Vorlage - VO/2021/10275-01  

Betreff: Benennung von Verkehrsflächen in der Hansestadt Lübeck: B-Plan 07.32.00 - Schlutuper Straße / Lauerhofer Feld - Austauschvorlage zu VO/2021/10275
Status:öffentlich  
Dezernent/in:Senatorin Joanna HagenBezüglich:
VO/2021/10275
Federführend:5.660 - Stadtgrün und Verkehr Bearbeiter/-in: Johannsen, Jens
Beratungsfolge:
Senat zur Senatsberatung
Bauausschuss zur Entscheidung
06.12.2021 
61. Sitzung des Bauausschusses an Verwaltung / Ausschuss zurück verwiesen   

Beschlussvorschlag
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Anlage 1_Plan zur Benennung, Auszug aus dem B-Plan 07.32.00

Beschlussvorschlag


 

Im Stadtteil St. Gertud wird die geplante Erschließungsstraße im Rahmen des B-Plans 07.32.00 Schlutuper Straße / Lauerhofer Feld gemäß Anlage 1 wie folgt benannt:

 

Kleingartenring: Planstraße A, die als Ringstraße das neue Baugebiet erschließen wird


 


Verfahren

 

Bereiche/Projektgruppen

Ergebnis

 

 

 

 

 

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

 

Ja

gem. § 47 f GO ist erfolgt:

X

Nein- Begründung:

Durch den Beschluss werden die Belange von Kindern und Jugendlichen nicht berührt.

 

 

 

 

 

 

 

Die Maßnahme ist:

X

neu

 

X

freiwillig

 

 

vorgeschrieben durch: 

 

 

 

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

Ja (Anlage 1)

 

X

Nein

 

Auswirkung auf den Klimaschutz:

X

Nein

 

 

Ja Begründung:

 

 

 

 

 

 

Begründung der Nichtöffentlichkeit

gem. § 35 GO:

 

 

 

 


Begründung


In der Bauausschusssitzung am 16.08.2021 wurde der Namensvorschlag der Verwaltung unter TOP 3.2 (VO/2021/10275) abschlägig diskutiert und die Vorlage zurückgestellt, damit die Stadtverwaltung aus der intern geführten Liste von Benennungsvorschlägen, die von einzelnen Personen als geeignet erachtet wurden, einen alternativen Straßennamen aussucht. Als Begründung wurde zum einen der Namensvorschlag als anstrengend klingend empfunden, andererseits wurde darauf verwiesen, dass in der Gegend bereits Straßen mit skandinavischen Namen vorhanden seien. Weiterhin wurde die Bitte geäert, dass die Verwaltung berichten solle, welche Gründe sie für die Auswahl des Straßennamens Kleingartenring“ gehabt habe.

 

Um dieser Bitte nachzukommen, wird zuerst erläutert, nach welchen Kriterien die Auswahl von Straßenbenennungen öffentlicher Verkehrsflächen grundsätzlich erfolgt, und welchen rechtlichen Charakter eine Straßenbenennung hat.

 

Den Gemeinden wird mit § 47 Abs. 1 Straßen- und Wegegesetz Schleswig-Holstein (StrWG) das Straßenbenennungsrecht eingeräumt. Bei der Namenswahl besteht Ermessen. Grundsätzlich haben die betroffenen Straßenanlieger:innen kein subjektives Recht darauf, dass eine bestimmte Benennung erfolgt oder unterbleibt, wohl aber darauf, dass die Gemeinde bei ihrer Ermessensentscheidung über die Namensgebung die Interessen der Anlieger:innen in die Abwägung einbezieht.

Ermessensfehler können somit beispielsweise entstehen, wenn sich die Gemeinde allgemeine Regeln für Straßenbenennungen aufgibt, diese im Einzelfall jedoch nicht beachtet.

 

In der Hansestadt Lübeck stellt die vom Senat 1995 beschlossene Richtlinie für die Benennung und Umbenennung von Straßen eine interne Verfahrensrichtlinie dar, die das Ermessen des zuständigen Entscheidungsträgers bindet. Sie müssen von der Verwaltung als Verwaltungsvorschriften beachtet werden und steuern somit auch deren Ermessensausübung.

