Vorlage - VO/2022/11063  

Betreff: Umgestaltung der Tarifzone 6000
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna Hagen
Federführend:5.610 - Stadtplanung und Bauordnung Bearbeiter/-in: Bahr, Oliver
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Kenntnisnahme
16.05.2022 
68. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
20.06.2022 
69. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
11.07.2022 
70. Sitzung des Bauausschusses (Sondersitzung) zurückgestellt   
22.08.2022 
71. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
05.09.2022 
72. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
19.09.2022 
73. Sitzung des Bauausschusses zurückgestellt   
10.10.2022 
74. Sitzung des Bauausschusses (Sondersitzung) zur Kenntnis genommen / ohne Votum   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Anlage 1 - Aufteilung der Zone 6000 in weitere Teilzonen

Beschlussvorschlag


Beschlusspunkt B 4 des interfraktionellen Antrags der Fraktionen CDU und SPD in der rgerschaft am 20.05.2021 (VO/2020/9616-09):

 

Der Bürgermeister wird beauftragt der Lübecker Bürgerschaft bis Ende 2021 alternativer Vorschläge zu unterbreiten für die ersatzweise Aufteilung der Kernzone 6000 in kleinere stadtteilbezogene Tarifzonen mit der Preisstufe 1 und alternativ für die Weiterentwicklung des Kurzstreckentarifs. Ziel ist es die Tarifzone 6000 (Kernzone) zu ersetzen.“


 


Begründung

 

Dieser Bericht zeigt die bisher vorgenommenen Untersuchungen und Überlegungen auf, wie die Zone 6000 gem. Bürgerschaftsbeschluss neugestaltet werden kann.

 

Vorbemerkung

Der ÖPNV in Lübeck ist Teil des Schleswig-Holstein-Tarifs (SH-Tarif). Der SH-Tarif teilt das ganze Land in Tarifzonen ein. Der Fahrpreis richtet sich danach, durch wie viele Zonen eine Fahrt führt.

 

Der SH-Tarif ist in allen Verkehrsunternehmen (VU) in Schleswig-Holstein gültig. Es können mit einer Fahrkarte in Lübeck neben dem Stadtverkehr auch die Deutsche Bahn (DB) und die Autokraft (AK) genutzt werden.

 

beck ist im Wesentlichen bei der Preis- und Tarifzonengestaltung frei. Allerdings wirken sich Tarifanpassungen im Bereich der Region Lübeck unter Umständen auf das ganze Land aus. Tarifänderungen müssen daher immer in Zusammenarbeit mit der NSH als Trägerin des SH-Tarifs abgestimmt werden, bevor eine Umsetzung erfolgen kann.

 

Durch den Bürgerschaftsauftrag VO/2020/09616 sollten zwei Tarifmaßnahmen, einerseits die Abschaffung der Preisstufe 3, begrenzt auf die Lübecker Tarifzonen 6000-6007, und andererseits die Neuordnung der Zone 6000 geplant und umgesetzt werden. Im Umsetzungsprozess stellte sich heraus, dass bei einer frühestmöglichen Umsetzung (01.08.2022) nicht beide Ziele erreicht werden konnten. Die Preisabsenkung zum 01.08.2022 konnte aufgrund des erforderlichen Planungs- und Abstimmungsvorlaufs nur unter Beibehaltung der heutigen Tarifzonenstruktur realisiert werden. Mit den Überlegungen zur Neuordnung der Zone 6000 wurde jedoch der Gutachter mobilité beauftragt, hier eine Lösung zu erarbeiten.

Grundsätzlich kommt es bei Tarifplanungen zu Zielkonflikten zwischen verschiedenen Gestaltungsmerkmalen. Hierbei unterscheidet man zwischen den folgenden fünf Bereichen:

 

Einfachheit und Verständlichkeit

Der Tarif und die räumliche Struktur sollen aus Kundensicht einfach und verständlich sein.

Nachfragesteigerung und

-steuerung

Die ÖPNV-Tarife sollen dazu beitragen, dass die ÖPNV-Nachfrage gesteigert und die Auslastung der Verkehrsmittel gesteuert wird.

Leistungsgerechtigkeit für

den Fahrgast

Die in Anspruch genommene Leistung soll in äquivalenter Weise vergütet werden.

Tarifergiebigkeit

Eine auskömmliche Tarifergiebigkeit ist nötig, um das umfängliche Verkehrsangebot zu finanzieren und weiter auszubauen.

