtigt. Es müsste ein anderer Betreiber gefunden werden, der die zu refinanzierenden unverhältnismäßig hohen Kosten trägt, damit die Stiftung zukünftig wirtschaftlich tätig sein kann.

 

Aus Sicht der Verwaltung bedeutet dies aber eine Schließung des Betriebes zum Zeitpunkt Ende des Interimsbetriebes am 30.09.2023 in der jetzigen Form und eine anschließende bauliche Ertüchtigung. Eine finanzielle Abwicklung der Maßnahmen über den zum 01.01.2023 neu gegründeten Eigenbetrieb SIE ist nicht möglich, da auch der Betrieb nicht über die finanzielle Leistungsfähigkeit im nötigen Investitionsumfang verfügt. Das Betriebskapital beträgt zur Gründung 8.162.000 Euro für den gesamten Betrieb (siehe VO/2022/11544).

 

Soweit theoretisch eine finanzielle Unterstützung der Hansestadt Lübeck überhaupt in Frage kommen sollte, kann diese nur an die Stiftung als Eigentümerin des Gebäudes erfolgen (zum Beispiel über eine zweckgebundene Zuwendung).

Eine derartige Zuwendung bedeutet eine Belastung des kreditfinanzierten Investitionshaushaltes der Hansestadt Lübeck und steht in Konkurrenz zu anderen städtischen Projekten.

Aktuell im Haushalt 2023 ff. beschlossene Großprojekte sind als Anlage beigefügt, die dann einer erneuten Prüfung auf Umsetzung unterzogen werden müssten.

 

Im Rahmen der Haushaltsgenehmigung des Haushaltsplans 2023 führt die Kommunalaufsicht im Genehmigungserlass vom 21.12.2022 aus:

 

Auch, wenn der prognostizierte Anstieg der Verschuldung im Vergleich zu den bisherigen Planungen gedämpft erfolgt, muss die Hansestadt Lübeck weiterhin Anstrengungen zur Senkung der geplanten Kreditaufnahme unternehmen. Die mit den kreditfinanzierten Investitionen einhergehenden Abschreibungen bzw. Auszahlungen aus ordentlicher Tilgung sowie die nunmehr gestiegenen Zinsen werden zu einer Belastung der kommenden Ergebnis- und Finanzhaushalte der Hansestadt Lübeck führen. Vor diesem Hintergrund sollte die Hansestadt Lübeck prüfen, ob der erhebliche Anstieg der Auszahlungen aus Investitionstätigkeit von rd. 101 Mio. Euro im Jahr 2021 auf rd. 227 Mio. Euro im Jahr 2026 realistisch sein kann. Für die Investitionsplanung empfehle ich, eine Streckung und Verschiebung von Investitionen vorzunehmen.“

 

Eine finanzielle Unterstützung durch die Hansestadt Lübeck ist daher mehr als fraglich und ggf. nicht genehmigungsfähig, weil das Kreditvolumen ein genehmigungsfähiges Maß übersteigt. Alternativ müssten bereits beschlossene andere im Haushalt verankerte Investitionsvorhaben zu Gunsten einer zügigen Sanierung des HGH aufgegeben werden.

Es sind deshalb künftige Nutzungen zu prüfen, die formalrechtlich in Übereinstimmung mit dem Stiftungszweck möglich und von der Stiftung finanziell leistbar sind. Weitere Abstimmungen mit der Stiftungsaufsicht sind hierzu vor dem Hintergrund der Genehmigungsnotwendigkeit zwingend erforderlich.

 

 


Anlagen

- Investitionen 2023 ff.  

- HH_Pläne_HGH_2020-2023

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich HH_Pläne_HGH_2020-2023 (357 KB)    
Anlage 3 2 öffentlich Investitionen_HL2023ff (161 KB)