Als einzig sinnvolle und zielführende Variante einer zweiten Zufahrt ist die Variante 1
anzusehen. Sie ist mit den wenigsten Umsetzungsproblemen behaftet, wie Widerstand
betroffener Bewohner, Landschaftsschutz, Lärmbelastung, Landkauf. Zudem hat sie den
Vorteil die Bahntrasse nicht im Stadtgebiet von Travemünde queren zu müssen, und
vermeidet Staueffekte an den Knoten KP06, KP07, KP08. Die Variante 1 entlastet darüber
hinaus alle anderen Knotenpunkte. Die aufgeführten Nachteile der Variante 1 sind
dagegen stark überzeichnet.
Die Studie, auf der die Vorlage weitgehend basiert, erscheint in wesentlichen Teilen
unvollständig und fehlerhaft. Wichtige Aspekte und Details werden nur teilweise erwähnt.
Unter Berücksichtigung dieser nicht genannten Punkte ergibt sich ein ganz anderes Bild.
Damit kommt auch die Vorlage zu Beschlussvorschlägen, die nicht lösungsorientiert sind.
Zur Kritik an der Vorlage:
1. Die Studie geht von einer Reihe nicht plausibler Annahmen aus.
Einige Beispiele:
- 1.4 Grundlagen – Der KP07: Travemünder Landstraße / Teutendorfer
Weg hat angeblich eine LSA. Das ist falsch und widerspricht den
Aussagen im Anhang.
- Die Aussage, dass der touristische Verkehr sich relativ gleichmäßig
über den Tag verteilt, kann man bei Betrachtung der Parkplätze vor Ort
leicht widerlegen.
- Die Autoren gehen von einer starken Entwicklung des
Tourismusverkehrs in Travemünde aus und wissen, dass „das
hauptsächliche Verkehrsmittel der Urlauber immer noch das Auto ist.“
Das müsste eigentlich zu einem höheren Verkehrsaufkommen führen.
Stattdessen wird „mit einer Entlastung des Travemünder
Verkehrsnetzes gerechnet, weil die Entwicklung in Richtung Änderung
des Modal Split zugunsten ÖPNV- und Fahrradnutzung in den
Planungen und Maßnahmen der Hansestadt Lübeck bereits aktiv
betrieben wird und dies letztlich zu einer Entlastung des Travemünder
Straßennetzes führt.“ Wie dieser Widerspruch aufgeklärt werden kann
bleibt offen. Hier ist wohl die Hoffnung der Vater des Gedankens.
- Die geplante Taktverdichtung bei der Bahn wird zu einer Verdopplung
der Schrankenschließungen pro Stunde führen. Auch dies hat angeblich
keine Auswirkungen auf die Verkehrsströme, da NAH.SH annimmt, dass
sich die Einzelschließzeiten durch technische Verbesserungen halbieren
und damit in Summe je Stunde gleichbleiben werden.
- Neben den Annahmen, die darauf ausgerichtet sind den
Verkehrszuwachs im Trend zu reduzieren, basiert der Analyse-Planfall
2021 auf alten Verkehrszahlen, die vor sieben Jahren (2015) erhoben
wurden, für die Zukunft im Jahr 2035 nur ergänzt um einige Werte aus
den neuen Baugebieten. Andere geplante Projekte wurden dagegen
nicht mit einbezogen. Für einige Verkehrsknotenpunkte, u.a.
Travemünder Landstr. / Teutendorfer Weg müssten neue Zahlen aus
dem Juni 2021 vorliegen. Diese wurden aber auch nicht berücksichtigt.
2. Kritik an den Ergebnissen der Verkehrsmodells
Zwei Beispiele:
- Variante 4 – (P4 P0) Zufahrt über Teutendorfer Weg: Nach dieser
Variante wird im Ergebnis die kürzere Route von Fahrzeugen mit dem
Ziel Travemünde-Altstadt, Baggersand, Priwall oder den Parkplätzen an
der Travemünder Landstraße nicht genutzt, was wenig plausibel
erscheint. Stattdessen behauptet das Modell, dass die Verkehrsmenge
insgesamt sich verringert, sowohl der Verkehr auf dem Gneversdorfer
Weg als auch auf dem Teutendorfer Weg mit den Knotenpunkten
Ivendorfer Landstraße und Travemünder Landstraße.
- Variante 5 wird präferiert, obwohl die Durchfahrt von Ivendorf mit
Spurverengungen und einer Tempo-30-Zone versehen wurde, was
beides laut Studie auch beibehalten werden soll. Auch die genannten
Knotenpunkte blieben weiterhin leistungsfähig. Wer den Verkehr hier
vor Ort erlebt, wird das stark bezweifeln.