 

Eine unmittelbare Außenwirkung haben diese Richtlinien grundsätzlich nicht. Allerdings unterliegt die Verwaltung dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, der in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verankert ist. Liegen die Voraussetzungen vor, haben die außerhalb der Verwaltung stehenden Bürger:innen einen Anspruch auf das betreffende - in den Verwaltungsvorschriften vorgeschriebene - Verhalten der Verwaltung. Durch die tatsächliche ständige Übung (Verwaltungspraxis) entfalten die Verwaltungsvorschriften insofern faktisch eine Außenwirkung.

 

Bei der Suche nach einem geeigneten Namen hält sich die Verwaltung selbstverständlich an diese weiterhin gültige interne Richtlinie für die Benennung von Verkehrsflächen in der Hansestadt Lübeck. Die dort geltenden Grundsätze bei der erstmaligen Benennung von Verkehrsflächen werden berücksichtigt:

 

  1. Der Name soll einmalig, möglichst kurz, einprägsam, wohlklingend und für den mündlichen und schriftlichen Gebrauch unmissverständlich sein.

 

  1. Bindestrichverbindungen, die bei Verwendung von Eigennamen oft notwendig werden, sind möglichst zu vermeiden. Fremdsprachliche Grundwörter sind nur aus begründetem historischen Anlass zu verwenden (z. B. Boulevard, Rondell oder ähnliches).

 

  1. Je nach Möglichkeit sollen insbesondere diejenigen alten Bezeichnungen berücksichtigt werden, die eine Erinnerung an historische Zusammenhänge, an die Entwicklung, unumstrittene geschichtliche Ereignisse und Persönlichkeiten der Hansestadt Lübeck darstellen oder alte Flurnamen lebendig erhalten.

 

  1. Stehen entsprechende Namen nicht zur Verfügung, sind Benennungen nach der Umgebung der Verkehrsfläche, nach geographischen Gegebenheiten, Ländern, Orten, Tieren, Pflanzen, nach allgemein anerkannten Persönlichkeiten oder anderen Motivgruppen vorzuschlagen. Anzustreben ist dabei:

 

  1. die Bildung neuer oder die Fortführung bestehender Motivgruppen in räumlich zusammenhängenden Gebieten (z.B. Neubaugebieten), wobei dasselbe Gruppenmotiv nicht in verschiedenen Gegenden verwendet werden soll;

 

  1. die Benennung neu entstehender durchgehender Verkehrsflächen mit nur einem Namen.

 

  1. Benennungen lebender Persönlichkeiten sind nicht zulässig, solche nach verstorbenen Persönlichkeiten dürfen aus Gründen der Pietät erst nach Ablauf eines Trauerjahres erfolgen.

 

  1. Vornamen, Titel und andere Zusätze zu Personennamen sollen nicht verwendet werden, es sei denn, dass die Benennung unter Verwendung des Familiennamens allein zu Missdeutungen führt bzw. der Bedeutung oder dem üblichen Gebrauch dieses Namens nicht genügend Rechnung getragen wird. Namenszüge mit Bindestrichverbindungen wie beispielsweise "Gustav-Radbruch-Platz" oder dergleichen sind zu vermeiden.

 

  1. Sofern Personennamen für die Benennung vorgesehen sein sollten, ist das Frauenbüro einzuschalten. Bei Personenbenennungen sind Frauennamen vorrangig zu berücksichtigen.

 

  1. Auf der Grundlage eines Bebauungsplanes erfolgt die erstmalige Neubenennung durch die städtischen Gremien frühestens nach Erlangen der Rechtskraft des jeweiligen Bebauungsplanes bzw. vor Baubeginn der Verkehrsfläche.

 

Aus diesen Grundsätzen lässt sich für die Verwaltung deutlich ableiten, dass es bei der Benennung von Straßen vorrangig darum geht, ein nachvollziehbares und klares Ordnungssystem zu schaffen, welches der Eindeutigkeit der Adressbildung entgegenkommt.

Straßennamen sollen der Orientierung dienen und im Zusammenhang mit der Hausnummerierung die Auffindbarkeit von Liegenschaften und die öffentliche Sicherung und Ordnung gewährleisten. Wenn bereits Namensbestandteile einer Straße auf Besonderheiten des Standortes hinweisen, erleichtert dies die Auffindbarkeit.

Sobald die Möglichkeit besteht, durch die Auswahl eines Straßennamens die unter Punkt 3 der Richtlinie beschriebene Ortsgeschichte lebendig zu halten, wird dies vorrangig berücksichtigt.