Soziale Ausgewogenheit

Niemand soll aus finanziellen Gründen auf den ÖPNV verzichten müssen.

 

Eine vollständige Aufsung aller Zielkonflikte ist in der Tarifplanung nicht möglich.

 

sungsansätze

Folgende Ideen wurden bereits geprüft und teilweise durch das mit dem Tarifgutachten betraute Unternehmen mobilité bewertet. Im Fokus der Bewertung stand dabei die Leistungsgerechtigkeit für den Fahrgast, ohne dabei den Tarif unnötig zu verkomplizieren.

 

a)      Ausweitung Kurzstrecke
 

Die Kurzstreckenkarte ist ein günstiges und leistungsgerechtes Einstiegsprodukt für kurze Strecken. Der Preis liegt seit 2013 stabil bei 1,80 €. Eine Nutzung ist montags bis freitags ab 9 Uhr möglich und erlaubt ab Einstieg die Fahrt für 4 weitere Haltestellen ohne Umstieg. Zudem gilt die Kurzstreckenkarte nicht im Zug oder in Schnellbuslinien. Aktuell entfallen 2,3 % der verkauften Fahrkarten des Stadtverkehrs Lübeck auf den Bereich der Kurzstrecke.

 
Die Kurzstrecke dient zur Abmilderung von Preishärten bei Zonenwechsel. Eine Ausdehnung des Geltungsumfangs auf 5 bzw. 6 Haltestellen hrt nicht zwangsläufig zu mehr Leistungsgerechtigkeit. Ein Blick auf die Fahrkartenverkäufe nach Haltestellen zeigt, dass die meisten Verkäufe am ZOB, Kohlmarkt und weiteren Innenstadthaltestellen sowie an Haltestellen um die Altstadtinsel herum getätigt werden. Diese Haltestellen liegen alle in der Zone 6000. Daraus kann man schließen, dass das günstige Angebot hauptsächlich vom Gelegenheitsverkehr für kurze Strecken genutzt wird und seltener zur Abmilderung von Preishärten bei Zonenwechsel.


Durch den Wegfall der Preisstufe 3, ausschließlich auf dem Lübecker Stadtgebiet, gibt es insbesondere durch die räumliche Nähe des Hauptbahnhofs zu Stockelsdorf kaum einen Gestaltungsspielraum, die Kurzstrecke zu erweitern. Startet man Beispielhaft an den LindenArcaden, erreicht man bei einer Erhöhung der Haltestellenanzahl der Kurzstreckenkarte auf 5 bereits die Stadtgrenze an der Reinsbeker Stre. Die Folge wäre ein Preissprung von 1,80 auf 3,30 zur nächsten Haltestelle. Die Preisstufe 2 käme dann auf diesem Linienabschnitt nicht mehr zur Anwendung. Bei einer Erhöhung auf 6 Haltestellen ist man bereits an der Haltestelle Rathausmarkt in der Tarifzone 5510,r die weiterhin eine Preisstufe 3 gilt. Umgedreht ist es allerdings nicht möglich, mit 6 Haltestellen durch die Lübecker Altstadt zu fahren, da zwischen dem ZOB und dem Gustav-Radbruch-Platz 8 Haltestellen liegen.

 
Um Anpassungen am Kurzstreckentarif vorzunehmen, ist ein Vorlauf von ca. vier bis sechs Monaten einzuplanen. Es ist eine Abstimmung der Tarifidee mit der NSH als Trägerin des Tarifs notwendig. Zudem bedarf es einer bilateralen Klärung mit den VU in Lübeck. Final muss eine Finanzierungsvereinbarung zwischen der Hansestadt Lübeck und den betroffenen VU geschlossen werden. Eine Umsetzung zum 01.01.2023 bzw. 01.04.2023 re möglich.


Zu den finanziellen Auswirkungen oder auch Fahrgaststeigerungen kann keine Einschätzung vorgenommen werden.

 

Im Ergebnis wird eine Ausweitung der Kurzstrecke nicht empfohlen, da die Leistungsgerechtigkeit auf kurzen Strecken damit nicht verbessert werden kann. Zudem droht ein Tarifkonflikt an der Stadtgrenze zu Stockelsdorf.