3. Bewertungsmatrix
- S. 58 – Teile der Bewertungsmatrix in der Variantenabwägung sind:
- Städtebauliche Struktur
- Verkehrsqualität
- Verkehrssicherheit
- Flora / Fauna (Umwelt)
- Durchfahrbarkeit des Hafens
- Flächeninanspruchnahme
- Bautechnischer Aufwand
- Kosten
Nur die Wirkung auf die Einwohner interessiert in dieser Studie
niemanden.
Ganz anders dagegen bei Variante 1.
Die LHG wurde als Einzige Betroffene befragt; ihre Argumente wurden
1: 1 in die Studie übernommen, auch wenn sie noch so überzeichnet
waren. („Flächenbedarf für Verlagerung von ca. 13 ha. „Dies müsste
durch Eingriffe in den freien Landschaftsraum erfolgen, der in der
näheren Umgebung naturschutzrechtlich hochgradig sensibel eingestuft
ist.“ Kosten ca. EUR 20 Mio!) oder S.31 – „Des Weiteren wäre die
zukünftige wirtschaftliche Weiterentwicklung des Hafens gestört bzw.
nur noch schwer möglich.“
Die Durchfahrbarkeit des Hafens ist ein eigenes Kriterium in der Matrix,
dabei ist seit Jahren klar, dass es Möglichkeiten gibt, die nicht durch
den Hafen führen. Obwohl diese bekannt sind, hat man sie nicht weiter
untersucht. Selbst der Verfasser der Studie musste zugeben „Aus
verkehrlicher Sicht würde die Variante 1 im Vergleich eine deutliche
Empfehlung bekommen.“ (S.37)
- Als weiteres Argument gegen die Variante 1 führt die Studie die
Behinderung eines Hafenteils an, den es nicht in der Realität, sondern
nur in der Planung gibt, und das schon seit über 10 Jahren. Der
Planfeststellungsbeschluss für den Neubau des Bahnhofs
Gewerbegebiet Nord – Bereich Skandinavienkai datiert noch aus dem
Jahr 2011. Die damals im B-Plan enthaltene Dimensionierung des
Bahnhofs Gewerbegebiet Nord wurde begründet mit einer zu
erwartenden starken Zunahme des Umschlagsvolumens über den Hafen
auf rd. rund 53 Millionen Tonnen (brutto) im Jahr 2020. Das tatsächlich
erreichte Volumen beträgt derzeit ca. 26 Mio t brutto im Jahr (lt. Stat.
Jahrbuch der Hansestadt Lübeck 2017; aktuellere Werte liegen nicht
vor). Das ist höchstens die Hälfte des Volumens, die damals geplant
wurde. Damit ist die wirtschaftliche Begründung für die vor zehn Jahren
geplante Maßnahme entfallen. Bei der aktuellen wirtschaftlichen
Entwicklung der LHG ist derzeit auch keine Notwendigkeit ersichtlich,
die Baumaßnahme durchzuführen bzw. vorzubereiten. Dies zeigt sich
auch daran, dass diese Investition im Volumen von 11,8 Mio Euro seit
vielen Jahren zwar regelmäßig im Budget der Stadt aufgeführt, aber
auch Jahr für Jahr weitergeschoben wird (Dazu der Text: „Aus
hafenbetrieblichen und finanziellen Gründen erfolgt die Umsetzung in
Abstimmung mit der LHG nicht vor 20XX.“). Sie blockiert damit Gelder
im Haushalt für andere, wirklich notwendige Projekte und sollte nicht
realisiert werden.
4. Fazit:
Die Variante 5 ist abzulehnen, da sie erhebliche Nachteile für die
Anwohner mit sich bringt und mehr verkehrstechnische Probleme
verursacht als sie löst.
Die Variante 1 kann, anders als in der Studie dargestellt, bei
vernünftiger Umsetzung ohne große Nachteile für Bewohner, Umwelt
und LHG realisiert werden, da die Trasse annähernd parallel zur
Bahnlinie verläuft.
Bleibt die Frage, ob - wie von der Verwaltung behauptet und von der
Studie bestätigt – kein Bedarf für eine 2. Zufahrt nach Travemünde
besteht. Diese Aussage steht in direktem Gegensatz zu einem anderen
Verkehrsgutachten vom September 2021, dass von der Verwaltung im
Zuge der Entwicklung des Geländes der NTS in Auftrag gegeben
wurde. Auch hier hat man sich intensiv mit den zu erwartenden Staus
rund um die Kreuzung Gneversdorfer Weg / Moorredder beschäftigt.
Trotz der vorgeschlagenen baulichen und betrieblichen Maßnahmen
wird die Verkehrsqualität dabei als sehr problematisch eingeschätzt
QSV (D-F). Letzter Satz des Gutachtens: „Eine deutliche Entlastung
des Knotenpunktes kann perspektivisch nur im Zusammenhang mit
einer geänderten Stadtteilerschließung von Travemünde erreicht
werden.“ Damit ist eindeutig eine 2. Zufahrt gemeint.