Besteht bereits eine Motivgruppe, so wird diese möglichst erweitert. Hierbei achtet die Verwaltung darauf, dass ein räumlicher Zusammenhang besteht.

Sofern die vorgenannten Möglichkeiten nicht gegeben sind, kann sich die Verwaltung aus der intern geführten Vorschlagsliste bedienen und dort einen Namensvorschlag aushlen. Die dort aufgeführten Namen wurden von einzelnen Personen aus unterschiedlichsten Beweggründen vorgeschlagen. Eine Überprüfung der Vita ist bis dato nicht erfolgt. Ob mögliche Verfehlungen dieser Personen in der Vergangenheit begangen wurden, kann die Verwaltung des Bereiches Stadtgrün und Verkehr nicht überprüfen.

 

Die Grundwortanalogie bei einer Straßenbenennung soll zudem verdeutlichen, um welche Art Straße es sich handelt (Platz, Allee, Gasse, Ringstraße, etc.)

Letztendlich sollte der Name einer Straße grundsätzlich auf Dauer ausgelegt sein.

 

Das neugeplante Baugebiet an der Schlutuper Straße hat keinen direkten räumlichen Zusammenhang zu einer bestehenden Motivgruppe. Der räumliche Zusammenhang besteht aus Sicht der Verwaltung beispielsweise dann, wenn eine gemeinsame verkehrliche Erschließung vorhanden ist.

Die zitierte Motivgruppe mit den „skandinavischen Namen“ liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Schlutuper Straße und wird über den Marliring erschlossen. Ein räumlicher Zusammenhang kann hier nicht festgestellt werden. Nach diesseitiger Auffassung wäre es absolut nicht schlüssig, wenn ein weiterer Name aus diesem Genre in einem Baugebiet verwandt werden würde, dass zwar nur wenige hundert Meter in Luftlinie entfernt liegt, jedoch vollständig anders erschlossen wird.

Daher erscheint auch der Hinweis aus dem Bauausschuss auf eine Benennung nach Olof Palme (30.01.1927 - 28.02.1986 - sozialdemokratischer, schwedischer Ministerpräsident von 1969-1986) als ungeeignet. Der Namensvorschlag stammt vom 03.04.1986 und wurde kurz nach dessen Ermordung auf die Vorschlagsliste gesetzt. Er widerspricht zudem Ziffer 7 der Benennungsrichtlinie, nach der bei Personenbenennungen vorrangig Frauennamen berücksichtigt werden sollen. Im vergangenen Verfahren zur Umbenennung des Lenardwegs und der Pfitznerstraße wurde dies auch deutlich politisch vertreten.

 

Die südwestlich vor der neuen öffentlichen Verkehrsfläche befindlichen Straßen werden von Philosophennamen geprägt. Daher war durchaus von der Verwaltung angedacht, die neue Ringstraße Philosophenring zu benennen. Dieses wurde allerdings fallengelassen, weil es in unmittelbarer Nähe den Philosophenweg gibt. Dies würde sicherlich regelmäßig zu Problemen bei Post und Paketzustellungen führen.

 

dlich schließen sich die Straßen Am Pohl und die Straße Pensebusch an. Diese Straßen wurden nach Flurnamen benannt. Wären weitere historische Flurnamen vorhanden, hätte die Verwaltung diese für eine Namensgebung herangezogen. Die Suche im Archiv der Hansestadt Lübeck verlief jedoch erfolglos, weil die historischen Flurkarten dieses Gebietes nicht gerettet werden konnten.

 

Da sich das neue Baugebiet mit seiner zu benennenden Ringstraße auf dem alten, bekannten und über Jahre stadtteilprägenden Kleingartengelände befindet, hat sich die Verwaltung als Erinnerung an die bisherige Nutzung bewusst für den Namen Kleingartenring entschieden.

Dies deckt sich mit der vom Deutschen Städtetag herausgegebenen Handreichung Straßennamen im Fokus einer veränderten Wertediskussion (Punkt 3.8) und der Empfehlung vom Ständigen Ausschuss für geographische Namen, die in der 144. Sitzung am 13.11.2018 beschlossen wurde. Beide Institutionen befürworten bei Neubenennungen Flurnamen oder andere lokal gebräuchliche Namen bevorzugt zu verwenden.

In einer alten Karte, die vermutlich bereits vor 1889 entstanden ist, wird das Kleingartengelände an der Schlutuper Straße bereits als Garten-Kolonie ausgewiesen.