 

b)      Aufteilung der Zone 6000 in weitere Teilzonen (s. Anlage 1)
 

Zunächst wurde eine Neuordnung der Tarifzonen analog der 10 Stadtteile bzw. der 35 Stadtbezirke durchdacht. Eine Aufteilung in 35 Tarifzonen (plus weiteren Tarifzonen, die nicht zum Stadtgebiet gehören) wurde bereits aufgrund der Unübersichtlichkeit verworfen. Auch eine Aufteilung in 10 Stadteilzonen wurde vor dem Hintergrund erheblich verschieden großer Stadteile verworfen.

 
In einer weiteren Überlegung wurde versucht, die Kernzone 6000 in fünf (gleichgroße) Teilzonen aufzuteilen. Die Innenstadt stellt dabei eine eigene Tarifzone dar. Bei der Aufteilung wurde sich an markanten Merkmalen wie z. B. Flüssen oder größeren Ein- und Ausfallstraßen orientiert, um die Aufteilung insbesondere für die Nutzer:innen merkbar zu machen.


Durch die höhere Anzahl an Tarifzonen wird der Effekt der Preissenkung innerhalb der neu gestalteten Kernzone allerdings konterkariert, da viele der Fahrten dennoch in die Preisstufe 2 fallen würden. Darüber hinaus ergeben sich Schwierigkeiten im Vertrieb innerhalb des SH-Tarifs, da dieser eine relationsspezifische Bepreisung vornimmt. Reisende aus Schleswig-Holstein müssten daher bei Fahrtantritt genau wissen, in welcher Lübecker Zone ihr Ziel liegt, um den korrekten Fahrschein erwerben zu können. Diese Veränderungen sind mit einem hohen Maß an notwendiger Kommunikation in Richtung der Kund:innen verbunden. Dies gilt nicht nur für Reisende aus dem SH-Tarif-Gebiet, sondern gleichermaßen für die Nutzer:innen der Region Lübeck, die sich mit der neuen Zonierung vertraut machen müssten. Eine neue Zonierung kann somit eine weitere Zugangshürde zum ÖV darstellen und widerspricht daher dem Ziel der Steigerung der Attraktivität des Verkehrs.

 
Zuletzt bedeutet eine neue Zoneneinteilung einen hohen Anpassungsbedarf hinsichtlich bestehender Verträge und Einnahmenaufteilungsvereinbarungen. Entsprechende Überprüfungen und Anpassungen bedürfen eines geraumen Vorlaufs.

 
Sollte dennoch eine Umsetzung vorgenommen werden, ist ein erheblicher Vorlauf von 12 bis 24 Monaten einzuplanen. Für den SH-Tarif wird momentan an einem Tarifentwicklungsplan gearbeitet. Diese Arbeiten werden nicht vor Ende 2022 abgeschlossen sein. Die NSH setzt aktuell die Abschaffung der Preisstufe 3 in Lübeck um. Eine weitere (gravierende) Änderung der Tarifregion Lübeck hätte dann auch weitere Auswirkungen auf den bereits vereinbarten Ausgleich der Einnahmeausfälle. Realistisch wäre eine Einführung der Tarifzonenneuschneidung frühestens im Jahr 2024. Finanzielle Auswirkungen und Auswirkungen auf Fahrgastzahlen können zu diesem Zeitpunkt noch nicht genannt werden.

 
Eine Aufteilung der Kernzone wird aus den genannten Gründen nicht empfohlen. Diese Einschätzung wird von mobilité, der nah.sh sowie der NSH geteilt.

 

c)       Heutiger Preis der Preisstufe 1 in Zone 6000
 

Durch die Abschaffung der Preisstufe 3 werden Fahrten innerhalb der Zone 6000 nicht günstiger. Gleichzeitig entsteht allerdings eine Art Einheitstarif für Fahrten aus dieser Zone in die Stadtteile außerhalb der Kernzone. Eine Möglichkeit, dieses Problem der fehlenden Preis-Leistungsgerechtigkeit zu lösen, ist die Auflösung der Sonderregelung in der Kernzone. Durch diese Veränderung würde für Fahrten innerhalb der Zone 6000 ebenfalls die heutige Preisstufe 1 gelten. Für Fahrten auf längeren Relationen würde die Preisstufe 2 greifen. Neben der Erhöhung der Preis-Leistungsgerechtigkeit ist diese Regelung besonders einfach und damit kund:innenfreundlich. Sie erzeugt allerdings gleichzeitig eine sehr hohe Einnahmenänderung. mobilité geht dabei von Mindereinnahmen von mindestens 5 Mio. € pro Jahr aus. Durch die bereits erfolgte Abschaffung der Preisstufe 3 auf dem Lübecker Stadtgebiet entstehen allerdings an der Stadtgrenze Preissprünge (Preisstufe 1 auf 3), die einer besonderen Regelung bedürfen. Eine Umsetzung bedarf daher einer größeren Vorlaufzeit von min. 12 Monaten. Anschließend kann mit der NSH als Trägerin des Tarifs eine Umsetzung vorbereitet werden.