 

Aus diesen Gründen hält die Verwaltung an ihrem Benennungsvorschlag „Kleingartenring“ weiterhin fest.

 

Dem Wunsch des Bauausschusses vom 16.08.2021 folgend, werden weitere Benennungsvorschläge auf Grundlage der Vorschlagsliste ergänzt:

 

Geschwister-Grünfeldt-Ring: Benannt nach drei jüdischen Schwestern: Emma, Minna und Clara Grünfeldt aus Lübeck, Charlottenstraße

Sie wurden am 06.12.1941 zusammen mit anderen Lübecker Juden nach Riga deportiert, wo sie umkamen. Zwei der drei Schwestern, die als Kinder dem jüdischen Glauben angehörten, sind später zur evangelisch-lutherischen Kirche übergewechselt. Emma, geb. am 08.09.1880 in Wismar, wirkte 30 Jahre als evang. Religionslehrerin an der heutigen Kahlhost Schule. Minna arbeitete im Sekretariat des Katharineums. Die ehemalige jüdische Religionszugehörigkeit der Schwestern führte zur Diskriminierung, Verfolgung, Deportation und zum Tod.

 

Trine-Hildebrandt-Ring: Trine Hildebrandt wurde am 13.07.1669 als Hexe zum Tod durch Verbrennung verurteilt. Sie starb am 06.08.1669

 

Audre-Lorde-Ring:  18.02.1934 17.11.1992; Frau Audre Lorde war eine US-amerikanische Schriftstellerin und Aktivistin. Sie bezeichnete sich selbst als black, lesbian, feminist, mother, poet, warrior (Schwarze, Lesbe, Feministin, Mutter, Dichterin, Kriegerin) Sie war in den 60er Jahren aktiv in der schwarzen und feministischen Bewegung tig und kämpfte gegen Sexismus, Rassismus und Homophobie

 

Emmy-Türk-Ring:  18.12.1834 in Swinemünde 25.10.1900 in Libau / Kurland

Schriftstellerin und Verbandsfrau; Tochter des dänischen Konsuls in Swinemünde; 1855 ging sie nach ihrer Heirat mit dem Schriftsteller Hugo Kreissler nach Berlin; 1866/67: Einführung in die Kreise der ´Berliner Intelligenz´; in Weimar lernte sie u.a. Liszt und Hoffmann von Fallersleben kennen; 1867 heiratete sie den Lübecker Arzt Dr. Karl Türk und zog nach Lübeck, sie hatte Kontakt zu Emanuel Geibel und den Malern Cordes und Milde; Ihre schriftstellerische Tätigkeit gab sie zugunsten ihrer großen Familie gänzlich auf. Sie wurde jedoch Schrift- und Kassenführerin im Gründungsvorstand des Lübecker Zweigvereins des „Verbands der deutschen vaterländischen Frauenvereine“ (VFV). 1871: Auszeichnung mit dem Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen (1871) für ihre langjährige Tätigkeit als Vorstand des VFV; 1874: Auszeichnung mit der Kriegsdenkmünze aus Stahl am Nichtkombattantenband für ihre Leistungen bei der Pflege Verwundeter.

 

 

 


Anlagen


Anlage 1: Plan zur Benennung, Auszug aus dem B-Plan 07.32.00

Anlagen:  
  Nr. Status Name    
Anlage 1 1 öffentlich Anlage 1_Plan zur Benennung, Auszug aus dem B-Plan 07.32.00 (3301 KB)    
Stammbaum:
VO/2021/10275   Benennung von Verkehrsflächen in der Hansestadt Lübeck: B-Plan 07.32.00 - Schlutuper Straße/Lauerhofer Feld   5.660 - Stadtgrün und Verkehr   Beschlussvorlage öffentlich
VO/2021/10275-01   Benennung von Verkehrsflächen in der Hansestadt Lübeck: B-Plan 07.32.00 - Schlutuper Straße / Lauerhofer Feld - Austauschvorlage zu VO/2021/10275   5.660 - Stadtgrün und Verkehr   Beschlussvorlage öffentlich
VO/2021/10275-02   Benennung von Verkehrsflächen in der Hansestadt Lübeck: B-Plan 07.32.00 - Schlutuper Straße / Lauerhofer Feld   5.660 - Stadtgrün und Verkehr   Beschlussvorlage öffentlich