 
Eine Umsetzung wird aufgrund der hohen Kosten nicht empfohlen.

 

d)      Auflösung der Sonderregelung der Zone 6000 bei einem angepassten Preis


In diesem, durch die mobilité entwickelten, Modell wurde für die Region Lübeck (Lübeck und Umland) ein einheitlicher Maximalpreis der Preisstufe 2 festgelegt und der Preis der Zone 6000 von Preisstufe 2 auf 1 reduziert. Zur Finanzierung wurde eine Preiserhung in der Preisstufe 1 von 1,90 € auf 2,30 € sowie in der Preisstufe 2 von 2,70 € auf 2,90 € angenommen. In einer Modellberechnung wurde ein Fahrgastplus von 1,3 Mio. Fahrten angenommen. Die Mindereinnahmen beliefen sich auf ca. 2,8 Mio. €, wobei ein Anteil von ca. 200.000 € auf die Umlandgemeinden entfallen würde.

 
Aufgrund der Beschränkung des Wegfalls der Preisstufe 3 auf das Lübecker Stadtgebiet ist dieses Modell nicht umsetzbar.

 

e)      Einführung eines E-Luftlinientarifs (eTarif)
 

Der E-Luftlinentarif war bereits Gegenstand der VO/2020/09616. Mit einem eTarif auf der Basis eines Check-in-/Check-out-Systems lassen sich viele Probleme und Schwachstellen der heutigen Tarife lösen. Ein eTarif benötigt keine Tarifzonen und Preisstufen. Die Preisbildung erfolgt entfernungsabhängig, z. B. über die Luftlinienentfernung zwischen der Start- und Ziel-Haltestelle. Somit werden Preissprünge und Preishärten vermieden. Bezogen auf die Raumüberwindung kann eine maximale Preis-Leistungs-Gerechtigkeit realisiert werden. Jede Strecke kann überall gleich viel kosten. Über nutzungsabhängige Boni können Anreize zur Mehrnutzung geschaffen werden. Ein Feingutachten zum eTarif konnte bisher noch nicht in Auftrag gegeben werden, da die Abschaffung der Preisstufe 3 als wichtiger Rahmenparameter noch nicht feststand. Dieser Parameter ist durch den Beschluss zur VO/2022/10905 jetzt definiert. Die Verwaltung plant daher, die Ausschreibung für ein Feinkonzept zeitnah durchzuführen. Anschließend wird in Zusammenarbeit mit der nah.sh und der NSH ein Umsetzungszeitplan erstellt werden müssen. Aufgrund des aktuellen Prozesses des Tarifentwicklungsplans im SH-Tarif ist die Einführung eines E-Luftlinientarifs im Jahr 2022 noch nicht glich.

 
Die Realisierbarkeit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis sind aus Sicht der Verwaltung beim E-Luftlinientarif höher zu bewerten als bei den übrigen Varianten. Es wird daher empfohlen, die Variante e) weiterzuverfolgen, um auf kürzeren Strecken eine bessere Preisgerechtigkeit bzw. eine Fahrpreisreduzierung realisieren zu können.



 


Anlagen

 

1 Aufteilung der Zone 6000 in weitere Teilzonen


 

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Anlage 1 - Aufteilung der Zone 6000 in weitere Teilzonen (778 KB)    
Stammbaum:
VO/2022/11063   Umgestaltung der Tarifzone 6000   5.610 - Stadtplanung und Bauordnung   Bericht öffentlich
VO/2022/11063-01   AM Arne-Matz Ramcke & AM Dr. Axel Flasbarth (beide BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): Antrag zu VO/2022/11063 Umgestaltung der Tarifzone 6000   Geschäftsstelle der Fraktion BÜ90 DIE GRÜNEN   Antrag eines Ausschussmitgliedes